Ein Spiel um die Anerkennung
„Wenn jemand Fußball spielen möchte, tut er das und geht auf den Platz, egal ob Mann oder Frau“, sagt Jessica Wich, Fußballspielerin bei Bayer 04 Leverkusen in der Frauen-Bundesliga. Auch für Katharina Freitag vom Drittligisten Phoenix Leipzig, einem Frauenfußballverein, ist das Spiel mit dem Ball selbstverständlich. Vor rund 50 Jahren hätten beide Frauen ihrer Leidenschaft nicht so einfach nachgehen können.
Die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ist seit den Anfängen in den 1930ern geprägt von Geschlechterrollen. Die Männerdomäne Fußball entspreche nicht der weiblichen Natur. Die Spielerinnen wurden vom Spielfeldrand aus angepöbelt und teilweise mit Steinen abgeworfen. Den Gipfel der Unterdrückung erreicht der Frauenfußball im Jahr 1955, als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen Vereinen die Unterstützung des Frauenfußballs untersagte. Trotz des Verbots organisierten sich die Spielerinnen in den folgenden Jahren in eigenen Vereinen. Abfällige Kommentare von der Seitenlinie waren zwar weiterhin üblich, doch das ehrliche Interesse wuchs enorm. Erst 1970 sah sich der DFB gezwungen, das Verbot wieder aufzuheben.
Die folgenden 50 Jahre sind ereignisreich. Neben einer nationalen Liga wird auch eine Nationalmannschaft gegründet, die 1989 die erste von acht Europameisterschaften gewinnt. Ein großer Erfolg, der vom DFB mit einem Teeservice prämiert wurde. Heutzutage erhalten die Spielerinnen weitaus mehr Anerkennung, was auch durch höhere Prämien deutlich wird. Zudem gehören Vorurteile größtenteils der Vergangenheit an. Neben den großen Turnieren hält sich das Interesse eher in Grenzen.
Kleine Öffentlichkeit, große Ungleichheit
Die Bundesliga, normalerweise das Flaggschiff jeder Sportart, wies in der Saison 2019/20 einen Zuschauer*innenschnitt von 912 Zuschauer*innen pro Spiel auf. Jessica Wich macht diesen Umstand an der fehlenden Werbung fest: „Plakate, Poster, Online-Auftritte. Das sind alles Geschichten, die es bei uns zu selten gibt.“ Laut Katharina Freitag liegt das auch an den Übertragungsmedien. Derzeit laufen von sechs Liga-Spielen maximal drei auf Pay-TV- oder Spartensendern, wo sie wenig Aufmerksamkeit bekommen.
Neben den medialen Faktoren spielt auch die Professionalität der Liga eine wichtige Rolle. Während Vereine wie der FC Bayern München professionelle Bedingungen und ein solides Gehalt aufweisen, ist das bei vielen kleineren Vereinen nicht der Fall. Viele Spielerinnen müssen nebenher arbeiten, trotz häufiger Trainingseinheiten. Dadurch entsteht ein großes Leistungsgefälle. „Es wäre ein erster Ansatz, wenn alle Vereine unter denselben Bedingungen arbeiten könnten“, meint Wich.
Ein Blick auf die Insel
Viele der Frauenfußballvereine können diese Bedingungen nicht bieten und gehen Partnerschaften mit großen Klubs ein. Zuletzt fusionierte der 1. FFC Frankfurt, einst viermaliger Champions League-Sieger, mit dem Männer-Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Laut Freitag ein nachvollziehbarer Schritt, da es in Zukunft schwer sei, Frauenfußballvereine schmackhaft zu halten.
Laut Wich und Freitag lohnt sich ein Blick nach England. Hier spielen ausschließlich professionelle Teams in den ersten beiden Ligen, wodurch die Qualität enorm ansteigt. Der Wechsel von USA-Superstar Alex Morgan zu den Tottenham Hotspur ist bezeichnend für diese Entwicklung. Außerdem übertragen der englische Verband und einige Klubs alle Spiele der ersten Liga kostenlos als Livestream. Ein Modell, was auch in Deutschland die Zugänglichkeit erhöhen könnte. Außerdem werden besondere Spiele in großen Stadien ausgetragen. So lockte das Länderspiel zwischen Deutschland und England 2019 rund 73.000 Zuschauer*innen ins Wembley Stadium.
Der Frauenfußball hat in Deutschland eine starke Entwicklung durchgemacht. Trotzdem gibt es noch viele Stellschrauben, an denen gedreht werden kann: Eine bessere Vermarktung, mehr Berichterstattung und allgemein mehr Aufmerksamkeit. Sowohl Wich als auch Freitag blicken positiv in die Zukunft. Die Prämisse ist allerdings klar: Es muss etwas getan werden.