Kleine Raupe, großer Traum
Seit über einem Jahr verfolgen Max und seine Freunde einen Traum: ein eigenes Café in Stuttgart eröffnen. Man könnte die „Raupe Immersatt“ als Schwabentraum bezeichnen: Für Getränke bezahlt man nur so viel, wie man möchte. Dazu gibt es kostenloses Essen, das vor der Mülltonne gerettet wurde.
Foodsharing begeistert immer mehr Menschen. Mitglieder der Online-Plattform teilen Lebensmittel, die sie nicht brauchen mit anderen Usern. Sogenannte „Foodsaver“ retten Waren aus Supermärkten, die normalerweise entsorgt werden. Ein Großteil der geretteten Nahrung wird in „Fairteiler“ gelegt. An acht Orten in Stuttgart befinden sich diese öffentlichen Regale und Kühlschränke, an denen sich jeder bedienen kann. So auch bald im ersten Foodsharing-Café hierzulande. Allerdings sucht die „Raupe Immersatt“ noch nach einem Zuhause.
Langersehnte Eröffnung: 2018?
Das gemeinnützige Café gilt als weiterer Fairteiler in Stuttgart, wo auch Croissants, Donuts und Co. in die Schränke wandern. Dadurch soll der Café-Charakter erfüllt sein.
Max ist einer der Gründer des Raupen-Cafés. Seit vier Jahren engagiert er sich bei Foodsharing und kann es kaum erwarten, einen Ort zu schaffen, an dem man sich gemeinsam gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt.
Einziger Haken: Der Ort, an dem das geschehen wird, steht noch nicht fest. Die fünf jungen Gründer suchen noch nach einer Räumlichkeit für ihr Café. Trotz Besichtigungen, die sie nicht überzeugen konnten, ist Max optimistisch: „Wir sind guter Dinge, dass es 2018 klappt.“ „Trotzdem“, fügt er hinzu, „ist es wichtig zu sagen, dass wir noch auf der Suche sind und uns über jeden Vorschlag freuen.“
Zu gut für die Tonne
Damit das Foodsharing im Café klappt, muss einiges geregelt werden. Wer entscheidet, ob die Lebensmittel im Fairteiler noch genießbar sind? Welche Rolle spielt das Mindesthaltbarkeitsdatum? Max klärt auf.
Dass keine Ware mit der Aufschrift „zu verbrauchen bis...“ im Fairteiler liegt, ist der Stadt Stuttgart sehr wichtig. Dr. Thomas Stegmanns ist Amtsleiter für Lebensmittelüberwachung und sieht das Verbrauchsdatum als Deadline. Überschreite man dieses Datum und gäbe die besonders empfindlichen Lebensmittel trotzdem ab, nähere man sich dem Straftatbestand. Anders sieht es beim Mindesthaltbarkeitsdatum aus. Es zu vernachlässigen, könnte allerdings gefährlich werden.
Zahle, was du willst!
Gefahren will das Team der „Raupe Immersatt“ nicht eingehen – weder mit Essbarem noch wirtschaftlich. Deshalb wurde ein Businessplan ausgearbeitet: Neben den geretteten Lebensmitteln gibt es Getränke, die aus der Region kommen oder Bio-Qualität aufweisen. Dabei entscheidet der Kunde, wie viel ihm Kaffee und Co. wert sind. Das sogenannte „Pay-as-you-feel“-Konzept soll später die Kosten im laufenden Betrieb decken.
Der Raupen-Mitgründer Lisandro räumt finanzielle Zweifel aus dem Weg. Dass sie keine Köche anstellen und für die Lebensmittel nichts ausgeben müssen, erleichtere die Finanzierung. „Da wir alle noch sehr jung sind, haben wir keine Rücklagen, die wir direkt mitbringen“, sagt Lisandro. Als Gemeinschaftsprojekt sei es deshalb schöner, wenn es von vielen Unterstützern getragen werde.
Kosten für das Inventar, erste Mieten und die Kaution – das alles bezahlt die Gemeinschaft. Bis November 2017 haben die Gründer eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt und dabei etwa 26.000 Euro Spenden eingesammelt. Gerade am Anfang sei es gut, diese Sicherheit zu haben, merkt Lisandro an.
Später wollen die Studenten auch Vorträge und „Schnippeldiskos“ in ihr Café integrieren. Dort wird Gemüse geschnippelt und sich ausgetauscht – mit einem ernsten Hintergrund: „Lebensmittelverschwendung ist ein extremes gesellschaftliches Problem“, sagt Max.
Äpfel mit Druckstellen oder abgelaufener Joghurt werden sofort entsorgt. Die „Raupe Immersatt“ möchte, dass wir unser Essen wertschätzen und die private Lebensmittelverschwendung drastisch reduzieren. Laut einer Studie der Uni Stuttgart wirft jeder Mensch 82 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. Das sind zwei Einkaufswägen voll. Mehr als die Hälfte davon wären vermeidbar oder teilweise vermeidbar gewesen. „Wir wollen, dass die Menschen umdenken“, sagt Lisandro, „denn Lebensmittel gehen uns alle etwas an. Wir alle möchten essen.“