„Wir sind Aktivisten, die mit glühendem Herzen für Freiheit kämpfen.”
Der Kampf um die Privatsphäre
„Wir schützen und respektieren Ihre Privatsphäre.” Die Datenschutzerklärungen auf Webseiten und in Apps sind sich sehr ähnlich. Sie versprechen den Schutz des Besuchers und ein unvergessliches Nutzererlebnis. Im Gegenzug wollen sie personenbezogene Daten verwenden. Ein geringer Preis, den wir gerne bereit sind zu zahlen?
Voller Einsatz
Stefan engagiert sich ehrenamtlich im Chaos Computer Club (CCC). Seine freie Zeit opfert er dafür, unsere Privatsphäre zu schützen und tatsächlich zu respektieren. Er betreut die Öffentlichkeitsarbeit des CCC Stuttgart, leistet Aufklärungsarbeit und ist Teil der gesellschaftlichen Diskussion rund um den Datenschutz in Stuttgart. Das macht er, weil er das Gefühl hat, dass politische Entscheidungen wegen fehlendem technischen Know-How immer freiheitsfeindlicher werden. Dieses Gefühl wollte er nicht auf sich beruhen lassen und beschloss, sich aktiv einzumischen.
Sich einzumischen ist auch padeluun wichtig. Seit Jahren tritt er unter diesem Namen in der Öffentlichkeit auf, sein bürgerlicher Name ist nicht bekannt. Zusammen mit Rena Tangens gründete er den Verein Digitalcourage. Gemeinsam stellten die beiden fest, dass die Gesellschaft sich durch Technik verändert. Padeluun erklärt, dass diese Veränderungen starkes Potential haben, von Wenigen zu ihrem Vorteil genutzt zu werden.
Aber wie frei kann ich über meine Daten bestimmen? „Ja, Datenschutzerklärung akzeptieren” ist häufig die einzige Option, denn ein „Nein” bedeutet, den Service nicht nutzen zu können. Die Konsequenzen von einem „Ja” sind nur schwer abschätzbar.
Schutz vor wem oder was?
Datenschutz – das Wort legt nahe, dass wir unsere Daten schützen müssen. Aber vor wem? „Im Prinzip vor jedem, von dem ich nicht will, dass er diese Daten hat”, sagt Stefan. Aber das sei eigentlich gar nicht möglich. Dienste wie soziale Netzwerke werden von so vielen Menschen genutzt, dass auch Informationen über Personen vorliegen, die nicht aktiv auf den Seiten und Plattformen unterwegs sind.
Aber nicht nur soziale Netzwerke sammeln Informationen, auch Unternehmen, der Staat und Krankenkassen haben ein Interesse an den Daten. Stefan wünscht sich, dass Nutzer besser informiert werden, da Transparenz häufig nur in eine Richtung herrscht. Denn den Nutzern ist oft unklar, wie ihre Daten verwendet werden.
Nichts zu verbergen?
Der Satz „Ich habe nichts zu verbergen” fällt in der Diskussion rund um das Thema Datenschutz immer wieder und häufig unbedacht. Stefan ist von dieser Aussage nur genervt.
Auch padeluun kann diese Antwort nicht verstehen. Er sagt, der Satz ist „falsch, dumm, böse und unsolidarisch”. Seiner Meinung nach geht es nicht darum, etwas zu verbergen, sondern darum, etwas zu bewahren: unsere Freiheit.
Mit Herz und Verstand
Auch im Netz kann man seine Freiheit verteidigen. Die Kampfsportarten des Internets heißen zum Beispiel Verschlüsselung und dezentrale Dienste.
Um sich zu schützen, sind zwei maßgebliche Kompetenzen besonders wichtig, so padeluun: „Erstens eine gewisse Form der Medien- und Kommunikationskompetenz und zweitens immer wieder politische Forderungen zu stellen mit dem Ziel, die Persönlichkeitsrechte so zu gestalten, dass wir uns nicht die ganze Zeit selbst verteidigen und darauf achten müssen, ob wir gerade total verarscht werden.”
Auch Stefan wünscht sich, dass wir uns nicht verteidigen müssen, sondern dass unsere technischen Errungenschaften für uns arbeiten. Technisch ist so viel möglich, sagt er, und es wäre schön, wenn diese Möglichkeiten verbraucherfreundlich ausgerichtet sind. In einer idealen Welt wäre ein juristischer Schutz überflüssig. Doch davon sind wir weit entfernt.
„Es fehlt, dass Leute überlegen, wie wir eine digital verletzte Gesellschaft so gestalten können, dass sie uns hilft, ein Paradies auf Erden zu schaffen, anstatt eine Hölle.”
Europa in den Fängen der Datenkraken
Im Mai 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft getreten und mit ihr die Diskussion über die Gefahren von Big Data und Massenüberwachung. Die Verordnung zeigt das gemeinsame Interesse der Europäer auf. Laut Stefan ist Europa sensibel für das Thema Datenschutz, da es aus der Vergangenheit gelernt hat. Gerade in Deutschland erinnern die Menschen sich an Zeiten, in denen die Freiheit des Einzelnen nicht selbstverständlich war. Das Grundgesetz setzt die Menschenwürde an erste Stelle. Der Datenschutz ist vom Grundgesetz abgeleitet, weil er ein Persönlichkeitsrecht und damit für die Freiheit des Einzelnen verantwortlich ist. Ein Angriff auf die Persönlichkeitsrechte bedeutet eine Einschränkung der Grundrechte, die maßgeblich für die Freiheit des Einzelnen verantwortlich sind.
Die Arbeit der Digitalcourage, des CCC und anderer europäischer Vereine trägt dazu bei, dass die Debatte rund um den Datenschutz Teil der gesellschaftlichen Diskussion bleibt. Die britische Gruppe Privacy International führte zu diesem Zweck den Big Brother Award ein. Der Negativpreis zeichnet Datensünder aus, auch „Datenkraken” genannt, und wird in vielen europäischen Ländern verliehen. 2018 erhielt beispielsweise Amazons Alexa den Preis. Er soll die Gesellschaft wach rütteln, damit sie für ihre Rechte kämpft.
Daher der Apell der Datenschützer: Wacht auf und entscheidet bewusst, wie ihr mit euren Daten umgehen möchtet. Die letzte Frage, die bleibt: Datenschutzerklärung akzeptieren: ja oder nein?
Chaos Computer Club e.V.
- größte europäische Hackervereinigung
- Forum der Hackerszene – eine Instanz zwischen Hackern, Systembetreibern, Politikern und der Öffentlichkeit
- setzt sich für die Förderung der Informationsfreiheit und eines Menschenrechts auf weltweite ungehinderte Kommunikation ein
Weitere Informationen unter ccc.de.
Digitalcourage e.V.
- engagiert sich seit 1987 für Grundrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter
- Mitglieder sind technikaffin und wehren sich dagegen, dass Demokratie "verdatet und verkauft" wird
- will aufklären und ist politisch aktiv
Weitere Informationen unter digitalcourage.de.