Ein gutes Essen bringt gute Leute zusammen.
Ein Burger der Normalität
Es ist 18 Uhr im Studierendenwohnheim. Der wärmste Tag des noch jungen Jahres lockt die gesamte Studierendenschaft weg von den Bildschirmen und raus an die frische Luft. Ich kümmere mich derweil um meinen Wocheneinkauf. Als ich mit zwei Tüten voller Köstlichkeiten in den Innenhof meines Wohnheims schreite, steigt ein rauchiger Geruch in meine Nase. Ich nähere mich meiner Wohnungstür und sehe die Quelle dieses sommerlichen Dufts. Ein Anblick, der einen während Corona stutzig macht. Eine Schar von Leuten sitzt vor der Tür und verabschiedet die Sonne mit einem Festmahl. Aber keine Sorge: Das ist nur die WG, die über mir wohnt.
Der WG-Häuptling begrüßt mich direkt und bietet mir einen Hamburger an. Diese Zeichen der Gastfreundschaft bin ich gewohnt. Schließlich war der Häuptling mein erster Zufallskontakt im Wohnheim. Keine unserer Begegnungen war geplant. Sie haben aber alle eins gemeinsam: Ich habe mich immer wie ein stereotypischer Labrador darüber gefreut. Während ich mir mein Gastfreundschaftsgeschenk einverleibe, macht sich eine Illusion von Normalität in meinem Kopf breit. Und das trotz Mindestabstand.
Studierendenleben Lite
In meinem Wohnheim ist es normalerweise wie auf dem Zeltplatz eines Festivals: Aus jeder Ecke dröhnt Musik, Menschen feiern zusammen und es besteht ein großes Gefühl der Gemeinschaft. Neue Leute und neue Erfahrungen sind wichtiger Teil des Stundenplans. “Dank“ Corona ist das alles anders: Die Wohnheime sind nicht ausgestorben, aber sie dösen vor sich hin. Die großen Feste müssen kleinen WG-Partys weichen. Das ist gut, schließlich soll der Spuk auch bald vorbei sein. Trotzdem bleibt für die Studierenden, insbesondere für Erstis, nur das Schwarzbrot der „besten Zeit des Lebens“ übrig. Aber hey, ab und zu gibt es Burger. Und von denen genieße ich jeden Bissen.
In der Ära der Kontaktbeschränkungen befinden sich viele Leute auf Menschenentzug. Das zeigt auch eine Studie des Instituts MediaAnalyzer. Umarmungen sind über Zoom und Discord eben sehr umständlich. Dadurch wird jede Begegnung mit einem freundlichen Gesicht zu einem inneren Fest. Besonders, wenn man es nicht erwartet. Es sind die kleinen „Random Kindness“-Momente. Aber hat diese „Kindness“ immer die Form eines Burgers? Natürlich nicht. Ein kurzes Gespräch oder selbst ein kleines Lächeln können die Augen zum Glitzern bringen. Ein Glitzern, das den Tag erhellt.
Nach meinem Abendessen verabschiede ich mich von meinen Nachbarn. Mein Abendprogramm wartet: Cocktailabend über Zoom. Das ist zwar eine schöne Alternative, aber das Gläserklirren fehlt mir trotzdem. Hoffentlich können wir bald wieder diesen Klang jeden Tag genießen. Von einem Burger werde ich nämlich nicht satt.
Eine weitere Folge der Kolumne "Wohnheimsweisheiten" findest du hier.