Disney, zeig endlich Flagge!
Meine ganze Hoffnung liegt auf den nächsten 90 Minuten. Es ist Dezember, ich sitze mit meinen Freunden im Kino und warte darauf, dass der Film „Die Eiskönigin 2“ beginnt. Ja, es stimmt: Ein paar erwachsene Studentinnen geben sich den neusten Disney-Kinderfilm. Meine Erwartungen an den Film sind hoch. Auch wegen des niedlichen Schneemanns Olaf. Aber hauptsächlich, weil ich gespannt bin, ob Disney auf eine besondere Spekulation eingegangen ist. Ist Elsa tatsächlich lesbisch, wie es auf Social Media gemunkelt wurde? Bekommt sie etwa eine Freundin? Das wäre ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung queerer Menschen. Etwas, für das ich mich selbst massiv einsetze – sei es auf Social Media mit Posts über Diskriminierung der Community oder auf dem CSD mit einer Regenbogenflagge in den Händen. 90 Minuten später folgt jedoch die Enttäuschung: Keine Freundin für Elsa. Hätte ich mir ja denken können.
Jetzt hat Disney aber das Unglaubliche getan: Im neuen Film „Onward“ gibt es tatsächlich eine lesbische Polizistin. Und sie erwähnt sogar genau einmal explizit ihre Freundin. Schon mal ein guter Anfang, aber das reicht noch lange nicht. Liebe Disney-Produzenten, wenn ihr die LGBTQ-Community wirklich unterstützen und in euren Filmen repräsentieren wollt, braucht es mehr als hier und da ein paar Andeutungen oder ein regenbogenfarbenes Logo während des Pride Months. Die LGBTQ-Community braucht eine Lesben-Heldin. Oder einen schwulen Prince Charming. Oder irgendwas.
Denkt doch bitte an die Kinder. Nein, ich meine das nicht so wie viele konservative Eltern, bei denen schon bei der Vorstellung einer Lesben-Heldin in einem Disney-Film der Angstschweiß ausbricht. Ihr Standard-Argument: Wenn man so ein sexualisiertes Verhalten darstellt, könnten ihre Kinder ja homosexuell werden. Erstens: Sexualisiertes Verhalten? In einem Disney-Film, in dem sich auch ein heterosexuelles Pärchen maximal einmal küsst? Zweitens: Der Fernseher wird kaum mit einem „Bipedi Bapedi Bu“ ihr „normales“ Kind in ein lesbisches oder schwules Kind verwandeln wie die gute Fee aus Cinderella. Sonst gäbe es keine Homosexuellen, da die Medien von Hetero-Pärchen dominiert sind.
Aber es gibt sie doch. Und das ist der Punkt – Disney, bitte denkt an die LGBTQ-Kinder und Jugendlichen, die in jedem Disney-Film nur heterosexuelle Prinzen und Prinzessinnen sehen! Für sie wirkt es, als ob es „wahre Liebe“ nur zwischen Mann und Frau gibt. Falls es sie denn so kitschig wie in Disney-Filmen überhaupt gibt. Wenn die Kinder älter werden und Gefühle für das eigene Geschlecht entwickeln, sind sie verunsichert. Denn in Disney- und allen anderen Kinder-Filmen kommen solche Gefühle nicht vor. Mehr Repräsentation von LGBTQ-Charakteren würde ihnen helfen, ihre Sexualität zu verstehen und zu akzeptieren. Auch heterosexuelle Kinder müssen wahre Liebe zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau im Fernsehen kennenlernen – je früher, desto besser. Denn so beugt man schon im Kindesalter Vorurteilen gegenüber Homosexuellen vor. Vielleicht werden die Kinder dann auch weltoffener als manche Eltern.
Falls es euch Disney-Produzenten an Ideen für LGBTQ-freundliche Filme fehlt, hätte ich da ein paar Vorschläge: Wie wäre denn ein Aladdin-Remake, in dem sich Aladdin in den bösen Jafar verliebt und die beiden auf dem fliegenden Teppich abhauen? Oder eine neue Fassung von Schneewittchen – einer der Zwerge ist in Wirklichkeit eine Trans-Frau, die Schneewittchen mit dem Kuss der wahren Liebe wieder zum Leben erweckt? Na gut, das ist etwas zu krass. Für den Anfang.
Aber ein paar homosexuelle Nebenfiguren, die ihre Sexualität in mehr als nur einem Satz ausdrücken, wären ein guter Start. Und vielleicht könnte Elsa ja in einem dritten Teil von „Die Eiskönigin“ endlich eine Freundin bekommen. Dann könnten sich die beiden auch mal ganz unsexualisiert küssen. Aber das wäre ja schon hart an der Grenze. Was sollen denn die Eltern denken?
Einen weiteren Teil der Kolumne über LGBTQ-Themen findet ihr hier.