"Mein Vermieter ist ein großer Aktienbetrieb. Ich habe keinen Ansprechpartner der sagt, oh, das tut mir alles leid. Die emotionale Schiene funktioniert da nicht."
"Wir sind Teil der Lösung"
Basti – wie geht’s dir heute?
Ganz gut – aber je mehr Zeit vergeht, desto mehr Bedenken bekommt man eben. Wir hatten zwar eine gute Ausgangsposition, als wir in die Pandemie reingegangen sind. Aber es gibt einfach keine echte Perspektive. Trotzdem bin ich mir sicher: wir kriegen das auf jeden Fall hin, das ist einfach eine Einstellungssache.
Dein Club, das Lehmann, muss seit März geschlossen bleiben. Wie kommt ein Club überhaupt damit zurecht?
Ich spreche für ganz viele Clubs: wir verdienen im Winter unser Geld und hoffen, dass im Sommer nicht alles wegschmilzt, was man sich aufgebaut hat. Bis nach dem Sommer sind deshalb die meisten wahrscheinlich ganz okay durchgekommen – aber jetzt wird es schon hart. Ich habe früh versucht, mit meinem Vermieter in Gespräche einzutreten. Ganz am Anfang hieß es: ne ne, das gibt’s nicht, so lange muss man durchhalten. Aber mit dem Lauf der Pandemie ist die Gesprächsbereitschaft sehr gestiegen. Mein Vorteil ist, dass ich den Laden schon sehr lange betreibe und die Miete immer pünktlichst gezahlt habe – wir sind also ein guter Mieter. Ich hab jedoch nur die mündliche Aussage, dass wir etwas hinbekommen, ich soll mir keine Sorgen machen. Aber ich habe halt kein Schriftstück dazu.
Wie hast du die letzten Monate dann überbrückt?
Ich habe mich mit großen Spendenaktionen ganz bewusst zurückgehalten. Ich glaube, wirkliche Hilfe haben ganz andere Leute noch nötiger. Merch war eine Sache, da bekommt jemand auch einen Gegenwert, wenn er ein T-Shirt von uns kauft. Aber im Endeffekt hat das gar nichts gebracht, das war eine reine Beschäftigungstherapie. Klingt ziemlich übel, ist aber so.
Welche Hilfen gab es denn für euch?
Die Soforthilfe im März war sehr gut und kam sehr schnell. Das hat kurzzeitig geholfen. Die Überbrückungshilfe 1 sollte dann 80 Prozent unserer Fixkosten bezahlen. Das hört sich toll an – aber angenommen, du hast als Fixkosten 20.000 Euro im Monat, fehlen dir halt immer noch ein paar Tausend Euro. Die Überbrückungshilfe 1 habe ich schon vor Monaten beantragt und sie ist noch immer nicht auf meinem Konto. Meiner Meinung nach sind auch die Novemberhilfen eine Art Bestechung: man besticht die Läden, die zumachen müssen, damit sie nicht klagen.
Hast du Angst um das Stuttgarter Nachtleben?
Das Nachtleben wird auf jeden Fall einen Schaden davontragen – zu 100 Prozent. Manche fallen bei den Hilfen durchs Raster. Aber auch die Vermieter brauchen eine Perspektive: sie haben schließlich auch Kredite, welche sie bezahlen müssen. Die Raten bezahlen sie von den Mieteinnahmen. Wenn die allerdings wegfallen, dann gerät auch ein Mieter in eine missliche Lage. Wenn das noch lange geht, werden irgendwann ein paar sagen: du bist zwar ein toller Mieter, aber ich habe hier jemanden, der kann Umsatz machen. Wir machen einen Aufhebungsvertrag und du bist raus. Und dann kommt eben zum Beispiel ein Lager von Porsche oder Daimler rein. Dann wieder neue Clubplätze zu erschließen ist sehr schwierig. Da geht es um Lärmschutz, Anwohnerbedenken und solche Dinge. Das heißt: wenn die Plätze verschwinden, die wir haben, dann wird sich unser Nachtleben wirklich schmälern.
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Zusammen mit dem Mitbesitzer des Kowalskis, Sasa Mijailovic, und Johannes Strachwitz von der Agentur 0711 hast du vor einigen Monaten schon ein Öffnungskonzept für Clubs entwickelt. Jetzt arbeitet ihr gerade an einem neuen. Was kannst du uns darüber schon verraten?
Alles, was die Freizeitkultur und die Freizeitwirtschaft betrifft – wir können die Lösung für das Problem sein. Denn wir können eine Sache: wir können infizierte Menschen mittels Schnelltest oder beispielsweise Tracing-Apps wie der Corona-Warn-App identifizieren. Das könnten wir in unser Hausrecht integrieren: jeder, der rein möchte, muss vorweisen können, dass er die Corona-Warn-App 14 Tage lang aktiv auf dem Handy hatte. Dazu müsste die App noch etwas angepasst werden. Aber heruntergebrochen: wir sind Teil der Lösung, wenn man Bewegung unter bestimmten Voraussetzungen wieder zulassen würde.
Das heißt, im Hintergrund laufen bereits Gespräche mit der Politik. Wann erwartest du da etwas Neues?
Auch die Politik möchte, dass wieder etwas geht. Aber die schwimmen gerade ganz schön – sie müssen sich auf eine Situation einstellen, die sie noch nie vor sich hatten. Das Ganze nimmt gerade Fahrt auf. Aber bis April oder Mai wird sich da erst mal nichts tun, so lange müssen wir uns einfach noch gedulden. Ich würde mich freuen, wenn wir nächstes Jahr im September wieder schrittweise öffnen dürfen.
Und was machst du bis dahin?
Viele meiner Kollegen konnten im Herbst schon wieder mit einem Barbetrieb öffnen. Aber meine Kunden, das sind Raver, die wollen tanzen. Wenn ich aufmache mit leiser Hintergrundbeschallung, dann würde ich den Vibe des Ladens zerstören. Wir haben aber einige andere Ideen: zum Beispiel einen Plattenladen. Bisher gibt es keinen elektronischen Plattenladen in Stuttgart! Da haben wir schon einen ganzen Raum umgestaltet. Damit kann ich kein Geld verdienen, aber wenigstens meine Mitarbeiter beschäftigen. Dank den Kontaktbeschränkungen steht dieses Projekt auf hold – jetzt warten wir einfach ab, was passiert. Dann könnten wir ein Soft Opening mit einem Plattenladen machen, irgendwann mit einem Kiosk und später dann vielleicht mit kleinen Veranstaltungen.
Ab Januar soll es in Stuttgart gleich zwei „Nachtbürgermeister“ geben, die das Bindeglied zwischen Nachtleben und Rathaus darstellen sollen. Was erhoffst du dir von der Stelle?
Ich erhoffe mir, dass das keine Beschwichtigungspostion wird. Das muss ein powervoller Typ oder eine powervolle Frau sein, die sich durchsetzen kann. Ich habe etwas Angst, dass sich die Gesprächsbereitschaft der Stadt schmälert und in Zukunft nur noch mit dem Nachtbürgermeister gesprochen wird. Das Ganze sollte nicht dazu benutzt werden, die öffentliche Meinung zu beschwichtigen: schaut her, wir sind doch in Gesprächen mit den Clubs. Meine Hoffnung ist, dass er wirklich etwas bewegen kann.
Wie können wir den Stuttgarter Clubs jetzt am besten helfen?
Ganz einfach: wählen gehen, seine Meinung öffentlich machen, seine Interessen und Wünsche laut äußern. Nur so kann den Clubs langfristig geholfen werden.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass wir im nächsten Jahr wieder starten können – oder zumindest eine echte Perspektive haben.
Vielen Dank für das Gespräch!