Tiger, Eisbär und Co.: Welche Rolle spielen Zoos für den Artenschutz?
Wie kaum andere stehen die beiden Organisationen WWF und PETA für Tier- und Naturschutz. Beim Stellenwert von Zoos für den Artenschutz gehen ihre Meinungen allerdings auseinander. Die Organisation für Natur- und Artenschutz WWF arbeitet in Deutschland mit ausgewählten Zoos, wie der Wilhelma in Stuttgart, zusammen. Die Tierrechtsorganisation PETA hingegen lehnt Tierparks grundsätzlich ab.
Rede und Antwort standen: Alina Langenhorst, sie betreut Street-Teams für die PETA und die Jugendkampagne PETA ZWEI, und Dr. Arnulf Köhncke, er leitet beim WWF Deutschland den Fachbereich Artenschutz.
Arche oder Titanic?
Inwiefern betreiben Zoos Artenschutz?
In der Zoo-Richtlinie des Bundesnaturschutzgesetzes kommen Tiergärten Aufgaben im Bereich des Artenschutzes, der Forschung und der Aufklärung zu. Diese Vorgaben befürwortet auch der WWF und unterstützt deshalb die Arbeit der Zoos.
Durch Zuchtprogramme konnten laut dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung zwischen 13 und 20 Arten in Zoos vor dem Aussterben bewahrt werden. Ein Beispiel dafür ist das Wisent. 1927 durch den Menschen in der Natur komplett ausgerottet, überlebten nur etwa 70 Exemplare in Zoos. Nach und nach konnte der Erhalt der Art gesichert werden, sodass heute wieder über 3000 Tiere im Freiland leben. Alle bedrohten Tierarten vor dem Aussterben zu schützen, bleibt jedoch ein unerreichbares Ziel.
Da sich zudem manche Tiere im Zoo nicht fortpflanzen, werden zusätzlich Artgenossen wild gefangen. Dadurch soll der Artbestand im Zoo beibehalten und Inzucht vermieden werden. Die Spezialistengruppen der International Union for Conservation of Nature (IUCN) geben bei verschiedenen Tierarten zwar ein Wildfangverbot vor, jedoch bedeutet das nicht, dass sich alle Zoos daran halten.
WWF und PETA positionieren sich beide gegen Wildfänge. Köhnckes Eindruck ist aber auch, dass die Zoos heutzutage selbst davon Abstand nehmen.
Tierquälerei oder Tierwohl?
Wie artgerecht ist das Leben in Zoos für die Tiere?
Laut „EU ZOO Report 2011“ waren die meisten überprüften Gehege in deutschen Zoos ungeeignet, um die artenspezifischen Bedürfnisse der Tiere zu befriedigen.
Zoogegner sind der Meinung, dass Wildtiere einen höheren Anspruch an ihren Lebensraum hätten und Zoos ihnen daher nie artgerechte Lebensverhältnisse bieten könnten. Das führe dazu, dass viele Tiere mit der Zeit verhaltensgestört werden würden. Solche krankhaften Verhaltensauffälligkeiten bei Zootieren werden als „Zoochose“, zusammengesetzt aus „Zoo“ und „Psychose“, bezeichnet. Vor allem bei größeren Säugetieren wie Affen oder Großkatzen lässt sich häufig beobachten, dass sie im Kreis laufen oder sich ihre Köpfe hin und her bewegen.
Doch verschiedene Organisationen setzen sich für eine artgerechte Haltung der Tiere im Zoo ein und versuchen sicherzustellen, dass es ihnen dort gut geht. So zum Beispiel der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ), in dem 56 deutsche Zoos Mitglied sind. Diese sind alle wissenschaftlich geführt und wollen den Tieren laut VdZ bestmögliche Lebensbedingungen bieten, auch durch die neuesten Erkenntnisse der Tiergartenbiologie. Eine angemessene Pflege und gute tierärztliche Versorgung seien zudem selbstverständlich. Außerdem würden viele Tierarten in möglichst naturnahen Gehegen gehalten werden.
Überschusstötungen oder Nachzuchtverbot?
Was soll mit den Tieren passieren, für die es in den Zoos nicht genügend Platz gibt?
Sowohl die Organisation WWF als auch PETA unterstützen die Tötung von „Überschusstieren“ nicht, trotzdem ist sie bis heute auch in deutschen Zoos gängige Praxis.
Durch Geburtenkontrolle soll die Zahl der Tötungen der gesunden Tiere zwar möglichst klein gehalten werden. Aber das gelingt nicht immer. Der europäische Zoodachverband EAZA geht von jährlich 3.000 bis 5.000 Tötungen in Europa aus. Am häufigsten finden die Tötungen auf Grund von Platzmangel statt. Man könne die Tiere nicht immer an andere Einrichtungen vermitteln und auch nicht alle behalten, da sonst keine artgerechte Haltung mehr möglich sei. Nach dem Tierschutzgesetz gilt dies als vernünftiger Grund und ist erlaubt, solange die Tiere anschließend verfüttert werden.
Köhncke schlägt vor, die „Überschusstiere“ an andere Zoos abzugeben oder sie zu Junggesellen-Gruppen, also Gruppen von geschlechtsgleichen Tieren, die nicht nachgezüchtet werden sollen, zusammenzuschließen. Die Zahl der Tötungen könne auf diese Weise minimiert werden.
Eine andere Begründung für das Töten von Zootieren ist, das bestmögliche Genmaterial für die Zucht erhalten zu wollen. Beispielsweise tötete der Zoo Magdeburg 2008 drei Tigerbabys, da diese nicht reinrassig waren. PETA erstattete daraufhin Strafanzeige. 2011 wurde der Magdeburger Zoodirektor dafür richterlich zu einer Geldstrafe verurteilt.
Illusion oder Bildung?
Was lernen wir bei einem Zoobesuch über die Tiere, deren Umwelt und Bedrohungsfaktoren?
Colin Goldner veröffentlichte 2017 das Buch „Zirkus und Zoo – Tiere in der Unterhaltungsindustrie“. Der Psychologe und Wissenschaftsjournalist widerspricht in einem Interview mit tierrechte.de dem propagierten Bildungsauftrag von Zoos: „Studien zeigen, dass die Besucher kaum mehr über Tiere wissen als Menschen, die noch nie in einem Zoo waren.“ Darüber hinaus läge die durchschnittliche Verweildauer der Besucher vor den einzelnen Gehegen ohnehin bei unter einer Minute pro Käfig.
Bei einer 2017 im Auftrag des VdZ durchgeführten Studie gaben allerdings 69 Prozent der Deutschen an, durch ihren Zoobesuch viel bis sehr viel über Tiere gelernt zu haben. Drei von vier Befragten waren zudem der Meinung, dass sich durch den Zoobesuch ihre Wertschätzung von Tier und Natur vergrößert habe. Das Konzept eines Virtual-Reality-Zoos hielten nur knapp ein Fünftel der Befragten für eine gute Alternative zu echten Zoos.
Es sei jedoch dahingestellt, ob ein Zoobesuch auch langfristige Auswirkungen auf eine umweltschonendere Lebensweise oder ein gesteigertes Engagement für Artenschutz hat.
Ausbau der Gehege oder Sichern der Lebensräume?
Wie sinnvoll ist es, in den Schutz der Arten in Zoos zu investieren, anstatt direkt die natürlichen Lebensräume der Tiere zu retten?
Einen Teil ihres Etats stecken Zoos bereits in den Artenschutz der Tiere in ihren natürlichen Lebensräumen. So hatte beispielsweise der Kölner Zoo in Kooperation mit dem WWF bis zuletzt Spenden gesammelt, um ein Tiger-Schutzprojekt in der Amur-Region sowie eine Verbesserung der Tiger-Anlage im Kölner Zoo mitzufinanzieren. In den Wäldern des chinesisch-russischen Grenzgebiets konnte so eine Schutzzone geschaffen werden, in der heute rund 550 der als „stark gefährdet“ geltenden Amur-Tiger umherstreifen.
Dennoch finanzieren Zoos mit den teils eigens erwirtschafteten Einnahmen, aber auch mittels staatlicher Subventionen und Spenden, zum größten Teil ihre Mitarbeiterkosten, den Ausbau von Gehegen oder das Futter der Zootiere.
Es lässt sich nicht final beantworten, welche Rolle Zoos nun für den Artenschutz spielen. Letztendlich liegt es bei einem selbst, welchen Stellenwert man Zoos hierfür beimisst. PETA-Mitarbeiterin Langenhorst meint: „Wenn man konkret an Artenschutzprojekte spenden möchte, sollte man sich über Projekte informieren, die vor Ort den Tieren ihren natürlichen Lebensraum erhalten.“ Köhncke vom WWF dagegen befindet, dass wenn man es sich leisten könne, es sinnvoll sei beides zu unterstützen: „Also sowohl seinen lokalen zoologischen Garten, indem man ihn regelmäßig besucht, als auch den Freilandschutz.“
In einem Punkt sind sich beide Tierschützer einig: Die Hauptverursacher des Artensterbens sind bekannt. Es braucht daher in der Gesellschaft eine klare Verankerung von Umwelt- und Artenschutz, um gegen die Wilderei, den Klimawandel und den Verlust von Lebensraum vorzugehen. Insgesamt liegt es auf der Hand: „Wir brauchen mehr Unterstützung für den Naturschutz.“