Kassenleistung – Alles nur Placebo?
Ein Rekorddefizit von 17 Milliarden Euro wird im kommenden Jahr bei den gesetzlichen Krankenkassen erwartet. Um höhere Kosten für die Versicherten zu vermeiden, ist vom Bundestag ein Gesetz erlassen worden, das unter anderem vorsieht, dass bei Medikamenten die Wirksamkeit künftig noch strenger geprüft wird. Hier könnte es auch zu Änderungen bei homöopathischen Arzneimitteln kommen.
Knappe sieben Millionen Euro sind im Jahr 2021 nach Angaben des Gesundheitsministeriums für homöopathische Arznei ausgegeben worden. Im Verhältnis zu den jährlichen Ausgaben von bis zu 20 Milliarden Euro für Medikamente, ist die Homöopathie also nur ein kleiner Teil. Dennoch häuft sich die Kritik über die Finanzierung der Homöopathie.
Aber was versteht man eigentlich unter homöopathischer Arznei?
Homöopathie vs. Wissenschaft
Wissenschaftlich gesehen gibt es keine anerkannten Studien, die der Homöopathie eine Wirkung, abseits des Placebo-Effekts nachweisen. Wegen dieses Kritikpunkts entschied man auf dem diesjährigen Ärztetag in Bremen, Weiterbildungen für Ärzt*innen im Bereich der Homöopathie zu streichen. Der Präsident der Ärztekammer Bremen, Johannes Grundmann, wies jedoch darauf hin, dass es sich dabei um kein Verbot von Homöopathie oder homöopathischer Arznei handelt. „Es ist aber Aufgabe der Ärztekammern, definierte und überprüfbare Lernziele festzulegen und abzuprüfen“, so Grundmann.
Für Krankenkassen, wie beispielsweise die AOK, spielt die Übernahme der Kosten jedoch eine wichtige Rolle. Denn sie müssen konkurrenzfähig bleiben. „Für Neukunden sind Homöopathie und Naturheilverfahren natürlich Leistungen, wegen derer sie zu uns wechseln“, erklärt die Innovationsmanagerin der Krankenkasse BBK VBU, Ellen Zimmermann gegenüber der Zeit. Aber nicht nur Kundenakquise und Kundenbindung sind Argumente für eine weitere Finanzierung. Für viele Deutsche sind homöopathische Mittel eine etablierte Alternative zur Schuldmedizin. Etwa jede*r Zehnte in Deutschland nimmt regelmäßig homöopathische Medikamente, zeigt eine Studie des Statistischen Bundesamts.
Wie sieht es die Politik?
In der Politik häufen sich allerdings die Stimmen, die die Finanzierung von Homöopathie durch die gesetzlichen Krankenkassen infrage stellen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), kritisiert bereits seit Jahren die Finanzierung von Homöopathie. Im Frühjahr begrüßte er zudem den Vorstoß der Ärztekammern keine Fortbildungen im Bereich Homöopathie mehr zu fördern: „Gute Medizin steht auf dem Boden der Wissenschaft. Für Homöopathie gibt es dort keinen Platz”, schrieb er in diesem Kontext auf Twitter. In einer solchen Frage müsse man Farbe bekennen, so Lauterbach weiter.
Zur aktuellen Debatte haben sich in unserem Podcast, „frag mal edit“, der Landtagsabgeordnete der SPD, Florian Wahl und Michaela Geiger, die erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte e.V. geäußert.
Dieser Beitrag ist Teil des Gruppendossiers zum Thema: Sollten Krankenkassen Homöopathie weiterhin finanzieren? In diesem Kommentar hat sich unsere Redakteurin Giulia Pirrello zu dem Thema geäußert.