Entmachtet? Das Parlament im Schatten von Corona
Die Corona-Pandemie stellt nicht nur die Bevölkerung vor eine große Herausforderung. Besonders die Politik muss ihr trotzen. Die Sorge um unsere Demokratie ist groß: Einige Menschen befürchten ihre Abschaffung und die Einschränkung der eigenen Rechte. Darum gehen sie auf die Straße. Die Proteste sind zwar legitim, werden jedoch von Verschwörungstheoretiker*innen und Rechtsextremisten ausgenutzt. Sie missbrauchen die Gelegenheit, um ihre Themen zu platzieren und andere Menschen damit zu beeinflussen. Die Befürchtungen der Demonstrant*innen sind aber haltlos. Unsere Demokratie funktioniert auch weiterhin.
Das Parlament bildet den Grundpfeiler unserer Demokratie. Es wird als einziges Verfassungsorgan direkt von der Bevölkerung gewählt und legt den Rahmen für die Arbeit der Bundesregierung fest. Zum Beispiel durch den Haushaltsplan, mit dem die Corona-Hilfen beschlossen wurden. Die Bundesregierung handelt also auf Grundlage des Parlaments, das bei Debatten die Beschlussvorschläge diskutiert. Solange unser Parlament funktioniert, ist auch die Demokratie intakt.
Rechtlicher Rahmen für Corona-Maßnahmen
Wie mächtig das Parlament in der Corona-Krise ist, zeigt sich am neuen Infektionsschutzgesetz, welches Bundestag und Bundesrat am 18. November 2020 beschlossen haben. Es sieht vor, dass Regierung und Länder Auflagen wie Kontaktbeschränkungen anordnen dürfen, sobald das Parlament die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellt. Dies gilt aber nur für vier Wochen, dann muss die Notlage erneut ermittelt werden. Das Infektionsschutzgesetz regelt also in Zukunft die demokratische Beschlussfindung und bildet den offiziellen Rechtsrahmen der Bundesregierung. Es rechtfertigt Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, macht sie transparenter und stärkt damit die Demokratie. Das Gesetz zeigt: Das Parlament hat weiterhin die Macht, auch wenn die konkreten Auflagen von anderen Verfassungsorganen kommen.
Auch interessant
Bis das Gesetz beschlossen wurde, hat es leider zu lange gedauert. Besser wäre es schon im Sommer gewesen. Das hätte die Vorgehensweise von Bund und Ländern weniger fragwürdig gemacht. Die Maßnahmen wirkten bis dahin willkürlich und ohne feste Grundlage, weshalb sie vielerorts auf Ablehnung und Unverständnis stießen. So wurden die Anti-Corona-Demos noch weiter angefeuert. Außerdem ist das neue Gesetz nicht vollständig durchdacht. Die genauen Voraussetzungen für die Freiheitseinschränkungen und besonders die Maßnahmen hätten weiter präzisiert werden können. Gleichzeitig kam die Diskussion im Parlament viel zu kurz. Aber Krisenzeiten gelten nun einmal als Zeiten der Exekutive, der ausführenden Gewalt. Für lange Debatten im Parlament ließ die Corona-Pandemie einfach keinen Platz. Eine schnelle Reaktion war gefragt. Jede weitere Woche kostete Menschenleben.
Demokratie trotzt Krise
Wurde das Parlament nun wirklich entmachtet? Nein. Alle demokratischen Abläufe, wie die Kontrollfunktion durch große und kleine Anfragen, haben weiterhin funktioniert. Die meisten Beschlüsse hätte das Parlament auch ablehnen können, doch es erkannte wohl die dringende Notwendigkeit, schnell zu handeln. So auch beim Infektionsschutzgesetz. Vielmehr fand eine leichte Umverteilung der Macht statt, da das Augenmerk auf der schnellen Handlungsfähigkeit der Exekutive lag. Die Regierung muss sich aber mehr rechtfertigen und dem Parlament Rede und Antwort stehen, damit der demokratische Dialog nicht untergeht. Austausch und Diskussion sollten weiterhin die oberste Priorität bleiben – das macht unsere Demokratie aus.