Gefängnisausbruch 5 Minuten

Warum Mörder*innen spazieren gehen dürfen

Ein Mann hält sich an einem Gitter fest
Die Resozialiserung spielt in Gefängnissen eine besondere Rolle. | Quelle: Bild: Pia Hartmann
20. Febr. 2024

„Der Killer hat schon zwei Menschen auf dem Gewissen, durfte aber an einem Baggersee spazieren gehen. Da rannte er einfach weg!“, schreibt die Bild-Zeitung über die kürzliche Flucht eines Häftlings. Er nutze einen bewachten Ausflug mit seiner Familie, um zu türmen. Und entfachte Debatten: „Warum dürfen Mörder*innen spazieren gehen?“ – Weil auch sie Menschen sind! Menschen, deren Zukunft von der Resozialisierung abhängt.

Freunde und Familie, ein soziales Netzwerk, sind wichtig für uns und unser Verhalten. Etwa 59% der Deutschen legen großen Wert auf Freundschaften und enge Beziehungen. Im Gefängnis sieht das nicht anders aus. Nur die Bedingungen sind erschwert: Handyverbot, beschränkte Besuchszeiten und die hohen Mauern. Freundschaften und Beziehungen zu pflegen ist wohl nirgends so schwer wie im Knast. Gerade gegen Ende der Haftzeit ist ein starkes Umfeld jedoch besonders wichtig für die Insassen. Wohin, wenn die Wohnung weg ist? Wie komme ich an einen Job? Fragen, bei denen Freunde und Verwandte oft die ersten Ansprechpartner sind. Ohne sie ist es für die (Ex-) Insassen oft deutlich schwieriger „draußen“ Fuß zu fassen und nicht rückfällig zu werden. Daher ist es richtig und wichtig, dass sie ihre Kontakte pflegen können. Besonders für Familien sind vollzugsöffnende Maßnahmen von großer Bedeutung. Oder würde Sie Ihre (Klein-)Kinder gerne für einen Plausch mit Papa oder Mama mit ins Gefängnis nehmen?

Unter „vollzugsöffnenden Maßnahmen“ versteht man Haftlockerungen wie das Ausführen (Verlassen der JVA unter Aufsicht eines Justizvollzugsbeamten) oder den Freigang (Regelmäßiges Verlassen der JVA ohne Aufsicht). 

Der Alltag hinter Gittern ist aber nicht nur für Kinder und Angehörige der Insassen belastend. Etwa 90% der Gefangenen sind von psychischen Störungen betroffen. Der triste Alltag in Haft, das schwierige soziale Umfeld hinter Gittern und Sorgen vor einer schweren Zukunft sind einige Gründe dafür. Kurze Ausflüge, wenn auch nur wenige Stunden in Freiheit, können da echte Lichtblicke sein. Die Hoffnung auf vollzugsöffnende Maßnahmen sind für viele Häftlinge zudem Grund genug, mit den Wärter*innen zu kooperieren und die Bereitschaft zur Resozialisierung zu erhöhen.

So sinnvoll vollzugsöffnende Maßnahmen auch sind: Sie stehen nicht jedem Häftling zu. Um in den Genuss von Ausführungen, Freigängen und Co. zu kommen, müssen die Insassen sich zunächst unter Beweis stellen. Denn „Hafturlaub“ bekommt nur, bei wem keine Fluchtgefahr oder Sorge vor weiteren Straftaten besteht. Das erweist sich als erfolgreich: Die Zahl der Freigänger*innen, die ihre Vollzugsöffnung missbrauchten, also flüchteten oder weitere Straftaten begingen, ist in den vergangenen Jahren massiv gesunken. Die Missbrauchsrate liegt inzwischen im Promillebereich, obwohl die Anzahl der Vollzugsöffnungen insgesamt stark gestiegen ist.

Darüber hinaus sollten wir als Gesellschaft eins im Hinterkopf behalten: Auch Mörder sind Menschen. Sie auf immer und ewig aus der Gesellschaft auszuschließen verschärft das Problem lediglich. Ein mobbendes Kind wird sich immerhin auch nicht benehmen, wenn die anderen Kinder es ausschließen. Im Gegenteil: Es wird sein Verhalten radikalisieren.

Zugegeben: Einen Mörder mit einem ärgernden Kind zu vergleichen ist etwas drastisch. Das Muster bleibt jedoch gleich. Der gesellschaftliche Ausschluss macht eine soziale Integration unmöglich. Einen Menschen für immer wegzusperren, obwohl er seine Strafe abgesessen hat, ist unmenschlich!

Letztendlich handelt es sich bei vollzugsöffnenden Maßnahmen um eine einfache Abwägung: Riskieren, dass (realistisch gesehen) ein Bruchteil der Freigänger flieht oder die dringend nötige Resozialisierung der Häftlinge erschweren? Die Aussicht, bei guter Führung die Familie am See treffen zu dürfen, erleichtert den Gefangenen nicht nur die Resozialisierung. Es unterstreicht auch den Willen der Gesellschaft, Straftäter*innen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Sie erhalten ein Stück Vertrauen zurück.

 Und, das ist das Wichtigste: Sie werden als Mensch und mit entsprechender Würde betrachtet.

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Haft ist Haft: Wer im Gefängnis sitzt, hat keinen Anspruch auf Ausflüge

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