Slut-Shaming: „Willst du das wirklich anziehen?"
Viele Frauen kennen das Gefühl, vor dem Spiegel zu stehen und sich die Frage zu stellen, ob das, was man anziehen will, vielleicht doch zu „freizügig“ ist. Denn allein die Wahl der Kleidung kann den Anschein erwecken, man wolle Männer damit provozieren. Dies bestätigt das Ergebnis einer Umfrage der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2016. Danach stimmen rund 17 Prozent der 27.818 befragten EU-Bürger der Aussage zu, dass Gewalt gegenüber Frauen oft vom Opfer provoziert wird. Als Begründung dafür wird beispielsweise oftmals gesagt, dass sich Frauen schlampenhaft anziehen würden. Dazu tragen wir Frauen, als sexistisch benachteiligte Personen, selbst bei – und wir müssen damit aufhören. Äußerungen wie „Hast du gesehen, wie eng ihre Shorts waren?“, die andere Frauen aufgrund ihrer Kleidungsweise kritisieren, sollen nicht verharmlost werden. Denn es gibt keine „provokante“ Kleidung. Keine Frau ist selbst dafür verantwortlich, dass sie beleidigt oder ihr Körper sexualisiert wird. Ein Outfit, ganz gleich was wir tragen, wird nie eine Einladung oder Rechtfertigung dafür sein, dass uns jemand angreift. Gegen diese Täter-Opfer-Umkehr, im Englischen „Victim-Blaming“ genannt, kämpft zum Beispiel die feministische Bewegung „SlutWalk", die inzwischen zu einem globalen Phänomen geworden ist.
„Mit wie vielen hat sie schon rumgemacht?“
Selbst wenn eine Frau enge Kleidung trägt, weil sie sich sexy darin fühlt, ist es keine Begründung dafür, sie als Schlampe zu beleidigen. Jede*r sollte das Recht haben, die eigene Sexualität auszuleben, ohne dafür verurteilt zu werden. Dass eine Frau offen über Sex spricht oder mehrere Sexpartner*innen hat, gibt ebenfalls niemandem das Recht, sie abzuwerten. Indem wir Frauen uns gegenseitig verurteilen, schränken wir uns selbst ein und verhindern, unsere eigene Sexualität selbst zu bestimmen. Denn so fangen wir an, nur Entscheidungen zu treffen, die andere für angemessen halten. Zudem bestärken wir dadurch die Idee, dass Sex für Frauen etwas Unmoralisches sei und dass wir uns dafür schämen sollten. Diese Einstellung ist nicht nur sexistisch, sondern wirkt sich ebenfalls negativ auf unsere Selbstbestimmung aus. Niemand, außer man selbst, kann entscheiden, wie man mit seiner eigenen Sexualität umgeht.
Jetzt reicht’s!
Der Gedanke, in Konkurrenz zu anderen Frauen zu stehen, ist der Hauptgrund, wieso wir Slut-Shaming aufrechterhalten. Dazu äußert sich auch Kerstin Thost, Kulturwissenschaftlerin und Mitglied von SlutWalk München:
Wer andere Frauen demütigt, will sich dadurch selbst in ein besseres Licht rücken. Das Einzige, was wir hierdurch aber erreichen, ist, dass Sexismus zunimmt. Jemanden als Slut abzustempeln, macht uns nicht besser, auch wenn wir dies nur in unseren Köpfen tun. Und es betrifft uns alle. Letzten Endes sitzen wir Frauen im selben Boot, in dem wir tagtäglich Diskriminierung und Gewalt erleben müssen. Es ist Zeit, dass wir uns gegenseitig unterstützen, statt uns runterzuziehen.