Dossier

Wie politisch ist Sport?

Dass Sport ohne Politik nicht auskommt, äußert sich in vielerlei Hinsicht. Konflikte sind dabei nicht zu vermeiden.
11. Juli 2022
Politik bildet die Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Auf Bereiche wie Kultur und Wirtschaft hat sie einen großen Einfluss. Doch wie sieht es im Sport aus: Spielt Politik auch dort eine Rolle?

Weil Politik und Sport eng miteinander verbunden sind, kann es zu Konflikten kommen. Daher entscheiden sich Verbände und Sportler*innen immer wieder, nicht an sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen. Wir geben euch einen Überblick über die wichtigsten Boykotte bei Olympischen Spielen. Im Podcast und Video sprechen wir außerdem mit Experten und gehen näher auf die Hintergründe ein.

Olympische Boykotte von 1928 bis 1956.

Die britischen Leichtathletinnen boykottierten die Olympischen Sommerspiele 1928 in Amsterdam. In diesem Jahr durften Frauen erstmals bei den Olympischen Spielen teilnehmen. Allerdings wurden sie erst mit Verzögerung eingeladen und durften nur in fünf Disziplinen teilnehmen. In der olympischen Geschichte ist dieser Boykott der Einzige, der aus Gründen des Geschlechts stattfand.

Im Jahr 1936 nutze Hitler die Olympischen Spiele in Berlin für seine Nazipropaganda und zur Ablenkung von den Taten des Nationalsozialismus. In den USA sah es danach aus, als stimme die Mehrheit der „Amateur Athletic Union”, eine Organisation die sich für den Amateur-Sport einsetzt, für einen Boykott der Spiele. Dieser wurde aber durch Avery Brundage, dem damaligen Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), verhindert. Er verschob die Abstimmung und holte weitere Delegierte dazu. Mit 58 zu 56 Stimmen setzte er sich schließlich durch und die USA traten bei Olympia an. 

Die Olympischen Spiele 1956 in Melbourne wurden von der Suezkrise und Aufständen in Ungarn überschattet. Ägypten, der Libanon und der Irak boykottierten die Spiele wegen des Konflikts am Suezkanal. Spanien, Niederlande und die Schweiz traten nicht an, da es Aufstände in Ungarn gab, die von der Sowjetunion gewaltsam niedergeschlagen wurden. Trotzdem nahmen sowjetische Athlet*innen an Olympia teil. 

Bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal fehlten 16 afrikanische Länder aus Protest, weil Neuseeland den internationalen Sportbann gegen das Apartheidregime Südafrikas, also das Prinzip der Rassentrennung, gebrochen habe. Bereits vor Olympia hatten die Rugby-Nationalmannschaften beider Länder gegeneinander gespielt. Es gab wenig Verständnis für den Boykott der Staaten, da Neuseeland aus Sicht des International Olympic Comittee (IOC) nicht gegen die olympischen Regeln verstoßen hatte und man keinen Einfluss auf den Wettkampf in einer nichtolympischen Sportart nehmen könne.

Im Podcast betrachten unsere Redakteur*innen Rebecca und Moritz das Thema Boykott näher. Dafür haben sie mit Dr. Kristian Naglo (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Sporthochschule Köln) und Friedhelm Julius Beucher (Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes) gesprochen. 

Mit über 60 fehlenden Ländern gehen die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau als größter Boykott in die olympische Geschichte ein. Hintergrund war der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan im Dezember 1979. Die USA forderten als erste Nation einen Boykott und die Verlegung der Spiele. Dem Aufruf der USA folgten neben Großbritannien und Kanada auch 36 islamische Länder. Das IOC beschloss allerdings, dass nur die NOK der jeweiligen Länder berechtigt seien, über eine Teilnahme zu bestimmen - nicht die Regierungen selbst. Das NOK der USA stimmte deshalb unter Druck der Regierung und gegen den Willen der meisten Sportler*innen für einen Boykott. Nach heftigen Debatten blieb schließlich auch die Bundesrepublik Deutschland den Spielen fern, die DDR nahm teil. Die Folgen des Fernbleibens waren vor allem an den finanziellen Schäden zu erkennen. Die erhoffte politische Wirkung blieb allerdings aus. Vier Jahre später revanchierten sich die Sowjetunion und 14 weitere kommunistische Staaten bei den Olympischen Spielen in Los Angeles mit einem Boykott ihrerseits.

Nordkorea boykottierte 1988 die Olympischen Spiele in Seoul, da das Land nicht als Co-Gastgeber berücksichtigt wurde. Aus Solidarität blieben auch Äthiopien, Kuba und Nicaragua den Spielen fern.

Olympische Boykotte von 2004 bis 2014

Der iranische Judoka Arash Miresmaeili weigerte sich bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen gegen den Israeli Ehud Vaks zu kämpfen. Mit diesem Boykott wolle er gegen die israelische Haltung im Nahostkonflikt protestieren.

Als Peking zum Austragungsort der Olympischen Spiele 2008 gewählt wird, kam es zu lauten Protesten. Erstmals sollten die Spiele in China stattfinden, einem Land, das laut Amnesty International weltweit die meisten Todesurteile vollstreckt. Nach Zensurmaßnahmen Chinas gegen kritische Webseiten plante die Organisation „Reporter ohne Grenzen” einen Boykottaufruf. Auch Menschenrechtsorganisationen riefen dazu auf. Allerdings kam es dazu letzendlich nicht.

In Deutschland wurde heftig gegen eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2014 im russischen Sotschi protestiert. Gründe dafür waren zum einen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen, sowie das 2013 in Russland erlassene Gesetz gegen Homosexualität. Bundespräsident Joachim Gauck blieb den Spielen fern. Auch Frankreichs Präsident François Hollande, US-Präsident Obama, sowie der britische Premierminister David Cameron reisten nicht nach Sotschi.

Wie bereits 2008 wurde auch 2022 gegen die Olympischen Winterspiele in Peking protestiert. Die Menschenrechtslage in China hat sich nicht verbessert, immer noch werden ethnische und religiöse Minderheiten wie Tibeter*innen und Uigur*innen unterdrückt. Die USA, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien schickten keine politischen Vertreter*innen nach China und auch auf Seiten der EU blieben zahlreiche Politiker*innen den Spielen fern, unter anderem Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock. Die Sportler*innen aller Länder nahmen allerdings an den Winterspielen teil.

Im selben Jahr, kurz vor den Paralympischen Winterspielen in Peking erfolgte ein erneuter Angriff Russlands auf die Ukraine. Wie sich dieser Angriffskrieg auf die Paralympics in Peking auswirkte und wie Politik den Sport beeinflusst, ordnet ZDF-Experte und ehemaliger Parathlet Matthias Berg ein:

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