Youtube vs. ÖRR 8 Minuten

Funk – mehr Schein als Sein?

Collage von Rezo, STRG_F, Funk und einem Handydisplay mit dem YouTube Logo.
Der Konflikt zwischen Rezo und STRG_F hat auf YouTube und in den sozialen Medien zu einer großen Debatte geführt. | Quelle: ALL IN - Artist Management / Canva
19. März 2025

Jung, modern und hip - so wirbt funk für seine Formate. Doch bereits mehrfach geriet das junge Medienangebot ins Visier der Kritik. Nicht zuletzt, als das Reportagenformat STRG_F ihre fehlerhaften Recherchen rechtfertigt, anstatt sie transparent aufzuarbeiten. Rezos Kritik ist hierbei gerade mal die Spitze des Eisbergs. Wie steht es um das junge Content-Netzwerk der ARD und des ZDF? Und was bedeutet das für zukünftige Medienmacher*innen?

Die Tinte ist längst vertrocknet, Print ist am Aussterben. Zur Hauptsendezeit sitzt längst keiner mehr mit den Eltern vor dem Fernseher, um die Tagesschau anzusehen. Aber für ein digitales Abo eines Mediums Geld zahlen? – Ganz sicher auch nicht. Doch lohnt es sich in Zeiten, in denen jeder sich Journalist*in nennen kann und der Journalismus vorwiegend digitalisiert wird, noch diesen Beruf auszuüben? 

Für viele angehende Medienschaffende kommt bei dieser Frage besonders ein Unternehmen in den Sinn: funk, das Jugendangebot von ARD und ZDF. Content Creation von digitalen Inhalten für Social Media, ein junges dynamisches Team, flache Hierarchien, einen Obstkorb und große Entscheidungsmacht in dem, was produziert wird. Hört sich doch gut an. Aber war da nicht mal was mit so einem Typ mit blauen Haaren? 

Das Rezo-Dilemma

Für diejenigen, die den blauhaarigen YouTuber noch nie zu Gesicht bekommen haben, müsste spätestens seit dem STRG_F-Vorfall, Rezo ein Begriff sein. Doch was ist genau passiert, dass auf dem YouTube-Kanal von STRG_F nun seit Monaten tote Hose herrscht? Ursprünglich fing alles mit ein paar Pillen an - Nahrungsergänzungsmittel, um genau zu sein. 
Alles begann mit einem kritischen Beitrag über die Marke „More Nutrition“ im November 2023, einer Zusammenarbeit von dem NDR Reportageformat STRG_F und dem ZDF Magazin Royale. Die Marke steht im Verdacht, zweifelhafte Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen und noch fragwürdigere Influencer-Marketing-Strategien zu nutzen, wobei Rezo eines der Werbegesichter war.
Wichtig hierbei ist das Wort „war“. Ursprünglich fragte STRG_F Rezo an, um ihn mit der Zusammenarbeit mit More Nutrition zu konfrontieren. Es hieß in der Reportage, dass er nicht vollständig oder teils gar nicht auf die Fragen eingegangen ist. Und das war nur einer der vielen Auslöser für Rezos knapp 40-minütige Video an STRG_F. Denn in Wahrheit hat Rezo sehr wohl mit einem Redakteur gesprochen. Trotz seiner klaren Aussage, dass er die Zusammenarbeit mit More Nutrition aufheben wollte, endet STRG_F ihren Beitrag dennoch mit dem Satz „Am Ende bleibt: Rezo trennt sich nicht von More.“ Rezos Video erreicht in kürzester Zeit fast zwei Millionen Aufrufe und ein Statement Video seitens STRG_F folgt. Eine neue Chance, möchte man meinen.


Ab diesem Punkt hätte man sich nämlich offen und ehrlich den Fehler eingestehen können ohne bleibende Konsequenzen daraus ziehen zu müssen. Doch leider wies STRG_F lediglich die meisten Vorwürfe zurück und schoss sich damit selbst ins eigene Bein. Rezo folgte mit einem zweiten Kritikvideo im Januar 2024, indem er neben dem bewussten Verdrehen von Argumenten auch die Außendarstellung und konkrete Reportage-Inhalte von STRG_F thematisiert. Es sieht nicht gut aus um STRG_F.

Das merken sie selbst auch, denn Mitte Januar 2024 räumt die Redaktion ihre Fehler ein und entschuldigte sich auf Instagram. Man hätte sich „verrannt“ und wolle die Winterpause nutzen, um alle Fehler intern aufzuarbeiten. Zudem fand eine persönliche Aussprache mit Rezo und zwei Personen von STRG_F statt. Das war das letzte Zeichen von STRG_F. 
Doch bei Rezo allein soll es nicht bleiben, immer wieder wurde funk von verschiedenen Akteuren scharf kritisiert. 

Politik, Geld und journalistische Werte

Die wohl mit Abstand am häufigsten vorkommende Kritik an funk ist, dass für die Angebote des Jugendformats Rundfunkgebühren verwendet werden, die von der Allgemeinheit bezahlt werden. Mittlerweile bleibt wahrscheinlich kein einziger Social-Media-Post von funk unkommentiert, ohne dass erwähnt wird, wie die eigenen Rundfunkgebühren unnötigerweise verschwendet werden. Dies wirft die Frage auf, wie funk tatsächlich finanziert wird und wie sich die Kosten verteilen.

Finanzierung von funk

Der Großteil der Mittel (83 Prozent) fließt nach eigenen Angaben von funk in die Erstellung von eigenproduzierten Inhalten und Auftragsproduktionen. Etwa ein Drittel wird direkt in der funk-Zentrale verwendet, ein weiteres Drittel für programmliche Zulieferungen durch ARD und ZDF. Konkrete Informationen über die Preise einzelner Formate sind aufgrund vertraulicher Vereinbarungen nicht verfügbar. Die Pressestelle von funk verweist auf eine detaillierte Aufschlüsselung auf der Transparenzseite von funk.

Die Studie „Journalistische Grenzgänger - Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren“ der Otto-Brenner-Stiftung zeigt ein Muster von vorwiegend subjektiver Berichterstattung und eine begrenzte Vielfalt an Quellen in den Reportageformaten von funk. Das Jugendnetzwerk wird vor allem von konservativen Kreisen für Verstöße gegen journalistische Regeln, wie das Gebot der Objektivität und ausgewogener Berichterstattung, kritisiert. So auch von der CDU. Bei einem Vorfall im Jahr 2023 wurde die Partei in einer Instagram Story von funks Politikformat „diedaoben“ mit der AfD gleichgesetzt und als rechts bezeichnet. Einige CDU-Politiker kritisierten den Jugendsender funk und forderten Reformen für mehr Ausgewogenheit und Neutralität. Es folgte eine Entschuldigung des SWR-Intendanten und ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke. Der Post wurde danach gelöscht. 

Auch viele andere Akteure im erstellten Kritiker-Netzwerk bemängelten immer wieder ähnliche Vorfälle. Die Beiträge von funk werden oft wegen subjektiver Perspektiven und expliziten Meinungsäußerungen kritisiert. Immer wieder wird hervorgehoben, dass die funks Beiträge kaum internationale Bezüge aufweisen und ländliche Regionen oder neue Bundesländer kaum behandelt werden.

Nicht nur sauer, sondern auch enttäuscht

Was bei dieser YouTube-Auseinandersetzung heraussticht, ist, dass sie mittlerweile sogar die Mainstreammedien erreicht hat. Diverse Medienhäuser wie der Spiegel und die FAZ berichteten über den zeitlichen Verlauf, aber auch die Bedeutung von journalistischen Standards. Zurecht kritisiert, nicht nur in Online-Artikeln, sondern auch primär am Ort des Geschehens selbst: YouTube. 
Ein enormer Shitstorm erschlug den Kommentarbereich von STRG_F. Besonders viele Meinungsyoutuber wie Sashka oder KuchenTV teilten Rezos Meinung zu STRG_Fs Vorgehen. Eine Kettenreaktion brach aus. 

Um einen groben Überblick des YouTube Geschehen zu bekommen, wer sich nicht nur gegenüber STRG_F, sondern funk allgemein kritisch geäußert hat, haben wir ein Netzwerk der wichtigsten Akteure im Zeitraum September 2023 bis Februar 2024 erhoben. Dabei bildet der Mittelpunkt funk selbst und ausgehend davon alle Kanäle zugehörig zum Medienangebot. Um funk herum finden wir auf der rechten Seite eine Gruppierung rund um Rezo und anderweitigen Youtubern, die sich mindestens einmal kritisch zu funk oder einem funk-Kanal geäußert haben. Dazu zählt auch abseits von Rezo eine kleine Gruppe von Kritikern der rechten YouTube-Szene.

| Quelle: YouTube & Wikipedia / Jörn Seemann

Während funk statisch bleibt, sind die Kritiker von funk vielseitig untereinander vernetzt. Wenn ein Kritiker eine Reaktion veröffentlicht, folgen häufig weitere Reaktionen von anderen.
Auch wenig überraschend ist, dass die rechtspolitische Vernetzung auf der linken Seite relativ abgekapselt vom ganzen Geschehen ist. 
Wichtig zu beachten ist dennoch, dass nicht funk selbst in diesem Vorfall kritisiert wird, sondern lediglich STRG_F bzw. vereinzelte andere Funkkanäle. Neben STRG_F standen auch ehemalige funk-Kanäle wie das Y-Kollektiv oder Leeroy am Pranger. Nichtsdestotrotz summieren sich kritische Äußerungen über die Zeit. funk kann sich nun einen weiteren negativen Eintrag mit STRG_F vermerken. Viele Zuschauer wären in den Kommentaren nicht nur am Shitstorm beteiligt, sie seien auch sichtlich enttäuscht.

Doch was macht die ganze Medienunruhe mit funk? Schließlich genoss STRG_F sonst einen guten Ruf als Reportageformat und bietet auch gut aufbereitete Filme. Sowohl auf der eigenen Webseite als auch auf Anfrage teilt uns die funk Pressestelle mit, dass die Aufarbeitung der Vorwürfe noch nicht abgeschlossen sei. Zu ihrem Selbstverständnis gehört es, selbstkritisch und transparent zu sein. „Fehler sind menschlich und können passieren.“ Nur wäre es auch wichtig, dass man damit offen umgeht. „So möchten wir eine offene Fehlerkultur leben.” Ein guter Grundsatz, den man konsequenter hätte durchsetzen sollen.

Rezo, du alter Zerstörer

Langjährige Zuschauer dürfte es nicht überraschen, dass sich Rezo so kritisch mit einem Thema befasst. Seit seinem viralsten Video rund um die „Zerstörung der CDU“ mit 20 Millionen Klicks, lädt er oft Videos hoch in denen er kritisch gegenüber Parteien oder der Presse argumentiert. Durch gründliche Recherchen, belegt der YouTuber fast minütlich in seinen Videos Quellen und Belege zu seinen Argumentationen. Nicht anders gestaltet sich das im STRG_F Vorfall. 

| Quelle: YouTube & Wikipedia / Jörn Seemann

Die Größe der farbigen Knoten zeigt in diesem Teilnetzwerk, wie oft auf einen YouTuber reagiert wurde. Wenig verwunderlich, dass Rezos Video in diesem Vorfall von anderen Meinungsbloggern die erste Anlaufstelle war. 
Mehr als die Hälfte der Verbindungen entstanden entweder durch Reactions, Antwortvideos oder eigene Inhalte, die den Vorfall nochmals aufgreifen. Auffallend ist besonders die Clique zwischen Rezo, TJ, KuchenTV, JustNero und AlphaKevin. Fünf der prominentesten Meinungsyoutuber, die abseits davon auch andere Medienvorfälle oder Ereignisse aus der digitalen Popkultur aufgreifen. 

Das Ende von funk?

Man mag nach all dem kontroversen Diskurs denken, dass es zukünftig nicht gut um funk stehen wird. Manche bezeichnen es sogar als finales Zeichen, dass sich funk als junges Medienprojekt wieder zurückziehen sollte. Um alles wieder gut zu machen, wären zu viele Fehler gemacht worden. Doch ist es wirklich vorbei? 

MDR Journalistin Johanna Bernklau findet das nicht. funk sei auf keinen Fall gescheitert. „Einzelne Kanäle sind vielleicht gescheitert (...), aber funk probiert immer wieder neue Formate aus, manche davon gelingen und manche nicht.“ Sie sieht in funk eher eine Rettung für den Beruf von Journalist*innen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk benötige ein Netzwerk, dass sich an ein junges Publikum herangewagt. Und auch Fehler macht. „Journalistische Medien machen natürlich Fehler – deshalb ist (...) seriöse Medienkritik auch so wichtig, damit diese Fehler aufgezeigt werden.“ Das Statement Video von STRG_F sei ein guter Schritt gewesen, um den Zuschauern zu zeigen, dass ihre Kritik ernst genommen wird. Auch wenn das Video „ ziemlich in die Hose gegangen“ ist. Statt der misslungenen Krisenkommunikation, hätte durch eine aufrichtige Entschuldigung die Glaubwürdigkeit nicht so sehr leiden müssen. 

„Journalistsche Medien machen natürlich Fehler – deshalb ist (...) seriöse Medienkritik auch so wichtig, damit diese Fehler aufgezeigt werden.“ 

Johanna Bernklau, Journalistin bei MDR

Auch Matthias Schwarzer, der sich bereits 2021 im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) kritisch zu funk geäußert hat, sieht das Statementvideo als einen Fehlgriff. Neben dem „offensichtlichen Blödsinn“, der erzählt wurde, ist eine Komponente sowohl für STRG_F als auch für alle anderen Redaktionen relevant. „Journalistinnen und Journalisten müssen lernen, wie man mit Influencerinnen und Influencern umgeht.“ Dass die Arbeit vom Magazin nun seit Monaten still steht, halte er für überzogen. Redaktionen sollten sich diesen Vorfall besonders vor Augen halten und für solche Fälle ein Krisenmanagement vorbereiten. „Online-Stars haben eine Millionenreichweite – und sie schrecken nicht davor zurück, sie auch gegen Journalistinnen und Journalisten einzusetzen.“  
Im Umgang mit Rezo hätte STRG_F also bedachter vorgehen müssen, als sich von Emotionen leiten zu lassen. Über jemanden kritisch zu berichten, wäre eine Sache, auf der anderen Seite müsse man dem Beteiligten trotzdem genug Zeit lassen, Stellung zu beziehen. Ganz unabhängig davon, ob man ein Influencer ist oder nicht.

„Online-Stars haben eine Millionenreichweite – und sie schrecken nicht davor zurück, sie auch gegen Journalistinnen und Journalisten einzusetzen.“ 

Matthias Schwarzer, Journalist bei RND

Ist bei funk also doch nicht alles Gold was glänzt? Grundsätzlich ist an einer Neuinterpretation des Journalismus nichts falsch. Die Medienwelt wird aktuell von einer Generation übernommen, die als Digital Natives im Netz aufgewachsen ist. Es war mehr als absehbar, dass diese Generation vielleicht unkonventionellere Ansichten vertritt als ihre Vorgänger. Weg von klassischen Redaktionen, hin zur One-Man-Show: Vor allem im Videojournalismus sei es nicht unüblich, als Einzelperson mehrere Positionen zu übernehmen. Doch dies birgt auch das Risiko für Fehler. Fehler, die wie im Fall von STRG_F hätten vermieden werden können. Von den vergangenen Vorfällen kann der Journalismus einiges lernen – beispielsweise die hohe Bedeutung und Wichtigkeit von Qualität.


Bereits am Anfang lernt man die Grundfunktionen des Journalismus kennen: Einer breiten Öffentlichkeit den Zugang zu Informationen ermöglichen. Doch all dies immer unter Einhaltung journalistischer Qualitätsvorgaben. Quasi Regel Nummer eins des Pressekodex. Genauso wie sich junge Journalist*innen in der Medienwelt zurechtfinden müssen, muss ebenfalls eine Offenheit gegenüber der Veränderung bestehen und eine konstruktive Fehlerkultur herrschen. Es gibt also genug zu tun für alle Seiten. Auch für diejenigen, die sich bereits in der Medienwelt etabliert haben. Und bis dahin heißt es für uns: Du musst noch sehr viel lernen, junger Padawan.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Moduls „Netzwerk- und Beziehungsmanagement“. Für die Netzwerkanalyse untersuchten wir die Anzahl und Art der Beziehungen innerhalb Funks, sowie Akteure, die sich kritisch zu Funk geäußert haben. Zusätzlich erhoben wir Daten zu den Beziehungen innerhalb der Funkkritiker selbst. 

Alle erhobenen Daten können auf Github eingesehen werden.