Leben unter der Armutsgrenze
Als ich im Sommer 2022 meine Immatrikulation erhielt, war ich überglücklich. Aber dieses Glück hielt nicht lange an. Es lag nicht daran, dass mir mein Studiengang nicht gefiel oder ich mit meinen Professoren oder Kommilitonen unzufrieden war, das ist alles super. Das Problem ist das Bafög, das für meine Verhältnisse vorne und hinten nicht reicht. Dabei bin ich ein sehr sparsamer Mensch. Meine monatlichen Kosten beschränken sich auf Miete, Nebenkosten, Internet und Strom, abgesehen von meinem Auto habe ich keine weiteren Abonnements oder Nebenkosten. Damit bin ich kein Einzelfall. Viele meiner Kommiliton*innen und auch Freunde beklagen, dass das Bafög zu niedrig ist. Zu wenig, zu bürokratisch, zu unübersichtlich und am Ende hat man Schulden.
Der aktuelle Bafög-Höchstsatz für gesetzlich Krankenversicherte im Alter von 25 bis 29 Jahren beträgt 934 Euro im Monat. Davon müssen allerdings noch einmal circa 122 Euro für die studentische Krankenversicherung abgezogen werden. Unterm Strich bleiben also 812 Euro zum Leben. In diesen 812 Euro ist eine Wohnpauschale von 360 Euro enthalten. Dass diese Wohnpauschale mittlerweile selbst für Studentenwohnheime nicht mehr ausreicht, sollte jedem klar sein. Lebt man in einer normalen Einzimmer-Mietwohnung, für die man 550 Euro bezahlt, fehlen am Ende des Monats knapp 200 Euro zum Leben. Als Bafög-Empfänger*in hat man keinen Anspruch auf Wohngeld oder andere Zuschüsse. Man könnte ja neben dem Vollzeitstudium arbeiten gehen. Einige meiner Kommiliton*innen dachten dies auch, haben aber schnell gemerkt, dass Vollzeitstudium und Teilzeitjob nicht gut miteinander vereinbar sind. Bezieht man jedoch Schüler-Bafög kann einem die Miete aufgestockt werden, irgendwie komisch oder? Warum werden hierbei die Studenten benachteiligt?
Arm, Ärmer, Studenten
Derzeit leben Studierende, die nur Bafög erhalten, unter dem Existenzminimum. Das Existenzminimum bezieht sich auf den aktuellen Bürgergeld-Regelbedarf von 502 Euro. Ein Drittel der Studenten ist armutsgefährdet. Dies scheint unserer Politik, trotz ständiger Hinweise und Anmerkungen von Studierendenvertretungen und -organisationen, keiner Aufmerksamkeit wert zu sein.
Das Bürgergeld wird Anfang 2024 bereits auf 563 Euro angehoben und liegt damit 111 Euro über dem aktuellen Bafög-Regelbedarf von 452 Euro. Dieser wurde zuletzt im Oktober 2022 erhöht, natürlich mit Berechnungen aus dem Vorjahr. Das heißt, der aktuelle Bafög-Satz bezieht sich noch auf eine Zeit vor dem Ukrainekrieg und der aktuell hohen Inflation. Dass die Studierenden in diesem und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr ohne Erhöhung auskommen müssen, ist ein Skandal. Seit der letzten Bafög-Erhöhung wurde das Bürgergeld eingeführt, welches nun bereits seine erste Erhöhung erfährt. Bafög-Empfänger*innen schauen derweil in die Röhre. Wenn ich Bürgergeld mit Mietkosten bekäme, wären dies 1114 Euro. Das sind 302 Euro mehr als ich derzeit mit Bafög bekomme und meiner Meinung nach auch die Summe, die ein heutiger Student bekommen müsste. Man sollte sich am Ende des Monats nicht fragen, ob man das Geld lieber für Benzin oder Essen ausgibt.
Warum muss man sich rechtfertigen, ohne Sorgen zu leben?
Online, z.B. auf X oder Facebook muss man sich derweil von der Baby-Boomer-Mittelschicht anhören, wie faul die Studierenden denn wären und sich auf Kosten des Staats bedienen ließen. Man wäre damals ja auch locker nebenher noch arbeiten gegangen. Man solle sich nicht so anstellen und überhaupt hätte man doch bestimmt noch reiche Eltern die einen finanzieren können. Jedoch ist Studieren heute nicht mehr nur für die gehobene Mittelschicht vorbehalten. Ich selbst komme aus ärmeren Verhältnissen und habe mich von der Hauptschule hochgearbeitet. Meine Eltern haben beide gesundheitliche Probleme und können deshalb nicht mehr Vollzeit arbeiten. Ich bin also komplett auf das Bafög angewiesen und der Betrag entscheidet, ob ich weiter studieren kann oder abbrechen muss.
Umso lustiger ist es, dass man mit 29 Jahren, obwohl man seit fast zehn Jahren nicht mehr bei den Eltern wohnt, immer noch Einkommensnachweise dieser vorlegen muss. Warum muss man das als selbstständiger fast 30-Jähriger immer noch tun? Das ist unnötige Bürokratie. Spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem man kein Kindergeld mehr bezieht oder aus der Familienversicherung herausfällt, sollten diese Nachweise obsolet sein. Dann werden auch Anträge und Folgeanträge schneller bearbeitet und man muss nicht monatelang auf sein Geld warten, falls man den Folgeantrag wieder zu spät gestellt hat. Folgeanträge sollte man im Übrigen bereits im Mai stellen, damit diese bis September bearbeitet sind. Da hilft auch das seit zwei Jahren existierende Bafög-Portal nicht, das den enormen bürokratischen Aufwand vereinfachen soll.
Viel kann man darüber klagen, doch was wären sinnvolle Änderungen? Die Vorschläge sind in der Theorie einfach. Neben der Sache mit den Nachweisen der Eltern, sollten die Bafög-Erhöhungen an das Bürgergeld gekoppelt und zeitgleich erhöht werden. Es kann nicht sein, dass Studenten unter das Existenzminimum fallen. Bafög-Empfänger sollten einen zusätzlichen Wohnkostenzuschuss beantragen können, wenn diese bereits in einer Wohnung mit einer höheren Miete wohnen. Es darf nicht sein, dass man seine Wohnung und seine Lebensumstände aufgeben muss, wenn die Zahlung der Miete nicht mehr möglich ist.
Würde man diese Dinge umsetzen, würden sich viele Studierende finanziell deutlich sicherer fühlen.