Kuba

Wie geht Revolution?

09. Mai 2023
Spätestens nach dessen Tod geht das Foto von Ernesto "Che" Guevara um die Welt. Er wird zum Symbol für so vieles: Männlichkeit, Heldentum und eben auch soziale Gerechtigkeit und Revolution. Aber wie war das mit der Kubanischen Revolution damals überhaupt?

Neunzehnhundertdreiundfünfzig: Dwight D. Eisenhower wird der 34. Präsident der Vereinigten Staaten. Queen Elizabeth ll. besteigt den britischen Thron. Der sowjetische Diktator Josef Stalin ist tot. Im Himalaya wird der Mount Everest zum ersten Mal bestiegen und im deutschen Fernsehen feiert die Augsburger Puppenkiste ihre Premiere. Es ist ein bewegtes Jahr - für die Politik, Wirtschaft, Wissenschaft sowie die Kultur. Auf einer Insel, südlich von Florida und östlich von Mexiko gelegen, versucht derweil eine Gruppe von jungen Rebell*innen, endlich eine Veränderung für ihr Volk herbeizuführen.

Die Kubanische Revolution beginnt am 26. Juli 1953. Rund 150 Männer und Frauen stürmen an diesem Morgen die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, einer Großstadt im Südosten von Kuba. Ihr Ziel ist es, ein Waffenarsenal zu erbeuten, um gegen den Diktator Fulgencio Batista in den Kampf zu ziehen. Dieser hatte sich im Jahr zuvor an die Spitze der kubanischen Regierung geputscht. Bei dem Sturm auf die Kaserne sterben einige und andere kommen in Haft. Die Mission ist gescheitert. 

Doch das ist ohnehin erst der Anfang: Der Großteil der Revolutionär*innen hat die Vision von einem bessern Kuba. Eine Vision, die sich hartnäckig in ihren Köpfen festgesetzt hat.

Die Revolutionsbewegung formiert sich

1955 formiert sich schließlich offiziell Movimiento Revolucionario 26 de Julio (meist kurz: M-26-7) - die Bewegung des 26. Julis. Ihr Anführer ist der 29-jährige Rechtsanwalt Fidel Castro. Lange genug hatte er die Korruption in der Regierung mitangesehen. Für den verfassungswidrigen Putsch hatte er Batista schon drei Jahre zuvor angeklagt. Die Klage wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof sofort zurückgewiesen. Nach dem Sturm auf die Kaserne und der anschließenden Haft baut Castro deshalb im Exil in Mexiko die Bewegung um sich herum auf. Sein jüngerer Bruder Raúl Castro ist von Anfang an an seiner Seite. Dazu kommt schließlich auch Ernesto „Che“ Guevara. Er ist ein junger Arzt aus Argentinien und hatte schon viel von den jungen Rebell*innen gehört, die sich mutig und entschlossen gegen das kubanische Regime auflehnen. Ihre Unzufriedenheit mit den innenpolitischen und gesellschaftlichen Zuständen kann er gut verstehen. In den Jahren zuvor hatte Che verschiedene Länder in Mittel- und Südamerika bereist und dabei die Armut und das Leid der Bevölkerung gesehen. Außerdem ist er fasziniert vom Kampfgeist des eloquenten Castros. Che schließt sich der Revolution, zunächst als Expeditionsarzt, an.

Nach etwas mehr als einem Jahr ist die M-26-7 zu einer 81-köpfigen Truppe herangewachsen. Sie haben ein gemeinsames Ziel, trotz verschiedenster persönlicher, familiärer und beruflicher Hintergründe.

Um den Inhalt anzuzeigen müssen Sie zuvor der Nutzung von Marketing Cookies zustimmen.

Das Gesamtnetzwerk zeigt die Vernetzung der Mitglieder*innen der Bewegung des 26. Julis in den Jahren 1953 bis 1958. Besonders zentral sind dabei natürlich die Bewegung selbst (in unserer Netzwerkanalyse kurz: B26J, Sektor = Widerstand (orange)) sowie der Knoten Ches (Sektor =  Medizin (dunkelblau)). Das liegt daran, dass seine Tagebücher, welche er während des Befreiungskampfes führt, eine wichtige Quelle der Datenerhebung waren. Er beschreibt darin stellenweise die Aktivitäten der Bewegung Tag für Tag und nennt dabei Beteiligte, die als Einzelpersonen in den Dokumentationen sonst oft gar nicht auftauchen.

Die Vielzahl der Farben beweist, dass die verschiedensten gesellschaftlichen Sektoren an der Revolution beteiligt sind. Frank País, zum Beispiel, war vor seinem Aktivismus im Widerstand Lehrer (Sektor = Bildung (mintgrün)). Fidel Castro selbst hatte noch vor seinem Kampf gegen Batista eine mittelmäßig erfolgreiche Anwaltskanzlei geführt (Sektor = Justiz (türkis)). Und eine große Zahl der Mitglieder*innen war der Bewegung bereits so jung beigetreten, dass sie noch gar keinen Beruf für sich gewählt hatten (Sektor = Widerstand (orange)).

Neben diesen Sektoren lässt sich der Widerstand der Bewegung des 26. Julis auch in zwei andere Untergruppen unterteilen. Zum einen wären da die Guerilleros. Die „Guerilla“ ist mit ihrer abgewandelten Endung eine Verniedlichung des spanischen Wortes für Krieg („guerra“). Das bedeutet, dass der Krieg von einem Volksaufstand gegen die eigene Regierung geführt wird. In ihrer Zeit im Exil, in Mexiko, durchlaufen deshalb alle Rebell*innen eine militärische Ausbildung. Verantwortlich hierfür ist Alberto Bayo, ein Veteran, der bereits Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg und anderen Schlachten gesammelt hatte. Seine Unterstützung als Trainer und Berater endet mit der Abreise der Guerilleros, als sie von Mexiko zurück nach Kuba fahren.

In Kuba kommen die Guerilleros schließlich am 2. Dezember 1956 an. Sie beginnen unter der Führung von Fidel Castro, dem Comandante en Jefe (Befehlshabender Kommandant), in der Sierra Maestra, einem Gebirgszug im Osten Kubas, gegen Batistas Truppen zu kämpfen. Dabei gewinnen sie schnell an Unterstützung von lokalen Bäuerinnen und Bauern. Diese Begegnungen sind in den Quellen ebenfalls oft beschrieben. Die Revolutionär*innen marschieren in kleine Dörfer ein, oft mit der Bitte um Verpflegung und Unterschlupf. Die Menschen sind ihnen gegenüber oft zunächst skeptisch, wenn nicht sogar feindelig. Fidel Castro und andere Guerilleros verstehen es jedoch, die Bäuerinnen und Bauern von sich zu überzeugen. Sie schaffen das mit der richtigen Mischung aus mitreißenden Reden und oftmals auch einfach nur emphatischem Zuhören. Die Guerilleros kommen auf diese Art und Weise über Monate hinweg in verschiedensten Dörfern unter. Allerdings bleiben sie nie lange Zeit an einem Ort, sondern bewegen sich ständig weiter. Sie führen Angriffe auf Militärstützpunkte und Konvois von Batista durch, um Waffen und Vorräte zu erbeuten.

Ohne die Unterstützung im Rest des Landes durch den urbanen Widerstand wären die Guerilleros in den Bergen isoliert gewesen.

Dr. Albert Manke, Historiker

Im Gespräch mit Historiker und Kuba-Experte Dr. Albert Manke betont dieser aber auch ganz explizit die Rolle der anderen Untergruppe innerhalb der Bewegung des 26. Julis: „Ohne die Unterstützung im Rest des Landes durch den urbanen Widerstand wären die Guerilleros in den Bergen isoliert gewesen.“ Während die Guerilleros nämlich in den Gebirgen und dem Hinterland kämpfen, die Menschen aus ländlichen Gegenden von ihren Ideen überzeugen und gleichzeitig Batistas Militär schwächen, unterstützt der sogenannte urbane Widerstand in den Großstädten das gemeinsame Ziel. Frank Pais bereitet so etwa zeitgleich zur Ankunft der Guerilleros auf Kuba im Jahr 1956 einen Aufstand in Santiago de Cuba vor. Diese öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen dienen dazu, die Mission der Bewegung zu verbreiten und die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Auch ist es Zeil des urbanen Widerstands, die Propaganda von Batista richtigzustellen, bzw. eine Gegendarstellung zu bieten. Zu Batistas Aussagen gehört insbesondere, auch gegenüber der internationalen Presse, dass es keine Guerilla gäbe, bzw. dass alle Guerilleros tot seien.

Zusätzlich besteht die Arbeit des urbanen Widerstands darin, weitere Kämpfer*innen mit mitreißenden Kampagnen zu rekrutierten. Nur so kann das Netzwerk an Widerstandskämpfer*innen der Bewegung des 26. Julis von Jahr zu Jahr exponentiell anwachsen.

Die Teilnetzwerke der Jahre 1953, 1956 und 1958 zeigen, wie die Bewegung immer mehr Unterstützer*innen gewinnen konnte.

Im Jahr 1958 kommt es zu einer berühmten Sabotage durch den urbanen Widerstand: Fulgencio Batista veranstaltet am 26. Februar ein Autorennen zu Prestigezwecken. In diesem Rennen sollen einige der besten Rennfahrer der Welt gegeneinander antreten, allen voran Juan Manuel Fangio, ein legendärer argentinischer Rennfahrer, der fünfmal die Weltmeisterschaft gewonnen hatte. Eine riesige Menge autobegeisterter Kubaner*innen kommt deshalb an diesem Tag in Havanna zusammen. Die Bewegung nutzt diese Chance auf nationale und internationale Aufmerksamkeit und entführt den prominenten Fangio. Sie verhören ihn über seine politischen Ansichten. Nach wenigen Stunden lassen sie ihn bereits frei, doch die Aktion sorgt tatsächlich für weltweite Aufmerksamkeit. Fangio selbst gibt später an, gut behandelt worden zu sein, dass er die Entführung jedoch als "unglückliches Ereignis" betrachte. Er hoffe, dass Kuba bald Frieden finden würde.

Im Sinne der Revolution kommt es schließlich ein knappes Jahr später zu Frieden: Die Kampagnen des urbanen Widerstandes hatten dafür gesorgt, dass sich der Druck auch von außerhalb auf Batista erhöht. Die Rebell*innen erzielen außerdem eine Reihe von wichtigen militärischen Erfolgen, während sich ihre Kämpfe intensivieren. In der Schlacht von Santa Clara im Dezember 1958 besiegen sie so eine bedeutende Truppeneinheit Batistas. Dieser Meilenstein eröffnet ihnen den Weg für den Sturz der Regierung.

Neunzehnhundertneunundfünfzig: Der Diktator Fulgencio Batista ist auf den Druck der Revolution hin aus Kuba geflohen.

Hier geht's zu unserem Codebuch und unserem Datensatz.