Generationen 3min

Jährlich grüßt das Fotoalbum

Fotoalbum vs. Instagram-Story
Früher war alles besser ... oder? Analoges Fotoalbum vs. Instagram-Story Kultur | Quelle: Lara Klos
02. Jan. 2025

Früher war alles besser … oder? Ne, nicht immer – aber manchmal. Vielleicht haben ja beide Seiten ihre Vorteile. Ein Generationen-Check der Gen Z und ihrer Eltern, in dem Erinnerungen eingeklebt oder mit einem Klick geteilt werden.

Als Kind saß ich oft auf dem Sofa neben meinen Eltern, das Fotoalbum auf dem Schoß und ließ mir die „guten alten Zeiten“ von ihnen zeigen. Die spannenden Erlebnisse und Eindrücke der Erwachsenen, die so unerreichbar schienen. Heute, an einem tristen Sonntagnachmittag, fühle ich mich wieder wie damals. Da sitze ich nun mit meinen Eltern im Wohnzimmer, das Album auf dem Schoß. Bild für Bild blättern wir uns durch die Ära der Dauerwelle und des Vokuhilas. Ein Outfit mit Schlaghose und wildem Muster fällt mir besonders ins Auge. „Das könntet ihr heute noch tragen“, stelle ich lachend fest. Meine Mutter schmunzelt – aber mal ehrlich, wir, die Gen Z, würden das genau so aus dem Schrank holen und rocken.

Auf dem Wohnzimmertisch stehen unsere Kaffeetassen, die mittlerweile kalt sind. Das leise Rascheln des Umblätterns der Seiten vermischt sich mit den Stimmen meiner Eltern, die in Erinnerungen schwelgen. „Das waren Zeiten“, seufzt meine Mama, „als wir Bilder mit schlechter Qualität gemacht und händisch in ein Fotoalbum geklebt haben. So etwas kennt ihr heute ja gar nicht mehr!” Meine Eltern haben das Festhalten von Erinnerungen oft zelebriert und die Fotoalben liebevoll gestaltet. Man überlegte sorgfältig, welcher Moment wirklich „würdig“ für das Album war. Ich stelle mir vor, wie meine Mama damals ihre Bilder langsam und präzise in das Album klebte, als wäre es ein Kunstwerk. Nicht nur Fotos wanderten in Alben und Kisten, sondern auch Eintrittskarten, handgeschriebene Notizen oder getrocknete Blumen. Mein Papa hat all seine Platten noch in Kisten im Keller stehen. Solche Erinnerungsstücke haben eine gewisse Magie, die heute fast verloren scheint. 

Auch jetzt gestalten meine Eltern jährlich ein neues Fotoalbum. Der einzige Unterschied zu damals: Heute verwenden sie eine App dafür. Wie praktisch diese neue Technik doch auch sein kann, oder? Als ich meiner Mutter das gezeigt habe, war sie völlig begeistert.

Von Erlebnissen zum Social Media Content

In unserer Generation läuft das anders: Ein paar Klicks, ein Filter, ein Song und der Moment wird live als Story auf Instagram und Co. geteilt. Gen Z sieht Erlebnisse oft nicht mehr als Erinnerungen, sondern als potenzielle Inhalte, die man posten kann. So kann ich also einen Soundtrack zu dem Moment aus meinem Leben auswählen, den alle auf Instagram hören. Das digitale Festhalten ist um einiges dynamischer und bringt neue Möglichkeiten – etwa Events live zu verfolgen, ohne wirklich vor Ort zu sein. Doch dabei geht ein Stück Emotionalität verloren. Eine Studie im „Journal of Experimental Social Psychology“ zeigt, dass das ständige Aufnehmen und Teilen von Inhalten auf Social Media oft die Fähigkeit beeinträchtigt, sich tief und authentisch an den Moment zu erinnern.

„Mach doch selbst auch mal ein Fotoalbum – du hast so schöne Bilder!“, sagt meine Mama zu mir. Doch wozu die Fotos ausdrucken, wenn ich sie doch alle auf dem Handy habe? Für meine Mama wäre ein Album aber auch ein handfester Einblick in mein Leben. „Wir bekommen gar nichts von dir zu Gesicht“, sagt sie oft. „Tja, dann lade dir doch Instagram herunter,“ entgegne ich scherzhaft, „da bekommst du alles in Echtzeit mit.“ In Echtzeit, ja. Aber ob das, was wir dort teilen, wirklich die ganze Wahrheit ist? Fraglich.

The best of both worlds?

Ich erwische mich selbst immer wieder in einem Widerspruch. Denn obwohl ich die Momente mit meinen Eltern und das Blättern durch die alten Fotoalben liebe, bin ich längst den Instagram-Storys verfallen. Schnell hochgeladen, mit einem passenden Song untermalt und für später in den „Highlights“ zum Nachschauen gespeichert. Der Reiz, sofortige Bestätigung und ein „Like“ zu erhalten, ist einfach verlockend. Ich scrolle selbst gerne durch die Erinnerungen anderer. Doch bleibt die kleine Sehnsucht nach der analogen Welt. Vielleicht liegt die Magie der alten Alben wirklich darin, dass wir uns die Zeit nehmen und bewusst die Momente Revue passieren lassen. Ob ich deshalb irgendwann weniger faul sein werde und mehr Fotoalben händisch gestalte? Ich weiß es nicht.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir das Beste aus beiden Generationen vereinen: Die Leichtigkeit der Instagram-Story und den Wert des Fotoalbums, das meine Eltern so schätzen. Denn letztlich geht es darum, das Schöne und Wertvolle im Moment zu sehen, manchmal einfach das Handy wegzulegen und nur zu sein. So wie ich es jetzt gerade auf dem Sofa mit meinen Eltern genieße.

Hinweis:

Dieser Beitrag ist Teil des Kolumnenformats „Früher war alles besser … oder?“ Weitere Folgen der Kolumne sind: