Vom Hobby zum Beruf: Jungfußballer David Nreca-Bisinger
Ein Teil deiner Familie stammt aus dem Kosovo. Was ist das für ein Gefühl, für das Land zu spielen, in dem deine Wurzeln liegen?
Das ist natürlich eine große Ehre, dass man da auch spielen darf. Es ist ja nicht so, dass es sich von dem einen auf den anderen Tag ergeben hat und auch zu Ende sein kann. Es ist eine Herzensangelegenheit. Würde jetzt ein anderes Land kommen, würde ich sagen: „Nee, brauche ich nicht.“
Spricht man dich eigentlich nur mit Nreca an oder Nreca-Bisinger?
Im Kosovo sagt man Nreca. In Deutschland bin ich Nreca-Bisinger, also wirklich mit Doppelnamen. Aber mich juckt das eigentlich relativ wenig, wie man mich anspricht, solange der Name einfach passt.
Wie kommt es zu dem Doppelnamen?
Meine Mutter kommt aus dem Kosovo und mein Vater aus Deutschland. Dann haben sie geheiratet und ich wollte irgendwie die albanischen Wurzeln im Namen behalten. So haben wir uns dazu entschieden, dass meine Mutter und ich den Doppelnamen annehmen.
Vom Hobby zum Beruf: Wie hast du deinen Weg zum Fußball gefunden?
Von klein auf eigentlich. Sobald ich laufen konnte, bin ich einfach mal über alle Bälle gestolpert. Mit vier Jahren habe ich angefangen zu spielen, damals noch als Feldspieler. Dann hatte ich das gewisse Talent und auch den Spaß am Fußball. Ich habe immer weiter gemacht und bin drangeblieben.
Gab es ein bestimmtes Ereignis, nach dem du wusstest: Fußball ist das, was ich professionell machen möchte?
Eigentlich ab dem Moment, wo ich die Chance hatte, zum VfB zu gehen. Ab da dachte ich: Jetzt ist die Möglichkeit da, wirklich professionell zu spielen und damit auch Geld zu verdienen.
Wie hat sich das ergeben?
Ich habe beim FC Esslingen Fußball gespielt, mein Onkel war Trainer dort. Gute Leistungen brachten alles, Scouts sind aufmerksam geworden und haben mich zu einem Probetraining eingeladen. Es hat alles gut funktioniert, ich habe mich gut gezeigt und dann haben sie mich zum VfB geholt. Daraufhin hat sich das so entwickelt: Ich habe beim VfB drei Jahre die Jugend erlebt, bin dann zu Großaspach gewechselt und jetzt im Profibereich tätig.
Du bist noch sehr jung und gerade am Anfang deiner Karriere. Könntest du dir vorstellen, doch noch einen anderen Beruf zu wählen oder möchtest du weiter beim Fußball bleiben?
Für mich gibt es eigentlich keinen Plan B. Ich habe Fußball. Daran will ich so lange wie möglich festhalten und ich hoffe, dass es da noch weiter geht.
Wo siehst du dich denn in zehn Jahren in Bezug auf Fußball?
Zehn Jahre ist schwierig – das Fußballgeschäft ist schwer. Verletzungen und alles Mögliche können schnell passieren. In zehn Jahren, da bin ich 29. Da bin ich fast schon am Ende meiner Karriere. Deshalb hoffe ich, dass ich vielleicht in England bin. Ich sehe mich bei einem der Premier League Clubs als einer der besten Torhüter der Welt.
Wie kommst du genau auf England?
Ich weiß nicht, England ist so ein Traumziel. Da verdient man am meisten Geld, da wird der beste Fußball gespielt. Da wird Fußball gelebt – super Atmosphäre, super Stadion, super Leute. Ich denke, da habe ich am meisten Spaß, Fußball zu spielen.
Gibt es eine bestimmte Traum-Mannschaft, für die du gerne spielen würdest?
Manchester City wäre die Traum-Mannschaft. Wenn da ein Angebot kommt, bin ich weg. (lacht)
Wieso genau diese Mannschaft?
Manchester ist eine wunderschöne Stadt. City ist ein relativ neuer Club, ich mag die Anlage, die Leute und wie dort gespielt wird – alles an Manchester City begeistert mich einfach.
Was macht für dich den Fußball aus? Was begeistert dich daran?
Eigentlich alles am Fußball: Der Spaß, das Spielen, der Druck, die Fans, die Leute, die dahinterstehen. Und dann noch, dass es so wenige Leute schaffen. Es gibt so wenige Leute auf der ganzen Welt, die Fußballer werden – und zu diesen, vielleicht drei Prozent, zu gehören, ist für mich das, wo ich sage: Boah, das ist geil daran.
Du spielst auch bei der kosovarischen U21-Nationalmannschaft. Wie hat sich das ergeben?
Ich habe für die Nationalmannschaft angefangen in der U17. Dort hat es sich über Kontakte ergeben, dass da jemand gesehen hat: „Okay, da ist ein Torwart, der nicht schlecht ist, er kommt vom VfB und wir haben sowieso grade Probleme mit den Torhütern im Kosovo.“ Dann habe ich eine Einladung bekommen, bin in den Kosovo geflogen, habe dort trainiert und sie fanden mich gut. Ich habe für die U17-Nationalmannschaft gespielt – sogar relativ erfolgreich. Wir hatten die EM-Qualifikation als Erster bestritten und sind in die nächste Runde. Da sind wir dann leider ausgeschieden. Nach der U17 kam die U19, dann die U21 und irgendwie hat sich einfach alles Schritt für Schritt ergeben.
Einige deiner Spiele für den Kosovo wurden auch im Fernsehen übertragen und deine Verwandten haben Bilder von dir auf Instagram hochgeladen. Wie ging es dir damit, dich plötzlich selbst dort zu sehen?
Es war ein überwältigendes Gefühl. Das war so der erste Moment, wo ich dachte: Okay so kann Fußball sein, so kann internationaler Fußball sein. Ich war am Anfang überfordert mit der Situation. Mir haben so viele gratuliert und geschrieben. Da habe ich mich schon wie ein kleiner Star gefühlt, muss ich sagen. (lacht) Das war echt cool.
Gibt es bestimmte Fußballer, die dich immer schon inspiriert haben und von denen du dir etwas abschauen kannst?
Ja, es gibt genug. Mein persönliches Vorbild ist Manuel Neuer – aus Torhütersicht ist er einfach der beste. Da kann man sich eigentlich jeden Tag YouTube-Videos anschauen und dann selbst versuchen, das umzusetzen, wie es einen inspiriert und zu einem passt.
Und worauf achtest du dabei immer?
Auf gewisse Techniken: Wie er die Bälle fängt, wie er von hinten rausspielt, wie er die Bälle spielt. Das kann man alles anschauen – an der Fußtechnik, an der Fußstellung. Und einiges übernehme ich dann.
Musst du eigentlich einen strikten Trainings- und Ernährungsplan befolgen?
Ernährungsplan nicht. Es ist nicht so, dass wir jeden Tag vorgeschrieben bekommen, was wir zu Essen haben. Aber man sollte sich schon ausgewogen und gesund ernähren. Trainingsplan natürlich: Wir haben jeden Tag Training und die Guten schauen, dass sie danach noch einige Extraeinheiten machen oder in den Kraftraum gehen.
Habt ihr dafür professionelle Trainer oder müsst ihr selbst darauf achten?
Wir haben Athletiktrainer, Ernährungsberater oder auch Psychologen. Dieses Angebot kann man wahrnehmen, aber es ist keine Pflicht. Meistens ist es auch so, dass wir sonntags und montags frei haben, wenn wir samstags spielen. Da mache ich dann extra Laufeinheiten. Dienstags haben wir beispielsweise zwei Einheiten. So ist es immer schwierig, mehr zu machen, da auch der Tag brutal lang ist.
Wie ist es für dich, manchmal auch weg von deiner Familie zu sein und allein leben zu müssen?
Ich komme damit gut klar. Ich kann mich selbst ernähren, ich kann eigentlich alles selbst machen. Natürlich vermisst man die Familie, weil man nicht immer zu Hause ist, wo Mama vielleicht nochmal kochen kann. (lacht) Ich schaue, dass ich so oft wie möglich meine Familie besuche. Aber ich habe kein Heimweh oder so.
Bekommst du viel Unterstützung von deiner Familie?
Also meine Familie steht voll hinter mir. Schon von klein auf haben sie mich immer unterstützt. Allerdings haben sie mir nie Druck gemacht, dass ich Fußballer werden muss. Es ist echt locker. Sie sagen: „Wenn es dir gefällt, kannst du weitermachen. Wir unterstützen dich da auf jeden Fall die ganze Zeit. Aber sobald der Punkt kommt, wo es dir nicht mehr Spaß macht, sind wir auch offen, wenn du kein Fußballer wirst.“
Wie würde deine Familie dich beschreiben?
Ich glaube, sie würden sagen: Verrückt, offen, lustig, aber auch temperamentvoll. Ich bin ein aufgeschlossener Typ. Ich sorge immer für Spaß und Stimmung – aber ich bin kein ruhiger Typ. (lacht)