Fußballer mit Vorbildfunktion
Samstag, 16. Mai, 15.30 Uhr. Erster Spieltag nach der Corona-Zwangspause. Hertha BSC Berlin gastiert bei der TSG Hoffenheim und gewinnt mit 3:0. Nach dem dritten Treffer springt Vedad Ibisevic auf den Rücken des Torschützen Matheus Cunha. Dabei gab es klare Vorgaben der Deutschen Fußballliga, dass Torjubel nur in geringem Maße stattfinden sollen. Ein Abklatschen mit dem Ellbogen sei ok, mehr aber nicht. Die Spieler, die als Vorbilder agieren, sollen nichts machen, was der Rest der Nation nicht auch darf. Abstandsregel, zumindest beim Jubel.
Der Re-Start der Bundesliga war ohnehin ein umstrittenes Unterfangen. Natürlich ging es hierbei nicht um Millionen von Euro, die die Vereine dadurch einnehmen. Nein, nein. Es geht doch vor allem darum, den deutschen Bürgern etwas zurückzugeben. Um den tristen und langweiligen Corona-Alltag für 90 Minuten zu vergessen, sollen nun 22 Spieler dem Ball hinterherjagen. Fans im Stadion, die Stimmung machen: Fehlanzeige. Spannend.
Nur blöd, wenn auch die Profis selbst vergessen, dass es da einen Virus gibt, der höchstansteckend ist und die Welt zum Stillstand gebracht hat. Kann ja mal passieren. Natürlich ist man nach einem Tor euphorisiert, der Ellbogen-Check - hier im guten Sinne – reicht aber doch angesichts der Lage völlig aus. So blöd kann keiner sein, diese Regel zu brechen.
Man kann so blöd sein. Aber kann ja mal passieren. Ganze 74 Minuten lang hatten sich die Spieler von Hertha im Griff. Applaus. Obwohl, bei den vorherigen Toren bildeten sich ebenfalls Spielertrauben. Naja, kann ja mal passieren. Da ist anderen Fußballern schon Schlimmeres passiert.
Mehrere Jahre lang mit dem teuren Sportwagen zum Training fahren, dabei aber gar keinen Führerschein besitzen. Kann ja mal passieren. Kurz mal das Alter im Pass ändern, damit man in der Jugend Vorteile gegenüber den Konkurrenten hat. Kann ja mal passieren. Oder aber die Eskapaden eines gewissen Kevin G. Minderjährige auf eine Party-Tour mitnehmen und im Rotlicht-Milieu enden. Kann ja mal passieren. In eine Hotel-Lobby urinieren. Kann ja mal passieren. Mit einem Döner nach einem Mann werfen. Kann ja mal passieren. Ist eben ein Skandalmagnet.
Fußball-Profis haben eine Vorbildfunktion. Millionen Menschen schauen sich an, wie sie gegen ein rundes Leder treten. Tausende folgen ihnen in den sozialen Medien. Was sie machen wird oftmals von Jugendlichen nachgeahmt. Wie könnte der Alltag der Fans nach solch einer Situation aussehen? Ohne Mundschutz in den Supermarkt. Kann ja mal passieren. Dem Kassierer ins Gesicht husten. Kann ja mal passieren. Die hundert besten Kumpels treffen, sich mit Umarmung und Küsschen rechts, Küsschen links begrüßen. Kann ja mal passieren. Das dürfen die Fußballprofis doch auch. Warum soll ich das nicht dürfen? Vorbildfunktion.
So gern ich diesen Sport anschaue, auch jetzt bei Geisterspielen, das kann und darf nicht passieren.
Einen weiteren Teil der Kolumne Versteh einer die Fußballer findet ihr hier.