Opposition

Volkspartei in der Identitätskrise

Im Bundestag gibt sich die CDU oft bissig in der Opposition
20. Jan. 2023
Kritik gehört zur Oppositionsarbeit, aber bei der Unions-Fraktion fällt diese in letzter Zeit oft besonders bissig und destruktiv aus. Liegt das an den zahlreichen innerparteilichen Problemen, die vor allem die CDU plagen? Ein Kommentar.

Veränderung ist etwas ganz Normales. Doch nicht jeder verträgt sie in den gleichen Dosen. Trifft etwa drastische Veränderung, wie plötzlich Opposition nach 16 Jahren Regierung, auf konservative Partei, ist mit Nebenwirkungen zu rechnen. Bei der Union zeigen sie sich in Form von teils völlig überzogener Kritik an der neuen Regierung.

Insgesamt gibt sich die Union in der Opposition bissig – und schlägt dabei auch gerne mal über die Stränge. Wie zum Beispiel mit dem Ampelchaos-Rückblick zum neuen Jahr auf Instagram. In Anlehnung an den Spotify-Jahresrückblick sollte damit die Regierungsarbeit der Ampel aufs Korn genommen werden. Konstruktive Opposition sieht anders aus. Zumal Kritik im Nachhinein einfach ist, wenn man den Beweis schuldig bleibt, dass man in der gleichen Situation besser gehandelt hätte.

 

Auch im Bundestag macht es die Union der Regierung zuweilen schwierig. So wurde das Bürgergeld, einer der wichtigsten Punkte im Koalitionsvertrag, dank der Union nur in stark veränderter Form verabschiedet – und hätte genauso gut komplett scheitern können. Die Union trifft zwar keine Regierungsentscheidungen mehr, über die Hintertür Bundesrat kann sie sich trotzdem weiter aktiv an der Politik beteiligen. Sie hätte aber ganz andere Probleme, denen sie sich widmen könnte.

Angefangen beim politischen Kurs: Nach 16 Jahren Merkel fehlt es der CDU an Profil. Noch immer ist nicht klar, wohin die Reise bis zur nächsten Bundestagswahl gehen soll. Zum einen ist da noch das Lager der Merkel-Hinterbliebenen, das auch weiterhin Politik für die Mitte machen will. Andererseits sehen die Erzkonservativen in der Partei jetzt ihre Chance gekommen, mit der CDU wieder ein ordentliches Stück nach rechts zu rücken. Friedrich Merz ist es bisher gelungen, mit einem halsbrecherischen Slalomkurs beide Lager zu bedienen. Etwa, als er auf dem gleichen Parteitag eine Frauenquote einführte und kurz danach bei ukrainischen Flüchtlingen von „Sozialtourismus“ redete.

Viele der Missstände, die die Union anprangert, sind zudem nicht in einem Jahr Ampel-Regierung entstanden. Ein schlecht ausgebautes Schienennetz, die Abhängigkeit von russischem Gas und die daraus resultierende Wirtschafts- und Energiekrise: Zu diesen Dingen wurden die Weichen viel früher und unter Mitarbeit der Union gestellt. Umso wichtiger wäre es für die Union, die eigenen Verfehlungen der Vergangenheit aufzuarbeiten, statt wahllos an der Regierung zu sägen. Denn eine Regierung, die handelt, kann Fehler machen, eine weitere Regierung unter Unions-Beteiligung, die 16 Jahre auf der Stelle tritt, braucht dagegen niemand. Statt also jede Möglichkeit zur Kritik wahrzunehmen, sollte die Union lieber an ihren Inhalten arbeiten, um es in Zukunft selbst besser zu machen.