„Der Ansatz sollte sein, aus 80 oder 85 Jahren Lebensdauer etwas Interessantes zu machen."
Immer auf Achse
Heute war Sascha schon in Nord Kerala am Strand in Kannur. Dort hat er ein paar Fotos geknipst, sich im Wasser frisch gemacht und derweil die Unterhose getrocknet. Als Globetrotter reist der 50-jährige Talheimer momentan durch Indien. Am Nachmittag entschloss er sich, weiterzuziehen. Diesmal mit dem Zug Richtung Mangaluru. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, keine so großen Trips mehr zu machen. Dieser geht jetzt schon wieder über 16 Monate. Es ist bereits dunkel, als Sascha am Bahnhof in Mangaluru ankommt. Hier findet er Zeit und Wi-Fi, um mit mir über sein Leben zu sprechen.
Reist du gerne allein?
Auf meinen Reisen begegne ich immer vielen Leuten, daraus ergeben sich meistens keine tieferen Beziehungen. Die vermisst du dann wahrscheinlich früher oder später. Und dann geht’s halt darum, ob du es ändern oder du dich damit arrangieren kannst.
Du bist jetzt seit 33 Jahren auf Reisen. Wie hat das Ganze begonnen?
Am Anfang durch Tennis, da musste man immer auf Turniere fahren und dadurch hat man das Reisen im Grunde gelernt.
Wie alt warst du da?
Mit 17 bin ich in den Sommerferien nach Italien getrampt, hatte aber direkt Heimweh und die Sprache konnte ich auch nicht. An meinem 18. Geburtstag bin ich aus der Schule raus und im Winter per Anhalter in die wärmeren Gebiete getrampt.
Ist es dir leichtgefallen, deine Heimat zu verlassen?
In der Art bin ich ein ziemlicher Rebell gewesen. Habe dann einfach gemacht, was ich selbst wollte. Auf jeden Fall brauchst du einen starken Willen.
Wie gehen deine Eltern mit der Situation um?
Meine Eltern, aber vor allem meine Mutter, wollen mich halt auch mal sehen. Momentan sehe ich sie einmal kurz und bin dann wieder für zwei Jahre weg. Das ist nicht gerade schön. Auf der anderen Seite sind sie es mittlerweile gewöhnt. Heutzutage mit WhatsApp ist es auch einfacher als früher, wo du teilweise monatelang komplett abgeschnitten warst. Heute kannst du einfach mal ein Bildchen rüberschicken.
Laut Rankinglisten wie The Best Travelled bist du nicht nur der meistgereiste Deutsche, sondern auf Platz eins weltweit! Was genau ist denn The Best Travelled?
Viele Menschen haben das Ziel, alle 193 Länder zu bereisen. Meins war das anfangs nicht, aber nach so vielen Jahren auf Reisen möchte man immer wieder neue Länder sehen. Damit das Ranking interessanter wird, geht es bei The Best Travelled eher um relevante Gebiete innerhalb der Länder. Dadurch ist es schwieriger, vorne mit dabei zu sein. Da musst du im Grunde dein Leben danach ausrichten.
Du bist Globetrotter, aber noch viel mehr. Was hast du auf deinen Reisen schon für Jobs gehabt?
Jobs hatte ich schon viele, aber mehr zum Spaß. Mal auf einem Boot als Matrose oder mal als Türsteher. In China und auch in Spanien habe ich eine Zeit lang als Tennistrainer gearbeitet. Momentan bin ich Schriftsteller, das gefällt mir ganz gut. Ich habe mal ein Couple getroffen, die, sobald sie irgendwo angekommen sind, das Internet gesucht haben. Die reisen sozusagen berufsmäßig. Oft denken die Menschen, dass ich so meinen Lebensunterhalt verdiene, aber im Endeffekt mache ich nur dasselbe wie mit 17. Und jetzt mit 50 Jahren immer noch.
Wie viel Geld benötigst du im Monat?
Ungefähr 200 Euro im Monat. Wenn du ein ganzes Jahr unterwegs bist, darfst du dein tägliches Budget eben nicht überschreiten.
Wo hat es dir am besten gefallen?
Mir gefällt es überall. Sobald ich wie jetzt in einer neuen Stadt ankomme, denke ich nicht mehr über Vergangenes nach. Ich lasse mich auf Neues ein.
Findest du also jedes Land interessant?
Normalerweise ist jedes Land interessant. Ich habe in Delhi eine Chinesin getroffen, die von China nach Indien geflogen ist und nur drei Tage blieb. Dann entschloss sie sich, nach Barcelona zu fliegen. Und ich so: „Nein, wieso machst du das, gib doch dem Land eine Chance, gib doch dem Land Zeit!" Jedes Land ist interessant.
Was war denn das Krasseste und Schönste, was dir je passiert ist?
Das Schönste… Ich schätze mal, das Schönste ist es, wenn man sich verliebt. Und das Krasseste, da haben mir mal welche mit einer Kanone den Arm gebrochen. Aber war das wirklich das Krasseste? Ein Gefängnisaufenthalt zum Beispiel, das ist auch krass, das braucht man nicht nochmal.
Du willst wissen, warum Sascha im Gefängnis war? In seinem Buch Traveling: 30 Years Around The Planet findest du die Antwort und viele weitere spannende Abenteuer.
Kann man nach solchen Erlebnissen überhaupt weiterreisen?
Als ich aus dem Gefängnis kam, habe ich schon gedacht, dass ich das Ganze erst einmal verarbeiten muss. Doch sobald ich draußen war, habe ich meine Reisen fortgesetzt. Dann ist die Gefängnisgeschichte in der Timeline schnell wieder nach hinten gerutscht.
Kommt für dich ein Leben wie wir es hier in Deutschland kennen infrage?
Ich kann mir nicht vorstellen, was ich in Deutschland machen sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da irgendwie interessant genug sein könnte und dass ich da zufrieden wäre. Ich brauche einfach immer was Neues.
Weißt du, wann du mit dem Reisen aufhören möchtest?
Im Januar habe ich gedacht: Jetzt bin ich 50, was soll jetzt noch groß kommen. Aber was in diesem Jahr wieder alles passiert ist, ist unglaublich. Und im Grunde war das jedes Jahr so. Nein, eine Alterszeit habe ich mir nicht gesetzt. Bei mir ist das eine Sache von Energie.
„Ich möchte mein Leben so lange leben, bis die Energie weg ist, und du dich darauf freust, ins Grab zu steigen.“
Und wo geht’s als Nächstes hin?
Jetzt ist es hier in Mangaluru 22 Uhr. Ich weiß nicht, wie weit es von hier zum Strand ist und ob ich dahin laufen kann. Zuerst werde ich irgendwo hier abendessen und dann mal sehen, was ich mache. Ob’s hier für drei Dollar ein Zimmerchen gibt oder nicht.
Du reist auch gerne? Dann schau doch mal auf Saschas Webseite oder auf seiner eigenen Rankingplattform vorbei. Auch auf Facebook, Instagram, Flickr und The Best Travelled kannst du den Weltenbummler finden.