„Uns geht es darum, Frauen zu fördern, die nicht gesehen werden.“
Start up, baby!
Die Statistiken zeigen, dass Frauen seltener gründen als Männer. Warum habt ihr euch als Frauen dazu entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Es gab nicht den Moment, indem wir dachten: „Wir gründen jetzt als Frau.“ Bei uns ist es aus dem persönlichen Problem entstanden, dass wir uns selber nicht mit dem Thema Finanzen beschäftigt haben. Wir haben gemerkt, es gibt gar kein Angebot und keine anderen Vorbilder, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und vor allem Frauen ermutigen. Wir haben uns zusammengesetzt und darüber gequatscht: „Was gibt es für Möglichkeiten und Angebote, was können wir machen?“. Zuerst haben wir dann in Teilzeit gegründet, damit die Sicherheit da ist. Erst seit Ende letzten Jahres sind wir in Vollzeit dabei.
Woran liegt es, dass Frauen seltener gründen als Männer?
Ich glaube, es hat indirekt wieder mit unserem Thema Finanzen zu tun. Frauen verdienen weniger. Wenn man schon weniger Geld hat, geht man seltener den Schritt zu gründen. Außerdem sind Frauen weniger risikobereit und investieren seltener. Sie haben Angst, dieses Geld auch wieder zu verlieren. Und es ist schwer, Unterstützungsangebote zu finden, die speziell auf Frauen ausgerichtet sind. Alles ist noch sehr männerdominiert. Es gibt super viele Fördermittel für technische Erfindungen, aber kaum welche für purpose-Start-ups oder Frauen-geführte Unternehmen. Da kann vor allem von außen noch viel verbessert werden. Während unserer Gründung ist uns nichts begegnet, was krass zu uns als Frauen und zu unserem Start-up gepasst hätte.
Es gibt keine allgemeingültige Definition für „purpose-Start-Ups“ . In der Gründer*innenszene versteht man darunter Start-Ups, die ihre Zielsetzung stark mit gesellschaftlichen Werten verknüpfen. Sie richten sich nicht ausschließlich nach ökonomischen Aspekten.
Hattet ihr bei eurer Gründung Vorbilder, an denen ihr euch orientiert habt?
Unser Lieblings-Start-up ist The Female Company. In Situationen, in denen wir nicht weiter wussten, haben wir uns immer überlegt, wie The Female Company handeln würde. Tatsächlich fehlt aber noch ein richtiges deutschlandweites Netzwerk für weibliche Gründerinnen, das würde ich mir wünschen.
Euer Team besteht ausschließlich aus Frauen. Ist das ein Resultat eurer Vision als Unternehmen oder auch eine Gleichstellungsmaßnahme?
Wir schließen nicht aus, irgendwann mal eine männliche Person einzustellen. Wir möchten das, was wir kommunizieren und in der Gesellschaft erreichen wollen, natürlich auch selbst leben. Uns geht es darum, Frauen zu fördern, die nicht gesehen werden. Sollten wir das Gefühl haben, ein Mann passt besser auf eine bestimmte Position, dann geht es natürlich nicht mehr um das Geschlecht. Trotzdem schauen wir zuerst, ob es da draußen eine Frau gibt, die diese Position gut besetzen kann.
Habt ihr als Frauen eine andere Perspektive auf die Unternehmensleitung als Männer?
Vielleicht gehen Frauen die Dinge oder Entscheidungen oft bedachter an als Männer. Was ich auch gelesen habe, ist, dass gemischte Teams am besten performen. Das ist ein super interessanter Gedanke für die Zukunft von Unternehmen. Wenn man von jeder Persönlichkeit oder jedem Geschlecht die besten Qualifikationen bündelt, ist es klar, dass man auch am besten performt.
Ihr fokussiert euch auf Frauen, schließt ihr damit Männer nicht aus?
Wir kommunizieren nur, dass wir Frauen ermutigen möchten, was im Umkehrschluss nicht heißt, dass wir Männer ausschließen. Gender Pay Gap, Care Gap, Pension Gap: Es geht um die Gleichstellung. Wären all diese Lücken geschlossen, könnte auch die Kommunikation neutraler werden.
„Um einen Wandel zu bewirken, müssen auch die Politik und die Gesellschaft ran.“
Liegt die Verantwortung bei den Frauen, Gleichstellung herzustellen?
Wir ermutigen Frauen, weil am Ende vom Tag die eigene Einstellung und das eigene Verhalten etwas ändern können. Aber um einen Wandel zu bewirken, müssen auch die Politik und die Gesellschaft ran. Indem Frauenquoten eingeführt werden oder Care-Arbeit vergütet wird. Wenn die Frau durch Kinderbetreuung auf der Arbeit fehlt, ist das zwar eine eigene Entscheidung, die aber trotzdem ausgeglichen werden sollte.
Was habt ihr aus dem Gründungsprozess für euch mitnehmen können?
Von Anfang an hat sich unser Motto „Start before you're ready“ etabliert. Das ist unser größtes Learning und erfahren wir auch immer wieder. Vor kurzem haben wir unsere App gelauncht, die vorne und hinten nicht perfekt ist. Aber da steckt viel Arbeit drin und es braucht eben seine Zeit. Das Wichtige ist, damit rauszugehen, sich Feedback einzuholen und weiter daran zu arbeiten.
Was rätst du jungen Frauen, die gründen wollen?
Im Nachhinein denke ich mir, hätte ich doch schon im Studium angefangen. Das ist meiner Meinung nach der beste Zeitpunkt, wenn man einen Gründungswunsch hat. Da hat man so viel Zeit, sich damit zu beschäftigen, welche Themen dich interessieren, in welcher Nische du ein Angebot schaffen könntest. Man muss nur in die Uni reinlaufen, um sich mit jungen Menschen zusammenzusetzen, die vielleicht genau das Gleiche machen möchten.