Faktencheck

"Orbán ist ein Symbol für den Rechtspopulismus."

Ein Graffiti von Ungarns Ministerpräsidenten.
20. Mai 2019

Viktor Orbán - es vergeht kein Tag, ohne dass Ungarns Ministerpräsident in den Schlagzeilen steht. Verrat, Diktatur oder Missbrauch sind nur wenige Worte, die mit ihm in Verbindung gebracht werden. Ein ungarischer Journalist verkündete nun, Orbán sei ein Symbol für den Rechtspopulismus - ist das wahr?

Péter Balázs, ein ungarischer parteiloser Politiker und ehemaliger EU-Kommissar, behauptete in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, Mitbegründer und Vorsitzender der Fiatal Demokraták Szövetsége (Fidesz)-Partei, ein Symbol für den Rechtspopulismus sei.

Um diese Aussage zu prüfen, müssen wir zunächst die zwei Teile des Begriffs des Rechtspopulismus einzeln betrachten: „rechts" und „Populismus".

Über die Definition des Wortes Rechts" ist man sich in Europa relativ einig: Innerhalb des demokratischen Systems identifiziert sich die Fidesz selbst als rechte beziehungsweise nationalistisch-konservative Partei. Sie geht von der Verschiedenheit von Menschen aus und befürwortet und akzeptiert daher eine gesellschaftliche Hierarchie.

Bei dem Wort Populismus” sieht das Ganze schon etwas anders aus. Im Folgenden werden wir uns mit der Begriffsdefinition des Wiener Politikwissenschaftlers Anton Pelinka beschäftigen, der unter modernem Populismus ein radikales Verständnis von Demokratie als Parlament des Volkes – jenseits der Unterscheidung zwischen Mehrheit und Minderheit, jenseits von Grenzen, die die Menschen respektieren müssen versteht, wie in seinem Beitrag zum Buch „Right-wing populism in Europe: Politics and Discourse“ von Ruth Wodak, Majid KhosravNik und Brigitte Mral geschrieben hat. 

In diesem Zusammenhang meint Pelinka mit den Menschen” eine Gruppe von Leuten, die sich selbst als Einheit als selbstverständlich, also als gegebener Faktor”, ansehen und bei denen Ein- und Ausschluss eine wichtige Rolle spielen – ganz nach dem Denken:

Wer gehört zu „den Menschen“ und wer nicht?

Anton Pelinka

Bevor wir uns weitere Bedeutungen für das Wort Populismus anschauen, gehen wir erst genauer auf Orbán’s Partei, die Fidesz, ein. Zunächst müssen wir prüfen, ob er als wirklicher „Anführer” „seiner” Partei wahrgenommen wird und somit ein Symbol für die Partei sein könnte oder nicht. Werfen wir einen Blick auf www.fidesz.hu, die Hauptwebseite der Fidesz, sehen wir Überschriften wie “Támogassuk Orbán Viktor programját, …” („Lasst uns Viktor Orbáns Programm unterstützen”) und ähnliche zu genüge. Dies ist schon mal ein Zeichen dafür, dass die Fidesz als Partei hinter Viktor Orbán steht, ihn als jemanden sieht, der die Wahrheit spricht und sie somit repräsentiert. Wir wissen also: Orbán kann als Symbol, also Repräsentant, für „seine” Partei angesehen werden.

Um nun zurück zu der Frage „Wer gehört eigentlich zu „den Menschen”?” zu kommen, müssen wir uns für die Beantwortung dieser klarwerden, ob sich die Fidesz, repräsentiert durch Viktor Orbán, von anderen Gruppierungen abgrenzt und sich selbst als eigene Gruppe wahrnimmt. Wie es Rechtspopulisten oftmals tun, distanzieren sie sich von Migranten. Wenn wir erneut auf die Webseite der Fidesz schauen, sehen wir Überschriften wie “..állitsuk meg a bevándorlást” („Lasst uns die Migration stoppen!”).

Viktor Orbán in seiner Rede zur Lage der Nation, 19. Februar 2018

Wenn man Zitate wie diese liest, kann man stark vermuten, dass die Fidesz-Partei Migranten nicht als Teil „ihrer" Gruppe ansieht.

Populismus ist, wie Pelinka schreibt, meistens gegen eine ethnische oder eine national oder religiös definierte Gruppe von „anderen” gerichtet, was normalerweise in das rechte politische Spektrum eingeordnet wird.

Nach Pelinka sieht der Rechtspopulismus Multikulturalismus als Rezept, um die eigene Nation zu „entnationalisieren”, die eigenen Leute zu „dekonstruieren“.  Ein Beweis dafür könnte das stark ausgeprägte Nationalbewusstsein der Fidesz sein, welches sich allein schon in deren Motto, nämlich „Nekünk magyarország az elsö” (“Für uns steht Ungarn an erster Stelle”) zeigt. Auch Teile ihrer „Stoppt Soros“-Kampagne, welche Sätze wie „Soros hat vor, Europa mit Migranten zu überfluten und dem Kontinent seine christliche und nationale Identität zu rauben“ beinhaltete, sprechen dafür. Diese Kampagne bewarb die Fidesz im ganzen Land mit Plakaten, online oder mit Briefen an die Bewohner Ungarns.

„Soros würde Millionen aus Afrika und dem Nahen Osten aufnehmen - Stoppt Soros!"

Auch erwähnt Anton Pelinka die österreichische Partei FPÖ als bestes Beispiel für Rechtspopulismus, basierend auf ihrer prä-populistischen Vergangenheit. Zu dieser rechtspopulistischen Partei schaut die Fidesz auf. Auf ihrer Webseite preisen sie an: „Europának át kellene vennie az osztrák modellt, amelyben a jobbközép a jobboldallal müködik együtt” („Europa sollte sich als Vorbild Österreich nehmen, wo die rechte Mitte mit der Rechten zusammenarbeitet“).

Neben Pelinkas Definitionen für Populismus weiß man, dass Populismus dafür bekannt ist, politisch zugespitzte rechte Positionen mit dem Bekenntnis zur Demokratie ud gleichzeitig gegen die Europäische Union, ihre aktuellen Strukturen und die regierenden Parteien zu kombinieren. Als regierende Partei trifft letzteres für die Fidesz offensichtlich nicht zu - bezogen jedoch auf die vorigen Punkte, wie beispielsweise das Betrachten der EU und ihrer Strukturen aus einem negativen Blickwinkel, könnte Wahrheit darin stecken. Hierfür stellt sich die Fidesz nicht klar öffentlich gegen die EU, aber klar und deutlich gegen Brüssel - den Sitz der Europäischen Kommission und des einen Europäischen Parlaments : "Brüsszel a babaváró támogatást támadja, de a migránskártyát osztogatja" („Brüssel greift die Unterstützung durch Familiengeld an, verteilt aber die Migrantenkarte") oder "Elég abból, hogy Brüsszel e migrációval a terrorizmust is pénzeli!" („Genug davon, dass Brüssel mit der Migration den Terrorismus finanziert!")

Populismus kann auch als politische Technik benutzt werden, um innerhalb des Volkes eine bestimmte Stimmung zu kreieren, was hiermit und auch mit der Soros-Kamoagne also auch ein Ziel der Fidesz war.

Wenn wir all diese Punkte betrachten, können wir uns sicher sein, dass die Fidesz eine rechtspopulistische Partei darstellt, repräsentiert durch ihren Vorsitzenden Viktor Orbán. Péter Balázs’ Aussage ist wahr und Orbán als Symbol für den Rechtspopulismus nicht bloß ein Gerücht oder unbegründete Annahme.