„Sie werden niemals so viel verdienen wie ein Mann.“
Der Ruf nach Chancengleichheit
Egal ob auf der Arbeit oder im Privatleben: Frauen müssen weltweit selbst im 21. Jahrhundert noch um ihre Rechte kämpfen. Auch im modernen Europa mangelt es an Gleichberechtigung, dabei ist die ganze Geschichte so alt wie die EU selbst. Bereits 1957 wurde in den Gründungsverträgen der Europäischen Union festgelegt, dass Frauen und Männern bei gleicher Arbeit das gleiche Gehalt zusteht. Dennoch verdienten laut Eurostat die europäischen Frauen im Jahr 2016 im Durchchnitt 16 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Edeltraud Walla kann das nur zu gut nachempfinden. Durch einen Zufall erfuhr die 61-jährige Werkstattleiterin und Beauftragte für Chancengleichheit an der Uni Stuttgart, dass sie in ihrer Anstellung ganze 1.200 Euro brutto weniger verdient als ihr damaliger Kollege in gleicher Position. Jahrelang kämpfte die gelernte Schreinermeisterin für eine faire Bezahlung im Job und klagte sogar bis zum europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dafür, gleich entlohnt zu werden wie ein Mann in gleicher Position. Doch die Bemühungen blieben vergebens, denn die Klage wurde auch in der letzten Instanz zurückgewiesen.
Mit diesen Worten konfrontierte sie ihr damaliger Chef. So musste sie schon 1984, während ihrer ersten Anstellung als technische Zeichnerin feststellen, was es heißt, aufgrund des Geschlechts benachteiligt zu werden. Sie verdiente auch hier deutlich weniger als ihr männlicher Kollege. Als Grund nannte ihr Chef, dass ihr Kollege im Gegensatz zu ihr ja schließlich mal eine Familie ernähren müsse.
Fast 35 Jahre später kämpfen Frauen in Europa noch immer gegen die typischen Rollenverteilungen. Es herrscht nicht nur beim Gehalt eine Ungleichheit, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Laut der Statistikbehörde Eurostat sind die Frauen größtenteils immer noch für den Haushalt zuständig, nur etwa ein Drittel der Manager in der EU sind weiblich und Frauen sind häufiger als Männer von Altersarmut betroffen, da diese viel in Teilzeit arbeiten. Des Weiteren gelten Tampons in vielen Ländern Europas als Luxusartikel, da diese oft hoch versteuert werden. Natürlich sind das längst nicht alle Missstände, die noch behoben werden müssen.
Maja Wegener von der Menschenrechtsorganisation für Frauen Terre des Femmes sieht in der aktuellen Entwicklung in Europa einen Rückgang für die Gleichberechtigung:
Die Europäische Union kämpft für Chancengleichheit
Damit solche Zukunftsaussichten nicht Wirklichkeit werden, stärkt auch die Europäische Union die Frauen in der Gleichberechtigung. Mit dem 2006 gegründeten Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) schlug die EU den Weg für ein gleichberechtigtes Europa ein. Das Institut soll die Mitgliedsstaaten der EU dabei unterstützen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben und gegen Sexismus vorzugehen. Des Weiteren veröffentlicht das EIGE den sogenannten Gender Equality Index. Hierbei werden alle EU-Mitgliedsstaaten anhand verschiedener Faktoren auf die Gleichstellung im Land bewertet. Ein hoher Wert ist hierbei ein Zeichen für viel Gleichberechtigung. Bewertet werden die Bereiche: Arbeit, Gehalt, Wissen, Zeit, Macht, Gesundheit und Gewalt gegenüber Frauen.
Spitzenreiter im aktuellen Index 2017 ist Schweden. Das ist kein Wunder, denn das Land im Norden gilt schon seit Jahren als Vorzeigestaat in Sachen Gleichberechtigung. Väter in Teilzeit, Wickeltische auf den Männertoiletten oder komplette Unisex-Toiletten – in Schweden nichts Neues.
Gleichberechtigung kommt auch Männern zugute
Das wissen auch die schwedischen Männer zu schätzen, denn unter der Ungerechtigkeit der Geschlechter leiden nicht nur Frauen. Auch Männer werden durch eine altmodische Rollenverteilung benachteiligt. So wünschen sich beispielsweise laut dem Väterreport 2016 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fast 80 Prozent der Väter in Deutschland, dass sie mehr Zeit für ihre Familien haben. Doch auch andere Länder machen Fortschritte. Im streng katholischen Irland wurde erst kürzlich in einem Referendum gegen das Abtreibungsverbot gestimmt, in Deutschland dürfen sich Frauen und Männer seit diesem Jahr über das Gehalt ihrer Kollegen in ähnlicher Position erkunden und Island hat als erstes Land weltweit die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen gesetzlich festgeschrieben.
„Das sind erste Schritte, aber es müssen noch ganz viele folgen!“, sagt Edeltraud Walla zu den aktuellen Entwicklungen in Europa. „Wir müssen uns zusammen tun und sagen: Nicht mit uns! Es ist jetzt 100 Jahre so gelaufen, aber wir sind im 21. Jahrhundert und ab heute bekommen wir genau das Gleiche.“ Eines steht jedenfalls fest: Es gibt Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber das Gehalt sollte nicht dazu gehören.