Hohe Waffenexporte trotz geplanter Abrüstung
Ursprünglich wollten die Ampel-Parteien die Exporte von Waffen zurückfahren. Dann startete Russland einen Angriffskrieg auf die Ukraine und die Waffenexporte gingen nur leicht zurück.
„Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen […] “, hielt die Bundesregierung im Koalitionsvertrag fest. „Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen. Wir setzen uns für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz ein.“
Scheinbar waren das nur leere Versprechen, denn im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung die Erlaubnis zum Export von Waffen und militärischer Ausrüstung im Wert von über acht Milliarden Euro erteilt. Das ist der zweithöchste jemals registrierte Wert in der deutschen Geschichte. Nur 2021 war die Zahl mit über neun Milliarden Euro höher.
Über 2 Milliarden Euro Rüstungsgüter für die Ukraine
Mehr als ein Viertel der 2022 gelieferten Rüstungsgüter gingen an die Ukraine, mit einem Wert von 2,24 Milliarden Euro. Das geht aus einer Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Zu den Lieferungen zählen viele schwere Waffen wie: 30 Flugabwehrpanzer, 14 Panzerhaubitzen (schwere Artilleriegeschütze), fünf Mehrfachraketenwerfer und das Flugabwehrsystem Iris-T.
Die Ukraine war lange Zeit ein Land, das vergleichsweise wenig Waffen importiert hat. Auch wenn der Staat schon seit 2014 gegen Rebellen im Osten des Landes kämpft, blieben die Waffenimporte bis 2021 auf einem niedrigen Niveau mit einem 0,1 Prozent-Anteil der weltweiten Waffeneinfuhren. Das geht aus einem Bericht des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) hervor. Sie waren eher symbolisch als von militärischer Bedeutung. Das änderte sich mit den wachsenden Spannungen zwischen der Ukraine und Russland, die letzten Endes im flächendeckenden Angriff Russlands auf die Ukraine mündeten.
Der hohe Gesamtwert der deutschen Ausfuhrerlaubnisse ist allerdings nicht nur auf die Ukraine zurückzuführen. Exporte im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro wurden allein ohne die Ukraine genehmigt. In den 16 Regierungsjahren von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die 6-Milliarden-Marke nur fünf Mal überschritten worden.
Deutschland gehört laut SIPRI mit den USA, Russland, Frankreich und China zu den fünf größten Waffenexporteuren weltweit. Die Länder sind für rund 70 Prozent des weltweiten Waffenhandels verantwortlich. Der europäische Wirtschaftsraum hat zwischen 2017 und 2021 19 Prozent mehr Waffen exportiert als fünf Jahre zuvor. Europa machte mit 13 Prozent zwischen 2017 und 2021 auch bei den weltweiten Waffenimporten einen bedeutenden Anteil aus.
Weltweiter Waffenhandel auf hohem Niveau
Die untenstehende Grafik zeigt die Entwicklung des weltweiten Waffenhandels zwischen 1982 und 2021. SIPRI betrachtet hierfür immer Fünf-Jahres-Perioden, durch die die Entwicklung des weltweiten Waffentransfers deutlich wird. Zwar ist der weltweite Waffenhandel zwischen 2017 und 2021 laut dem Friedensforschungsinstitut um 4,6 Prozent im Vergleich zur vorherigen Periode gesunken, allerdings ist er seit dem Zeitraum 2002 bis 2006 um über 23 Prozent angestiegen. Tendenziell werden heute also deutlich mehr Waffen auf der Welt gehandelt.
Deutschland liefert immer mehr Waffen an Verbündete
Nur knapp 36 Prozent der 2021 aus Deutschland exportierten Rüstungsgüter wurden laut dem aktuellen Rüstungsexportbericht an EU-/NATO- und NATO-gleichgestellte Länder geliefert. Ein Jahr später, von Januar bis August 2022, gingen rund drei Viertel der genehmigten Waffenausfuhren an Verbündete. Somit waren ein Viertel der deutschen Waffenexporte für Drittstaaten, rund 60 Prozent davon allein für die Ukraine.
Bis Dezember 2021 verantwortete noch die alte Regierung aus SPD und Union die Exportfreigaben, dann übernahm die neue Bundesregierung aus Grünen, FDP und SPD. Deutschland exportiert also seit der Ampel-geführten Regierung deutlich weniger Waffen an nicht befreundete Länder. Das im Koalitionsvertrag versprochene EU-weite Rüstungsexportkontrollgesetz wurde von den Regierungsparteien noch nicht realisiert. Sie arbeiten aktuell aber an einer überarbeiteten Version des deutschlandweiten Rüstungsexportkontrollgesetzes. Damit soll zum ersten Mal wörtlich im Gesetz festgehalten werden, dass Deutschland eine restriktive Rüstungsexportpolitik anstrebt. Versprochen wird außerdem mehr Transparenz über geplante Waffenlieferungen in Drittstaaten und die Beachtung der Menschenrechte vor Ort. Jedoch sollen auch Ausfuhren an Verbündete und Wertepartner durch die Regelung einfacher werden.
Deutschland könnte vielen Ländern damit zum Vorbild werden und sie dazu ermutigen, das Gleiche zu tun. Europa exportierte zwischen 2017 und 2021 mehr Waffen als in den fünf Jahren zuvor und trotz eines weltweiten Rückgangs des Waffenhandels ist er seit 2002 um mehr als 23 Prozent gestiegen. Ein Grund eigentlich, das Rüstungsexportkontrollgesetz schnellstmöglich umzusetzen. Und dennoch zeigen die immer noch hohen Zahlen der Waffenexportgüter und der Trend hin zur Aufrüstung im Vergleich zu Vorperioden aus Deutschland, der EU und der Staaten als Ganzes: Von einer friedlichen Welt ohne Waffen sind wir noch weit entfernt.