Hanf im Glück
Die Luft im Zuschauerraum ist so verraucht, man kann kaum die Hand vor Augen sehen. Der Off-Beat hat das Publikum erfasst, es herrscht kollektives Wippen. Fünf Musiker stimmen eine leicht abgewandelte Version von Bob Marleys „Buffalo Soldier“ an. Der Frontman hört auf den Namen Prince Babylon Lion, er hat Rum und Rhythmus im Blut. Ein bunter Haufen vor der Bühne zeigt Vorlieben für Dreadlocks und schwarz-gelb-grün. Entspannte Stimmung, Glücksgefühle, rote Augen. Ganz nebenbei zündet sich Lion den nächsten Joint an und befindet sich dabei in bester Gesellschaft beim CannabisCup. Amsterdam fühlt sich heute wie Kingston an.
Manche Nicht-Europäer halten unseren Kontinent für einen Ort, an dem Falschparken strenger bestraft wird als Grasrauchen. Die Szene auf dem jährlichen Legalisierungsfestival „CannabisCup“ in den Niederlanden macht deutlich, woher diese Vorstellung kommt. Fakt ist aber: Europa ist nicht gleich Amsterdam. Länderübergreifende Regeln zur Legalisierung von Cannabis gibt es nicht und wird es wohl auch in naher Zukunft nicht geben. Doch wäre in diesem Fall eine europaweite Einigung nicht eine gute Möglichkeit, um zwischen Repression und Rauchfreiheit durchzublicken? Georg Würth, Geschäftsführer und Inhaber des Deutschen Hanfverbands erklärt, weshalb er derartige Ideen für unrealistisch hält.
Das heißt, dass auch künftig manche Regierungen den Jamaika-Flair dulden werden, während in anderen Staaten mit Gefängnisstrafen gedroht wird. Doch sind die Niederlande wirklich das Mekka der Kiffer-Kultur, heißt es im Norden tatsächlich Cocktails statt Cannabis und warum sagt Spanien vielleicht bald „Hasta la vista“ zu Hanf?
Traum von Amsterdam?
In holländischen Coffeeshops wird nicht nur Kaffee getrunken. Die vom Staat erlaubten Läden, in denen legal Marihuana verkauft und konsumiert werden darf, haben in den Niederlanden dem „Drogentourismus“ die Eingangstüre weit geöffnet.
Was vielen jedoch nicht klar ist: Cannabis ist in den Niederlanden illegal. Der Besitz von kleinen Mengen bis zu fünf Gramm bleibt jedoch straffrei. Seit 1976 dürfen Coffeeshops bis zu 500 Gramm Marihuana lagern. Die Produktion und der Großhandel bleiben jedoch verboten. Also einmal Aufatmen für die Cannabistouristen: Amsterdam ist und bleibt Europas Cannabis-Hotspot Nummer Eins.
In den Alpen akzeptiert?
Wird Zürich das neue Amsterdam? Für manche ein seltsamer Gedanke, jedoch werden in der Schweiz schon seit Anfang der 90er Jahre häufig neue Gesetzte zur Legalisierung von Marihuana verabschiedet. Das Ergebnis: Für Konsum und Besitz von Cannabis gibt es in den verschiedenen Kantonen unterschiedliche Strafen. Generell macht die Schweiz jedoch momentan aufgrund ihrer liberalen Drogenpolitik Schlagzeilen. Die Cannabissubstanz Cannabidiol, auch CBD genannt, wurde Ende 2017 legalisiert. Vor allem in Zürich wurden daraufhin viele CBD-Shops eröffnet. In der Schweiz ist CBD sogar in Lidl-Filialen erhältlich, man kann es als Tabakersatz in kleinen Beuteln kaufen. Die Versteuerung der entkrampfenden und angstlösenden Substanz brachte dem Staat nach Angaben der eidgenössischen Zollverwaltung bereits einen Umsatz von rund 25 Millionen Franken. Auch bei klassischem Cannabis haben Schweizer wenig zu befürchten: Der Besitz von Mengen bis zu zehn Gramm wird nicht strafrechtlich verfolgt, solange der THC-Gehalt unter einem Prozent liegt.
Kein Marihuana mehr für Madrid?
In Spanien wurde der Cannabiskonsum jahrzehntelang toleriert. Das Land gilt als Mitbegründer der sogenannten Cannabis Social Clubs, die sich mit der Zeit in professionelle Vereine entwickelt haben.
Cannabis Social Clubs sind Vereinigungen, die selbst Cannabis anbauen und damit ihre Mitglieder versorgen. Die Clubs sind nicht gewinnorientiert, daher bekommen Beteiligte das Endprodukt für verhältnismäßig wenig Geld. Dieses Modell soll den Schwarzmarkt ausschließen und den Endverbraucher mit qualitativ hochwertigem Cannabis versorgen. Die Vereinigung ist nicht öffentlich zugänglich, durch die Einladung eines Mitgliedes kann teilgenommen werden.
Ende 2017 der Schock für die Marihuanalobby: Der oberste Gerichtshof beschließt, dass Cannabis Social Clubs gegen das Bundesgesetz verstoßen. Die Zusammenschlüsse müssen demnach limitiert und klein sein, neue Mitglieder dürfen sie nicht aufnehmen. Ob die spanische Regierung Social Cannabis Clubs tatsächlich vollständig verbieten wird, entscheidet sich noch dieses Jahr.
Sieht Stockholm schwarz?
Ein Joint im Straßencafé? In Schweden undenkbar. Das Land ist für seine Null-Toleranz-Politik bekannt, selbst geringfügige Vergehen können mit Gefängnisstrafen enden. Im Krankenwesen hat die Regierung nun eingelenkt: Wenige Schmerzpatienten bekommen seit Kurzem Cannabis zum Lindern ihrer Beschwerden. In der Freizeit wird in Schweden also kaum Gras geraucht, Alkohol dafür umso mehr konsumiert. Das Land ist schon einigen Jahrhunderten für das exzessive Trinkverhalten vieler seiner Bürger bekannt. Eine Statistik der Word Health Organization zeigt sogar, dass es in Schweden überdurchschnittlich viele Alkoholabhängige gibt. Bestätigt sich also das Vorurteil: Hanf im Süden, Hochprozentiges im Norden? Ein Blick auf die Europakarte bringt Licht ins Dunkel.
Deutsche Kontroverse
Konsumieren dürfen wir es, besitzen jedoch nicht. Bei Cannabisvergehen versteht unsere Regierung keinen Spaß. Für den Verkauf von Marihuana kann man in Deutschland hinter Gittern landen. Hinweise auf zukünftige Gesetzesänderungen in Sicht? Fehlanzeige. Deshalb die Frage an den Inhaber des deutschen Hanfverbands: Herr Wurth, wächst bei uns Gras über die Sache?