„Große Festivals könnten es sich erlauben, auszufallen.“
Kinokarten für die eigenen vier Wände?
Aktuell ist ein normaler Kinobesuch eher Wunschdenken. Das bedeutet für Filmfestivals, dass sie Alternativen finden müssen. Einige setzen dabei auf eine digitale Lösung, andere verschieben es ganz. Aber wie unterscheiden sich eigentlich digitale Filmfestivals und Präsenzfestivals genau?
Vielen Menschen kommt ein digitales Festivalangebot zugute, andere kritisieren dies aber auch. Um ein Verständnis für diese Diskussion zu bekommen, sollen nun beide Sichtweisen beleuchtet werden.
Die große Leinwand im eigenen Wohnzimmer
Mir, Laureta, erscheint eine digitale Festivalvariante durchaus sinnvoll. Denn durch die Online-Alternative ist man nicht mehr so ortsgebunden. Zu Präsenzfestivals erscheinen Menschen aus den verschiedensten Städten oder Ländern. Doch digital haben noch viel mehr Leute die Möglichkeit, an den Festivals teilzunehmen – ohne extra hinreisen zu müssen. So kann man beispielsweise aus Berlin einen Film vom Indischen Filmfestival oder der Filmschau in Stuttgart anschauen. Auch für die Veranstalter ist das eine Entlastung, da sie nicht zusätzlich planen müssen, wie die Filmemacher oder Schauspieler anreisen oder wo man sie unterbringt.
Außerdem ist man online weniger zeitgebunden, sondern kann sich selbst einteilen, wann man welche Filme schauen möchte. So besteht, anders als bei Präsenzfestivals, nicht die Gefahr, Filme zu verpassen. Die Programmleiterin des Filmbüros Baden-Württemberg, Elisa Kromeier, betont, dass dies für viele Menschen eine gute Alternative ist. „Besonders für die, die eher weniger am gesellschaftlichen Leben teilhaben können“, meint Kromeier. Durch das Online-Angebot können dann auch Eltern mit kleinen Kindern zusehen oder Menschen, die ältere Familienmitglieder pflegen müssen.
Online-Festivals mögen für einige Leute keine gute Alternative sein, doch sie ist um einiges besser, als das Festival komplett ausfallen zu lassen. Elisa Kromeier erklärt nämlich, dass es nicht so einfach ist, Festivals abzusagen. Denn die Gelder, die man von Sponsoren erhalte, seien zweckgebunden und diese müsse man auch zurückgeben. „Große Festivals könnten es sich erlauben, auszufallen. Aber auch die haben nach Alternativen geschaut, was sie stattdessen machen“, sagt Kromeier. „Kein Festival ist einfach so ausgefallen, nur die allerersten, als diese Starre war im März und April.“ Außerdem seien viele Zuschauer und auch Filmschaffende begeistert davon gewesen, dass die Filmfestivals trotz dieser schwierigen Situation stattgefunden haben. Denn besonders in dieser Zeit, in der die Menschen meist nur zu Hause sind und ihr gewohntes Leben herbeisehnen, ist es eine Abwechslung, diese Filmfestivals zu verfolgen. Sie können viele Menschen aus ihrer Monotonie herausholen und ihnen – zumindest ein wenig – das Gefühl von Normalität schenken.
Fehlende Kinoatmosphäre und Filmgespräche
Die Kinoatmosphäre und das Publikum sind für Filmfestivals unverzichtbar. Aus persönlicher Erfahrung kann ich, Elena, sagen, dass gerade der Austausch mit anderen nach einem Film wichtig ist. Ich hatte vergangenes Jahr im Oktober die Möglichkeit, Teil der Publikumsjury der Biberacher Filmfestspiele zu sein. Diese fanden unter strengen Hygieneregeln statt. Nach den Vorstellungen hatte man vor dem Saal hin und wieder die Möglichkeit, Filmschaffende zu treffen und mit ihnen über ihren Film zu sprechen. Dabei bekommt man Eindrücke, die bei einem digitalen Festival fehlen. Der Förderverein der Biberacher Filmfestspiele hatte sich aktiv gegen eine Online-Lösung ausgesprochen, weil ein wichtiger Teil der Filmfestspiele der direkte Austausch zwischen den Filmschaffenden und dem Publikum ist. Der Radiomacher und ehemalige Filmschaffende Paolo Percoco sagt dazu: „Gerade zum Beispiel die Berlinale oder die Biberacher Filmfestspiele setzen bewusst auf Präsenz, um an der Stelle eine Ausnahme zu bleiben.“ Sie wollen den Charakter eines Publikumfestivals erhalten, um weiterhin etwas Besonderes zu sein. Auch die Berlinale ist dafür ein gutes Vorbild, da sie ihr Programm dieses Jahr zweigeteilt haben. Im März wird es ein Online-Angebot geben und im Sommer eine Sonderausgabe mit einem Open-Air-Kino. So wird der Festivalcharakter erhalten und das Publikum hat die Möglichkeit, die Filme auf der großen Leinwand zu sehen.
„Da stellt sich mir die Frage, ob es um das Geld geht oder um die Kunst.“
Schon vor der Corona-Pandemie haben einige Filmfestivals ihr gesamtes Programm online angeboten. Jedoch fehlt dabei natürlich die Kinoatmosphäre. Es sind schließlich zwei völlig verschiedene Erlebnisse, einen Film zuhause zu streamen oder ihn in einem Kinosaal zu sehen. Es gibt bei einigen Filmfestivals nun die Überlegung, auch nach der Corona-Pandemie auf mehr Online-Angebote zu setzen. Doch sind digitale Filmfestivals wirklich die Zukunft? „Da stellt sich mir die Frage, ob es um das Geld geht oder um die Kunst“, gibt Paolo Percoco in Bezug auf reine Online-Festivals zu bedenken. Filmfestivals sind Publikumfestivals, es geht um das Publikum, den Austausch mit Filmschaffenden und die Kinoatmosphäre. Das alles fehlt bei einer digitalen Umsetzung.
Die Corona-Pandemie hat aber nicht nur Auswirkungen auf Filmfestivals, sondern auch auf die eigentliche Produktion von Filmen und Serien. In der Podcastfolge „Filme und Serien infiziert durch Corona“ erfahrt ihr mehr über die Diskussion, ob die Pandemie in der Handlung auch thematisiert werden soll oder nicht.