Trendgetränke 3 Minuten

Wirtschaftlicher Höhenflug: Aperol auf der Überholspur

Zwei trendbewusste junge Frauen aus Gen Z mit Aperol Spritz Getränk in der Hand.
Das Trendgetränk Aperol Spritz ist ein beliebtes Foto-Accessoire von jungen Erwachsenen. (Symbolbild) | Bild: Nadja Stauß
15. Mai 2024

Sommer, Sonne, Aperol — der Markt boomt und wir Konsumierende sind nur Marionetten an Fäden des Getränkemarkts. Doch was beeinflusst die Wahl unseres Cocktails? Werden die teuren Trendgetränke das Feierabendbier bald ablösen? 

Sommerabend. Die Bar wirkt einladend, aus Kommiliton*innen werden Freund*innen und das wird zelebriert. Sekundenschnell entscheidet man, welches Getränk es für den besonderen Moment sein soll. Unauffällig sieht man sich um und erkundet das bunte Treiben. Eine Gruppe trinkt Bier. Am Nebentisch fällt es ins Auge – das orange schimmernde, dickbauchige Glas voll mit Erinnerungen an den letzten Sommer. Es ist Zeit sich etwas zu gönnen. Eigentlich wollte man nur ein günstiges Getränk, aber der Orangensaft für hippe Erwachsene würde perfekt in den Feierabend-Sommer-Vibe passen. Also zahlt man locker zehn Euro, trotz Studierendenbudget. 

Ob man diese Entscheidung freiwillig trifft oder unbewusst raffinierten Marketingstrategien erliegt, sollte man bei den steigenden Preisen einmal mehr hinterfragen.

Frau die Aperolglas in die Kamera hält.
Geheimrezept für Geschmack und Farbe: Rhabarber, Chinarinde, Gelber Enzian, Bitterorange, Kräuter sowie Lebensmittelfarbstoffe und bittersüßes Aroma. | Quelle: Nadja Stauß
Bild mit Aperolgläsern vor schwarzem Hintergrund.
Trendgetränk Aperol Spritz — das Auge trinkt mit. | Quelle: Nadja Stauß

Absatz von Aperol steigt international

Die Campari Group verzeichnete nach eigenen Angaben im Jahr 2023 durch deren Marke Aperol ein organisches Wachstum von rund 23 Prozent, also 24 Prozent des Gesamtumsatzes.

Organisches Wachstum

Organisches Wachstum meint das interne Unternehmenswachstum durch Nutzung eigener Ressourcen und Kapazitäten. Dazu gehören etwa Erweiterung der Produktionskapazitäten, Erschließung neuer Märkte oder die Steigerung der Effizienz. 

Trotz ungünstigem Wetter in Europa gegen Ende des Jahres erwirtschaftete Campari ein Plus, insbesondere in den Kernmärkten in Europa. Durch Preisanpassung und verstärktem Konsum verzeichnete Aperol ein zweistelliges Wachstum weltweit. In den Vorjahren von 2018 bis 2022 wuchs Aperol um rund 24 Prozent, wie die Analyse von Euromonitor veröffentlicht durch Drinks International bekanntgab.

In der Getränkeindustrie werden Standardgrößen für den Absatz von Getränken verwendet. So wird der Inhalt einer Standard-Weinkiste oft in Neun-Liter-Einheiten (nine liter cases) angegeben, was insgesamt 12.750 Milliliter entspricht. Das ermöglicht Herstellenden und Verkaufenden, den Absatz ihrer Produkte zu verfolgen. Zusätzlich erleichtert es Gastronom*innen die Bestellung und Abrechnung ihres Bedarfs.

Weltweiter Absatz von Aperol von 2018-2022 als Infografik
Die Infografik zeigt den Absatz von Aperol weltweit von 2018-2022. Beispielsweise wurde 2022 weltweit rund 8,8 Millionen Einheiten Aperol zu je 9 Liter Volumen verkauft.

Getränketrends sind generationsabhängig

Maite Hegemann ist Junior Managerin im Employer Branding einer der führenden Brauereien in Deutschland. Hegemann erklärt sich die Getränketrends anhand der unterschiedlichen Generationen. Der Alkoholkonsum junger Menschen gehe zurück, da die Leute allgemein gesundheitsbewusster werden. „Der Biermarkt schrumpft seit Jahren etwas“, sagt Hegemann. Früher hätte man noch viel mehr Bier getrunken, heute würden die jüngeren Leute Aperol als Lifestyle-Getränk trinken. „Wir sind alle absolut trendabhängig“, so Hegemann. 

„Wir sind alle absolut trendabhängig.“

Maite Hegemann, Junior Managerin im Employer Branding bei einer Brauerei

Fußball EM: Ein Dämpfer für Aperol?

Der Absatz von Aperol ist nach der Übernahme im Jahr 2003 durch die Campari Group signifikant gestiegen. Selbst während der COVID-19-Pandemie halfen Strategien das Getränk erfolgreich zu positionieren. So verlagerten Marketingexpert*innen Ihren Schreibtisch nach Hause und drehten etwa Youtube Tutorials übers Cocktail-Mixen. Zusätzlich wurde das neugeweckte Interesse der Kund*innen, Spiritousen online zu kaufen, genutzt und 49 Prozent des E-Commerce Unternehmens Tannico aufgekauft. 

CEO Bob Kunze-Concewitz hat Aperol zur größten Marke Camparis weiterentwickelt. April diesen Jahres verabschiedete sich Kunze und reichte sein Amt an den stellvertretenden Geschäftsführer Matteo Fantacchiotti weiter.

Hegemann sagt, um wirklich in Erinnerung zu bleiben, müsse man irgendetwas Besonderes an sich haben. Ob der Geschmack, wie bei Jägermeister die Kräuter, oder die Optik, wie die Farbe des Getränks bei Campari und Aperol. 

Das habe für Campari gut funktioniert, als sie Aperol aufgekauft haben, erklärt Hegemann weiter. Campari ist die Dachmarke, die alle Angebote, so auch Aperol, unter einem einheitlichen Markennamen zusammenführt.

Dachmarkenstrategie

Der Vorteil einer Dachmarkenstrategie ist es, den Kund*innen eine Auswahl zu bieten und trotzdem die gleiche Menge Geld zu erwirtschaften, egal für welches Produkt diese sich letztendlich entscheiden.

So haben sie die Zielgruppe ausgebaut. Campari für die Generation unserer Eltern, Aperol für die jungen Leute. Da Aperol ein großes Alleinstellungsmerkmal durch Geschmack und Farbe bietet, ist es auf dem Markt aktuell beinahe konkurrenzfrei. Daher konnte das Unternehmen Campari auch mit dem Preis spielen und auf eigens organisierten Festivals oder in Bars den Preis in die Höhe treiben, um Spritzgetränke für die Zielgruppe als hipp zu inszenieren. Doch keine Marke ist ein Selbstläufer. Auch wenn man einzigartig ist, bedeutet das nicht, dass man sich im hart umkämpften Getränkemarkt zurücklehnen kann. „Marketingmäßig ist es das Schlimmste, aufzuhören, wenn es gut läuft“, betont Hegemann. 

Während gutes Marketing den Absatz fördert, sind äußere Faktoren entscheidend, so auch das Wetter und Veranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft 2024. „Was den Getränkemarkt immer ankurbelt, ist gutes Wetter und Sonne. Da trinken die Leute mehr Alkohol. Wenn bei der kommenden EM die Deutschen weit kommen, wird auch mehr Bier getrunken. Beim Public Viewing mit Bitburger als Hauptsponsor wird man gegen Ende des Jahres wieder eine Biertendenz merken“, sagt Hegemann. Für die Brauereien ein Hoffnungsschimmer nach rückläufigem Bierabsatz durch Pandemie und erhöhtem Kostendruck. 

Was ist eigentlich ein Aperitif?

Der ursprüngliche Nutzen des herb-bitteren Likörs ist es, vor dem Essen Appetit anzuregen. Zusätzlich wird er zur Begrüßung von Gästen angeboten. 

Claudia Cortinovis aus Italien lebt seit fünf Jahren in Deutschland und erzählt:

„Italiener treffen sich nach dem Feierabend mit anderen Leuten und trinken Aperitif, so wie die Deutschen Kaffee trinken gehen. Das macht jeder, wir Italiener sehen das als Kultur, das Konzept: man zahlt etwa sieben Euro und bekommt zum Aperol Spritz kleine Snacks wie Oliven serviert.“

 

Gehört Glück zum Erfolg dazu?

„Ich glaube, man kann nie so viel Glück haben, dass es von allein läuft“, so Hegemann. Im Getränkebereich ist es schwierig, den Markt neu zu erfinden. Entweder man ist einzigartig oder man geht über den Preisvorteil. So gibt es auch günstigere Alternativen wie Bitterol von Lidl und Apice von Aldi. „Das ist aber nicht die Marketingstrategie, die wir schön finden“, meint Hegemann. 

Wenn eine Marke beliebt genug ist, kann sie in Kooperation mit Gastronom*innen wenig geben und viel nehmen. Man handelt Schritt für Schritt aus, bis es für beide Seiten passt. Beispielsweise ist es bei Bier meistens so, dass Gaststätten einen Vertrag mit einer bestimmten Getränkemarke abschließen. Der Außendienst der Marke sorgt für die Rundumerfahrung — mit passenden Gläsern und Sonnenschirmen. Ein Gewinn für beide Kooperationspartner. Die Gastro freut sich, wenn sie sich keinen Schirm kaufen muss und für die Getränkemarke bedeutet es extreme Sichtbarkeit durch Produktplatzierung.

Wer wird das Rennen gewinnen?

Campari gab am 19. April 2024 die neue Abfüll-Anlage bekannt, die ausschließlich Aperol gewidmet ist, um der wachsenden weltweiten Nachfrage nach dem orangenen Tropfen gerecht zu werden. Somit wird die Produktionskapazität von Aperol im größten Produktionszentrum der Gruppe Novi Ligure verdoppelt. 

Trotzdem zeigt die Statistik des Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz) über den Alkoholkonsum der Deutschen seit 1995 bis 2021 vor allem bei Männern einen sehr deutlichen Vorsprung von Bier. 

Wie auch immer sich die Trends mit den Spritzgetränken zukünftig entwickeln – im lebhaften Geschehen der Bar wird den Kommiliton*innen klar, das Feierabendbier wird zumindest bei uns Deutschen nicht so schnell als Dauerbrenner abgelöst werden.