Totgesagte leben länger
Kaufhäuser sterben langsam aus. Daher saß der Schock nicht tief, als die letzte große Warenhauskette Galeria Kaufhof zum dritten Mal in Folge Insolvenz beantragte. Doch diesmal sollte der Schuss sitzen: 47 der noch verbliebenen 129 Kaufhäuser sollen bis spätestens zum 31. Januar 2024 schließen. Was übrig bleibt sind ratlose Arbeitskräfte, Kommunen und Kund*innen. Der Betriebsrat von Kaufhof findet klare Worte: „Dies ist ein rabenschwarzer Tag“. Das kann man so unterschreiben. Eine kollektive Schließung aller Warenhäuser wird die Probleme aber nicht lösen können. Kaufhäuser gehören schlichtweg zu unserer Alltagskultur und wenn sie jetzt aus unseren Innenstädten verschwinden, verschwindet das Kauferlebnis mit ihnen.
Um es klarzustellen: Dem Online-Handel werden die Kaufhäuser nicht den Kampf ansagen können. Doch während Amazon wie eine sterile Einkaufsplattform fungiert, finden in Kaufhäusern tagtäglich soziale Interaktionen statt. Hier bekommt jede*r eine persönliche Beratung und hat die Ware unmittelbar vor Augen. Und an welchem Ort sonst kann man innerhalb weniger Schritte Wachsmalstifte, Nischendüfte und Le Creuset-Töpfe besorgen? Kaufhäuser sind jedoch nicht nur dazu da, um Waren einzukaufen. Es sind Orte der Begegnung. Sie sind der Notausgang für die gesellschaftliche Filterblase, in der es oft zu viel wird. Dabei ist es wichtig, unterschiedliche Eindrücke zu erlangen – vor allem nach Zeiten von Social Distancing.
Ein veraltetes Modell?
Ist das Modell inzwischen veraltet? Laut einer Umfrage von Statista lautet die Antwort: Ja. Im Jahr 2000 gaben 38,3 Prozent der Befragten an, in den letzten sechs Monaten in einem Kaufhaus einkaufen gewesen zu sein. 20 Jahre später waren es nur noch 24,2 Prozent. Das Konzept Kaufhaus funktioniert schon lange nicht mehr. Corona und Inflation dürfen daher nicht alleine als Gründe für die Misere gelten. Hier handelt es sich eindeutig um ein gesellschaftspolitisches Problem. Kaufhäuser sind nicht mehr attraktiv genug. Die brachiale Infrastruktur imponiert nicht mehr. Und genau da liegt das Problem: Kaufhäuser müssen schlichtweg schrumpfen. Es wird Zeit die riesigen Flächen zu vermieten und Kooperationen mit Start-ups oder lokalen Einzelhändler*innen einzugehen. Auch der Kaufhaus-Look braucht ein Umstyling. Die grauen Metallblöcke wirken trist und leblos. Das KaDeWe in Berlin zeigt, dass es weitaus ästhetischer geht.
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Zeit, was zu ändern
Für die Kaufhäuser muss es also heißen: Zurück zu den Wurzeln. Zur alten Stärke finden heißt aber nicht so vorzugehen wie in den letzten Jahrzehnten. Ein modernisiertes Konzept ist vonnöten. Wie das Kaufhaus der Zukunft aussehen kann, zeigt die Stadt Oldenburg: Dort entstand aus einem leerstehenden Warenhaus ein neues mit dem Namen „Core“. Core bietet seine Flächen für Food-Courts, Coworking-Spaces oder Events. Weiterbildungen finden dort ebenso statt. Sie haben verstanden, mit der Zeit zu gehen. Für kleine und mittelgroße Städte ist es besonders wichtig neuartige Konzepte wie diese zu entwickeln. Das bietet ihnen die Möglichkeit, Kaufhäuser künftig ein neues Gesicht zu geben. Gebäude abreißen ist nämlich keine dauerhafte Lösung. Die Kaufhäuser wurden in der Vergangenheit oft für tot erklärt. Doch Totgesagte leben länger. Und auch nach zwei überstandenen Krisen können es die Kaufhäuser ein drittes Mal schaffen.