„Die Institution kann nur überleben, wenn die Menschen das Gericht als unabhängige Institution sehen. Diese Sichtweise wird in den USA leider immer geringer."
Zwischen Trumps Einfluss und schwindendem Vertrauen
Nach seiner Wiederwahl wird Donald J. Trump im Januar 2025 als 47. Präsident der USA vereidigt. Seine zweite Amtszeit könnte sich jedoch stark von seiner ersten unterscheiden. Laut dem Politikwissenschaftler Philipp Adorf, der über die republikanische Partei promoviert hat, tritt Trump heute entschlossener auf und ist nun besser auf das Regieren vorbereitet. Mit gezielten Ernennungen loyaler Minister setze er darauf, seine Agenda von Tag eins an umsetzen zu können.
Der Supreme Court als letzte Kontrollinstanz
Die US-Wahl 2024 hat nicht nur Trump zum Präsidenten gemacht – die Republikaner konnten auch die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus gewinnen. Mit dieser republikanischen Mehrheit und einem loyalen Kabinett hat Trump eine starke politische Grundlage, um seine Vorhaben durchzusetzen. Umso bedeutsamer wird hierdurch der Supreme Court als Kontrollinstanz. Aber wird er dieser auch gerecht werden?
Der Supreme Court ist die höchste gerichtliche Instanz in den USA und entscheidet über wichtige Fälle, die das Bundesrecht betreffen. Außerdem greift er ein, wenn Präsidenten gegen die Verfassung verstoßen. Derzeit besteht dieser aus neun Richter*innen, sechs konservativen und drei liberalen. Durch die Ernennung drei konservativer Richter*innen in Trumps erster Amtszeit hat sich das Gleichgewicht des Gerichts verschoben. Dieses Gleichgewicht ist jedoch essenziell, um als unabhängige Instanz wahrgenommen zu werden und ein festes Standbein in der Demokratie zu bilden. Adorf geht davon aus, dass Trump beim Nominieren der Richter vor allem auf ideologische Aspekte geachtet hat, weshalb Trump strategisch Richter*innen nominiert habe, welche die gleichen Ziele verfolgen wie er.
Trump versus United States
Laut Adorf können vorherige Entscheidungen des Gerichts, wie das Urteil zur präsidentiellen Immunität auf Trumps Antrag, Trump die Sicherheit geben, dass die Judikative auf seiner Seite stehe. In dieser Entscheidung hat das Gericht mit einer Mehrheit von sechs zu drei bestätigt, dass ein früherer Präsident nicht oder nur eingeschränkt für offizielle Handlungen während seiner Präsidentschaft strafverfolgt werden kann. Die Schwierigkeit ist jedoch, im Einzelfall festzustellen, ob es sich um eine offizielle oder inoffizielle Tat handelt. Zudem hat das Urteil erhebliche Auswirkungen auf Trumps laufende Prozesse, wie den Wahlbetrugsprozess in Georgia, welcher wahrscheinlich bis zum Ende seiner Amtszeit 2029 aufgeschoben wird.
Das Gericht hat dennoch auch Entscheidungen getroffen, die nicht Trumps Erwartungen entsprachen. Als die Republikaner versuchten, kurz vor der Präsidentschaftswahl die Wahlbestimmungen zu ändern, stoppte der Supreme Court diesen Versuch und ließ somit nicht zu, die Ergebnisse zu Trumps Vorteil zu manipulieren. Trump reagierte enttäuscht mit einem Tweet.
Vertrauen auf historischem Tiefstand
Russell A. Miller, US-amerikanischer Jurist und Hochschullehrer, sagte in einem Interview mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Politisierung des Supreme Courts und ideologisch geprägte Entscheidungen, hätten dazu geführt, dass viele Amerikaner dem Supreme Court und dessen Entscheidungen weniger Vertrauen schenken. Laut einer Umfrage des Pew Research Centers ist das Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung gegenüber dem Supreme Court auf einem historischen Tiefstand. Nur 47 Prozent der Amerikaner geben an, dem Gericht eine hohe Glaubwürdigkeit zuzuschreiben.
Laut Adorf wissen die Richter, wie es um ihre Institution steht und dem Vorsitzenden des Supreme Courts, Chief Justice John Roberts, ist es wichtig, wie Entscheidungen von der Bevölkerung angesehen werden. Die Macht des Supreme Courts beruhe darauf, dass die Menschen ihn unterstützen und seine Urteile akzeptieren – nicht, weil sie unbedingt mit den Urteilen einverstanden seien, sondern weil sie die Institution unterstützen und wissen, dass diese Instanz wichtig sei. Adorf sagt dazu: „Die Institution kann nur überleben, wenn die Menschen das Gericht als unabhängige Institution sehen. Der Teil, der diese Sichtweise hat, wird in den USA leider immer geringer.“
Ohne Mäßigung keine Vertrauenswiederherstellung
Das Vertrauen in die Regierung und die Politik ist durch Trump erheblich geschwächt. Wie kann also das Vertrauen in eine Demokratie wiederhergestellt werden, wenn der politische Gegner als enormer Feind und das höchste Gericht als parteiisch wahrgenommen wird? Laut Adorf gibt es kein Schlüsselerlebnis, welches das Vertrauen wieder aufbauen könnte. Auf langfristige Sicht sei eine Entpolitisierung, also dass die Bevölkerung das Gericht wieder als unabhängige Institution wahrnehme, im Land entscheidend. Hierfür müssten sich jedoch Politiker*innen beider Parteien mäßigen, was derzeit unwahrscheinlich erscheine.