Corona

Vereinssport im Lockdown: „Wieso wird uns das, was hilft, genommen?“

Mannschaftsfotos wie dieses gehören seit Beginn der Corona-Pandemie der Vergangenheit an.
04. Febr. 2021
Homeschooling, Einschränkung der sozialen Kontakte und Zukunftsangst – Corona macht es den Kindern und Jugendlichen derzeit nicht leicht. Einen Ausgleich könnte Vereinssport bieten, doch seit Beginn der Pandemie bleiben die Türen verschlossen. Die richtige Entscheidung?

Schule aus und ab nach Hause. Der Schulranzen wird durch die Sporttasche ausgetauscht, bevor es mit der besten Freundin ins örtliche Vereinszentrum geht. So oder so ähnlich sah der Alltag von unzähligen Jugendlichen in Deutschland aus. Bis Corona kam. Denn seit dem Lockdown ist alles anders. Der neue Alltag: Schlafen, Essen, Homeschooling. Keine Möglichkeit mehr, seine Freunde zu treffen, selbst ein normaler Schulalltag ist undenkbar und: Gerade das Vereinsleben musste bereits zu Beginn des Lockdowns eingeschränkt werden.


Mit dem Homeschooling wurde bisher eine passende Möglichkeit zum Unterrichtsersatz gefunden. Der Sport wird jedoch vernachlässigt. Genau der ist laut Sportpädagogin Anne Hansen* aber besonders wichtig für Kinder und Jugendliche. „Sowohl der Sportunterricht als auch der Vereinssport leisten einen ganz wichtigen Beitrag zur Entwicklungsförderung von Jugendlichen.“ Dabei geht es zum einen um die körperliche und psychische Gesundheit, vor allem aber auch um das Erlernen sozialer Kompetenzen. Im Verein lernen Kinder und Jugendliche mit Sieg und Niederlage umzugehen, Konflikte zu lösen und Freundschaften zu pflegen. Außerdem vermittelt eine Vereinszugehörigkeit Kindern bereits im jungen Alter Werte wie Teamgeist, Respekt und Disziplin. Vereinssport ist also nicht nur wichtig für die Gesundheit, sondern auch für das spätere Leben und mit rund 24 Millionen Mitgliedern sogar eine Art deutsches Kulturgut.

„Mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht und ich weiß nicht wohin mit mir.“

Sam, 17-jährige Schülerin

Eines dieser Mitglieder ist die 17-jährige Sam. Ihr Alltag wird von Vereinsmitgliedschaften bestimmt. „In normalen Zeiten bin ich mindestens fünfmal die Woche unterwegs“, sagt die Gymnasiastin. Montags und mittwochs Gardetanz, dienstags Tischtennis, freitags Klavierunterricht und am Wochenende Turniere oder Auftritte. Diese Routine fehlt nun. „Zurzeit bin ich einfach nur traurig und fühle mich eingesperrt“, sagt sie und ergänzt, „auf einmal hat sich mein Leben um 180 Grad gedreht und ich weiß nicht wohin mit mir.“ Dabei wird deutlich: Sam nimmt die Pandemie ernst, auch weil ihre Mutter Risikopatientin ist. „Aber ich verstehe nicht, wieso uns das, was uns helfen kann, weggenommen wird.“


Dass die Förderung der Gesundheit gerade in Pandemiezeiten wichtig ist, ist unter Expert*innen unumstritten. Tatsächlich sind die Zahlen bei Jugendlichen derzeit aber alarmierend. Eine Studie am Universitätsklinikum Münster hat ergeben, dass körperliche Aktivitäten bei Heranwachsenden während der Kontaktbeschränkungen signifikant abgenommen haben. Die Gruppe der Kinder, die sich in dieser Zeit fast gar nicht mehr bewegt haben, hat sich auf circa 25 Prozent verfünffacht.


Die Folgen können dabei dramatisch sein und betreffen sowohl psychische als auch körperliche Bereiche. Deshalb betont Hansen, die Eltern seien nun wichtiger denn je, und merkt an: „Kinder und Jugendliche brauchen diese soziale Unterstützung durch Schul- und Vereinssport gerade in der jetzigen Zeit.”

Eine Mitgliedschaft im Verein fördert die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auf verschiedenen Ebenen | Quelle: Dunja Fadel

Wie dieser trotz Pandemie weitergeführt werden kann, zeigen andere europäische Länder. Während in den Niederlanden Vereinssport weiterhin erlaubt ist, haben viele europäische Länder zumindest den Schulsport in den Online-Unterricht integriert. Das geschehe laut der Sportpädagogin in Deutschland zwar noch zu selten, Sportvereine oder Fitnessstudios haben aber vielerorts ein umfassendes Online-Angebot geschaffen. So auch der Sportverein der 17-jährigen Sam. Einmal in der Woche treffen sich die Vereinsmitglieder online, um sich gegenseitig zu motivieren und sportlich zu betätigen.


„Ich bin froh, dass mein Verein diese Möglichkeit anbietet“, sagt Sam. „Vergleichen kann man das Ganze aber natürlich nicht.” Deshalb kann es die 17-Jährige kaum erwarten, wieder mit ihrer Mannschaft zu trainieren, zu jubeln und sogar zu verlieren, wenn es sein muss. Denn gemeinsam funktioniert all das – genauso wie die Pandemiebekämpfung – immer noch am besten.

 

* Name von der Redaktion aus persönlichen Gründen geändert