„Schreib` mir, wenn du Zuhause bist."
„Hey, ich hoffe ich stör` nicht, aber es ist dunkel und ich muss durch einen Park nachhause laufen, hast du kurz Zeit?“ So oder so ähnlich beginnen Telefonate, die ich mit Freundinnen abends des öfteren habe und niemand legt auf, bis die Gesprächspartnerin nicht sicher zuhause angekommen ist. Bestimmt hat jede weibliche Person schon einmal ein solches Telefonat geführt. Und bestimmt hat auch fast jede*r schon einmal die Nachricht „Schreib mir, wenn du zuhause bist“ bekommen oder geschrieben. Es gehört schon zu meiner Routine, nachts das Auto abzuschließen, wenn ich drinsitze, oder vor dem Einsteigen einen Blick auf den Rücksitz zu werfen. Hoffentlich ist da niemand. Im nächsten Moment komme ich mir dann völlig bescheuert vor. Habe ich wieder zu viel Angst? Und wieso halte ich meinen Schlüssel immer noch in der Faust? Da ist doch niemand, warum reagiere ich so über? In den meisten Fällen geht natürlich alles gut, aber man ist wohl „better safe than sorry“. Außerdem wurde mir von klein auf beigebracht, dass es für mich abends alleine nicht sicher ist. Ich solle immer auf mein Umfeld achten und niemals alleine nach Hause gehen.
Jede zweite Frau und jeder vierte Mann
In den letzten Wochen hat dieses Thema durch den Mord an Sarah Everard in Großbritannien erneut an Aufmerksamkeit gewonnen. Die 33-Jährige war abends auf dem Weg nach Hause. Sie trug helle Kleidung und telefonierte mit ihrem Freund. Etwa eine Woche später fand man ihre Leiche. Auffällige Kleidung gehört zu den Vorsichtsmaßnahmen, die getroffen werden, um gesehen zu werden, falls etwas passiert. Jede Frau versucht sich irgendwie vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Ob es das Pfefferspray in der Jackentasche ist oder die Hand am Handy, um im Notfall einen Hilferuf abzusetzen. Auch ein Alarm am Schlüsselbund ist fast normal, der hoffentlich nicht in der Tasche plötzlich anfängt, das wäre unangenehm. All das ist aber für viele normal. Eine Studie von YouGov aus dem Jahr 2017 zeigte, dass jede zweite deutsche Frau in ihrem Leben schon einmal eine Art der sexuellen Belästigung erlebt hat. Auch etwa 12 Prozent der männlichen Befragten gaben an so etwas schon einmal am eigenen Leib erfahren zu haben. Die häufigsten Orte dabei waren öffentliche Plätze oder der Arbeitsplatz. Das begründet dann doch wieder den Griff zum Schlüssel oder Pfefferspray auf dem Weg zum Auto. Mir ist bewusst, dass es nicht alle Männer sind. Ich kenne genug, die sicher gehen, dass jede*r sicher nach Hause kommt. Aber fast jede Frau hat sich in der Gegenwart eines Mannes schon mal unwohl gefühlt oder wurde unangebracht angesprochen.
In einem Gespräch mit einem Freund, fragte er mich, was er denn tun kann, um zu signalisieren, dass er keine Gefahr ist, wenn man dann doch mal denselben Nachhauseweg hat. Ich antwortete ihm: „Die Straßenseite wechseln, Abstand halten und vielleicht mit einem Freund telefonieren. Aber bitte nicht laut rufen, dass du auch nur nach Hause läufst. Das wäre lustig, aber auch echt seltsam.“ Im Endeffekt sollte jedoch jede Person, ungeachtet ihres Geschlechts, darauf achten, was in ihrer Umgebung passiert. Denn nicht nur der Selbstschutz ist wichtig, sondern auch der Schutz anderer, die sich vielleicht nicht wehren können. Es sind kleine Dinge, die jede*r tun kann, um anderen Sicherheit zu signalisieren, aber sie sind leider notwendig. Selbst wenn es nur das Angebot ist, dass man erreichbar ist, falls etwas ist. Oder die Nachricht „Schreib mir, wenn du Zuhause bist.“ Vielen gibt allein der Gedanke, dass man nicht alleine ist Sicherheit.