Ja zu Umweltschutz – Nein zu Fleisch?
Kohlekraftwerke schließen und die Deutschen wählen in der diesjährigen Europawahl grüner: Die Klimakrise ist im Alltag präsent. Ein Rückgang des Fleischkonsums wäre daher eine logische Schlussfolgerung, denn die Produktion tierischer Produkte schadet der Umwelt. Doch ist diese Veränderung Realität?
Das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz ist langsam gestiegen. Das zeigt eine repräsentative Studie des Bundesumweltministeriums 2018, die gemeinsam mit dem Umweltbundesamt herausgegeben wurde. Die Befragten messen der Thematik ähnlich viel Bedeutung bei wie den Top-Themen Bildung und soziale Gerechtigkeit. Das hat Gründe: Über 90 Prozent der Befragten schätzen den Umweltzustand als schlecht ein. Als bedeutend erachtet, wird beispielsweise die Umweltbelastung durch den Straßenverkehr.
Die Grafik zeigt: Immer mehr Deutsche finden, dass dem Umweltschutz mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Den hohen Wert in der Studie 2012 könnte der Atomunfall 2011 in Fukushima erklären.
Doch die Bevölkerung ist unzufrieden mit der Politik: Laut den Befragten leisten diejenigen, die eine Veränderung bewirken können, nicht genug, um dies auch tatsächlich zu tun. Die Menschen sehen sich vermehrt verpflichtet, eigene Beiträge zu leisten und aktiv zu werden. Immerhin 33 Prozent stimmen in der Studie 2008 voll und ganz zu, dass durch umweltbewusstes Alltagsverhalten wesentlich zum Klimaschutz beigetragen werden kann. Doch die Befragung zeigt auch, dass es für viele Menschen bisher nicht vorstellbar ist, Fleisch und andere tierische Produkte aus dem Speiseplan zu streichen.
Fünf Millionen Tonnen Fleisch
Das spiegelt sich in den Zahlen wider: 60 Kilogramm Fleisch verzehrte jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr 2017. Dabei hat das, was auf dem Teller landet, einen erheblichen Einfluss auf unsere Umwelt. Die Produktion tierischer Produkte trägt laut der UN-Organisation FAO mit 14,5 Prozent der weltweit verursachten Treibhausgase maßgeblich zur Erderwärmung bei. Ein Kilogramm Rindfleisch benötigt bei der Herstellung rund 15 000 Liter Wasser, zeigt die Organisation Water Foodprint Network. Die Umweltbewusstseinsstudie führt an: „Durch eine fleischlose Ernährung können die Klimabelastungen, die insgesamt vom Lebensmittelkonsum ausgehen, um gut ein Drittel reduziert werden."
Fast fünf Millionen Tonnen Fleisch werden In Deutschland jährlich insgesamt konsumiert, zeigt die Albert Schweitzer Stiftung. Von 2000 bis 2007 ist der Pro-Kopf-Verbrauch zwar gesunken, doch 2013 lag er wieder auf einem hohen Niveau, über dem aus dem Jahr 2000. Warum jedoch sinkt die Menge nur geringfügig, obwohl das Umweltbewusstsein ansteigt? Steht für die Bevölkerung Fleischkonsum nicht im Zusammenhang mit Umweltbelastung?
Das Bewusstsein für diesen Zusammenhang ist erst in den letzten Jahren gestiegen. Auch in der Umweltbewusstseinsstudie ist ersichtlich: Seit 2012 wird der Fleischkonsum als entscheidender Faktor erwähnt und ab 2014 explizit danach gefragt. In den Jahren davor behandelt die Studie das umweltbewusste Alltagsverhalten in Hinsicht auf Strom oder Kraftstoffe. Möglich ist also, dass der Fleischkonsum in Bezug auf Umweltschutz zu dieser Zeit noch kein präsentes Thema war. Oder aber, dass die Studie es noch nicht aufgenommen hatte.
Bereitschaft zu weniger Fleisch
Trotzdem geht der Konsum von Fleisch langsam zurück. Nach Ansicht des Fleischerverbandes ist das auf gesellschaftliche Entwicklungen zu einer weniger fleischlastigen oder fleischfreien Ernährung zurückzuführen. Genauso spielen dabei Lebensmittelskandale sowie ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein eine Rolle, zeigt die Gesellschaft für Konsumforschung. Rund ein Drittel der Haushalte ordnet sich mittlerweile als Flexitarier ein, konsumiert also nur hin und wieder Fleisch. Auch wenn einige sich einen Umstieg auf eine fleischlose Ernährung noch nicht vorstellen können: Viele sind aufgeschlossen, ihre Essgewohnheiten auf eine Weise zu ändern, die besonders für Umwelt und Klima förderlich ist.
Diese Bereitschaft ist über die Jahre gestiegen, zeigt die Umweltbewusstseinsstudie: Wo 2014 ein Fünftel der Befragten angab, dass sie Fleisch sehr selten (einmal in der Woche oder seltener) verzehren, so legen 2016 schon 67 Prozent mindestens jeden zweiten Tag einen fleischfreien Tag ein. Der Anteil derer, die gänzlich auf tierische Produkte aus dem Speiseplan streichen, hat sich zudem auf vier Prozent verdoppelt. Im Jahr 2018 gaben schon mehr als ein Viertel der Befragten an, dass sie zeitweise oder dauerhaft auf Fleisch oder weitere tierische Produkte verzichtet haben. Die Mehrheit würde dies auch wieder tun.
Insgesamt zeigt sich über die Jahre, dass überwiegend Frauen keine tierischen Produkte konsumieren: 2018 waren es beispielsweise ein Drittel der Frauen, bei den Männern lag der Anteil bei nur 23 Prozent. Generell sind jüngere Altersgruppen sowie Personen mit höherer Bildung offen für vegetarische oder vegane Ernährungsstile. Außerdem sinkt die Häufigkeit des Fleischkonsums mit zunehmendem Alter und steigt mit wachsenden Einkommen.
Konsumverhalten im Alltag
Zum Vergleich wird die Entwicklung des Konsumverhaltens in anderen Bereichen herangezogen. Ist auch hier das Verhalten im Alltag in Hinblick auf Nachhalitigkeit und Umweltschutz gleich geblieben?
Es ist deutlich ersichtlich, dass die Anzahl der Privat- und Gewerbekunden von Ökostrom gestiegen ist. So waren es schon 2011 rund 3,2 Millionen Ökostrombezieher. Auch in der Umweltbewusstseinsstudie wird die Anzahl in Prozent aufgeführt. Waren im Jahr 2000 nur zwei Prozent Ökostrombezieher unter den Befragten, so waren es 2012 schon 20 Prozent.
Ebenso steigt der Absatz an Bio-Lebensmitteln seit 2000 stetig an. Diese Entwicklung zeigt auch die Studie. Dort steht 2012 in diesem Zusammenhang, dass „das Umweltbewusstsein im Ernährungsbereich hoch ist“ – doch der Fleischkonsum wurde nicht untersucht.
Unbekannte Umweltschäden?
Die Bereitschaft, klimaverträglicher zu handeln, ist also vorhanden. Das Wissen der hohen Umweltbelastung durch Fleisch hingegen scheint nur langsam ins Bewusstsein der Gesellschaft zu sickern. Schon 2006 führt die Umweltbewusstseinsstudie an, dass sich nur zwei Prozent der Befragten sehr gut über die Umweltverträglichkeit von Produkten informiert fühlt.
Und auch diejenigen, die darüber Bescheid wissen, handeln oft nicht dementsprechend. Die Zentrale für politische Bildung erklärt, dass oftmals die antrainierte Konsumkultur nicht aufgegeben oder verändert werden will. Die Mehrheit schließt sich daher der als normal suggerierten Verhaltensweise der Bevölkerung an. Häufig verhalten sich jedoch gerade diejenigen klimaverträglich, die keine Ambitionen zum Klimaschutz haben: Weil sie keine finanziellen Mittel haben, um beispielsweise zu fliegen oder Auto zu fahren. Ein Umweltbewusstsein muss folglich nicht ein umweltfreundliches Verhalten nach sich ziehen.
Der Fleischkonsum der Deutschen ist also nicht klimaverträglich. Die Bereitschaft zum Wandel nimmt zwar zu, sie spiegelt sich aber noch nicht in den Zahlen wieder. Und auch ein Bewusstsein für die Folgen sowie eine Verhaltensänderung setzt sich nur mühsam in Gang. Die Umweltbewusstseinsstudie resümiert: „Die landwirtschaftliche Produktion kann nur dann nachhaltig neu ausgerichtet werden kann, wenn die Bevölkerung ihr Ernährungs- und Konsumverhalten ändert." Denn wie seit jeher gilt: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.