“Der Veranstalter kann sich noch so bemühen, es steht und fällt mit dem Besucher. Er muss sagen: Ich nehme meinen Müll wieder mit“
Zwischen Musikrausch und Müllbergen
Endlich die Lieblingsband live sehen und für einige Tage den Alltag gegen ein Stoffbändchen eintauschen – Musikfestivals gehören für viele Menschen zum Sommer dazu. Doch oft wird vergessen was nach dem Wochenende zwischen Bühne, Bands und Bier zurückbleibt – riesige Müllberge.
Wie grün sind die “großen” Festivals?
Obwohl die Vorstellung von Camping und Musik so manch einen an verklärte Hippieabenteuer denken lässt, sind Festivals alles andere als grün. 590 Tonnen Abfall blieben 2019 nach dem “Wacken Open Air” zurück. Bei 75 000 Besucher*innen sind das 7,87 kg pro Person während des Festivals. Damit belegt das Metalfestival im Vergleich mit anderen Musikveranstaltungen den Rekordwert.
Die durchschnittliche Müllmenge, die eine Person in Deutschland innerhalb von vier Tagen zuhause erzeugt, liegt laut Umweltbundesamt hingegen nur bei 2,48 kg.
Wie passen diese Müllmengen in eine Zeit, in der Tausende bei Fridays for Future auf die Straßen gehen und Einwegplastik verboten werden soll? Ist der Nachhaltigkeitsgedanke noch nicht bei den Festivalbesucher*innen angekommen? Um das zu untersuchen, haben wir uns die Müllmengen verschiedener Festivals in Deutschland über den Zeitraum 2015 - 2019 angeschaut. Ziel war es zu sehen, ob sich der allgemeine “Trend” zu mehr Nachhaltigkeit auch im Verhalten der Festivalbesucher*innen widerspiegelt. Für die entsprechenden Daten haben wir rund 30 Festivals verschiedener Größen und Musikstile kontaktiert. Da wir in vielen Fällen keine Antwort oder eine Absage erhalten haben, haben wir die Daten für große Festivals wie “Rock im Park” aus Zeitungsartikeln erhoben. Kooperativ haben sich hingegen kleinere Festivals gezeigt, die über ein spezielles Nachhaltigkeitskonzept verfügen.
Betrachtet man nur die Zahlen großer Festivals, fällt schnell auf, dass die Müllmenge über die letzten Jahre angestiegen ist. Im Fall von “Rock im Park” hat sich die Abfallmenge sogar von 260 Tonnen auf 300 Tonnen erhöht. Pro Besucher*in bedeutet das eine Veränderung von 3,47 kg auf 4,14 kg.
Kleinere Festivals auf dem Nachhaltigkeits-Vormarsch
Dass es auch anders geht, zeigen kleine Festivals mit bis zu 5000 Besucher*innen. Genauer angeschaut haben wir uns das “Sound of the Forest”-Festival im Odenwald, das “Jungle Beat”- Festival und den Nachfolger “Die letzte Liane” nähe Crailsheim und zuletzt die “Rock'n'Roll Butterfahrt” vor Helgoland.
Betrachtet man deren Abfallmenge, sind vor allem zwei Dinge auffällig. Zum einen ist die Müllmenge pro Kopf grundsätzlich geringer als bei “Rock im Park”. Zum anderen verzeichnen alle drei Festivals fallende oder stagnierende Werte. Beispielsweise hat sich die Müllmenge beim “Sound of the Forest”-Festivals von 1,96 kg auf 1,53 kg pro Besucher*in verringert.
Als Gründe für das bessere Abschneiden der kleinen Festivals nennt Dana Vogel, die Nachhaltigkeitsbeauftragte des Festivals verschiedene Maßnahmen. Das Umweltteam sammelt während des Festivals den Müll auf und verwendetes Einmalgeschirr stammt aus nachwachsenden Rohstoffen. Außerdem achten die Veranstalter*innen auf Mülltrennung und bieten eine Pfandstation an. Laut Dana Vogel ist auch die Kommunikation mit den Besucher*innen für das sinkende Abfallaufkommen verantwortlich. Da das Festival mitten im Wald liegt, wissen alle: “Wir müssen uns gut benehmen, damit wir wiederkommen dürfen.”
Ein Zusammenspiel aus Veranstalter*innen und Besucher*innen
Auch das “Rock’n’Roll Butterfahrt”-Festival wird durch den Veranstaltungsort auf einer Düne vor Helgoland geprägt. Die 1000 Besucher*innen wissen das und tragen das Konzept mit. Hier wird ebenfalls der Müll getrennt, Pfand aussortiert und gespendet. Claus “Fabsi” Fabian von der “Rock’n’Roll Butterfahrt” erklärt, dass man mittlerweile sogar Taschenaschenbecher verteilt, um die Düne frei von Zigarettenstummeln zu halten. Die Aschenbecher sind eine einfache Maßnahme, die er sich auch auf großen Festivals vorstellen könnte. Doch bevor man damit anfängt, müssen erst einmal weitaus größere Probleme angegangen werden. Einen Großteil der Müllmenge auf Veranstaltungen wie “Rock am Ring” machen zurückgelassene Zelte, Campingutensilien und Plastikverpackungen aus.
Deshalb haben wir uns auch das Verhalten der Festivalbesucher*innen angeschaut und dazu eine Umfrage mit 45 Teilnehmer*innen durchgeführt, die regelmäßig Festivals besuchen. Hier wurde deutlich, dass auch bei den Festivalbesucher*innen der Nachhaltigkeitsgedanke immer mehr Anklang findet. Auf die Aussage “Es ist mir wichtig, dass sich das Festival für Nachhaltigkeit einsetzt”, antwortet die Mehrheit mit “stimme ich eher zu” (18 Personen) oder “stimme ich voll” zu (10 Personen). 14 Personen sehen die Thematik neutral an und nur drei Personen finden ein Nachhaltigkeitskonzept auf Festivals nicht wichtig. Größtenteils ist der Wille der Besucher*innen also da. Doch wie sieht das letztendliche Verhalten wirklich aus?
Alltag vs. Parallelwelt
Die Auswertung zeigt: Geht es um das eigene Verhalten, ist der Gedanke an die Umwelt nicht mehr ganz so präsent. Der Aussage “Auf einem Festival verhalte ich mich umweltbewusst” stimmten zwei Prozent gar nicht und 22 Prozent eher nicht zu. 20 Prozent der Festivalbesucher*innen beantworteten die Aussage neutral. Darauf, sich auf einem Festival nachhaltig zu verhalten, achten 55 Prozent. Das interessante dabei: Wenn es um die Einordnung des umweltbewussten Verhaltens im eigenen Alltag geht, ist die Tendenz eine andere: Fast 87 Prozent der Befragten gestalten ihren Alltag, nach eigenen Angaben, nachhaltig. 13 Prozent scheinen sich eher weniger mit Umweltschutz zu beschäftigen. So weit so gut. Doch wann genau lässt sich von einem nachhaltigen Verhalten sprechen? Auch wenn die das Müllproblem die größte Herausforderung darstellt, kann auch in anderen Bereichen auf Umweltschutz geachtet werden. Aus unserer Umfrage konnten wir entnehmen, dass sich einige Festivalgänger*innen über ein veganes Essensangebot freuen würden. Eine weitere Umweltsünde findet nicht direkt auf dem Festivalgelände oder Campingplatz statt - sondern vielmehr auf dem Weg dorthin. Was viele durch die rosarote Festival-Brille nicht sehen: Sowohl bei der An-, als auch bei der Abreise wird eine große Menge an CO2 freigesetzt. Zwar liegt die Tendenz klar bei Fahrgemeinschaften, die noch umweltfreundlichere Alternative ÖPNV, wählen jedoch nur die Wenigsten.
Unsere Analyse zeigt, besonders bei den kleineren Festivals hat das große Umdenken bereits begonnen. Wann die größeren Festivals mit umfassenderen Nachhaltigkeitskonzepten nachziehen, werden die nächsten Festivalsommer zeigen. Einen Ansporn hätten sie zumindest, denn die Entsorgungskosten sind hoch. Die Veranstalter*innen müssen nur den Restmüll zahlen, damit würde richtige Mülltrennung auch das Budget schonen. Und selbst die Festivalbesucher*innen wären dazu bereit, für ein Festivalticket mehr zu bezahlen, wenn sie wissen würden, dass sich die Veranstalter*innen für Nachhaltigkeit einsetzen.