Use it or lose it!
Rewire Your Brain
Das Herz rast, die Hände zittern und während sich im Magen ein flaues Gefühl ausbreitet, setzt der Fluchtinstinkt ein. Und dann, kurz nachdem die Situation überwunden wurde oder sich schlichtweg als harmlos herausgestellt hat, ist wieder alles gut. Neue Dinge sind im ersten Moment immer mit Nervosität verbunden, aber stellen sich im Nachhinein meist als positiv heraus.
Um zu erleben was passiert, wenn man regelmäßig mit neuen Herausforderungen konfrontiert wird, haben wir in einem Selbstversuch sieben Tage lang jeden Tag etwas ausprobiert, was wir noch nie zuvor getan haben. Dabei hat es sich um ganz unterschiedliche Dinge gehandelt: von sozialen Aktivitäten über sportliche Herausforderungen bis hin zu Kleinigkeiten, die wir einfach immer schon einmal ausprobieren wollten, ist alles mit dabei.
Im Audiobeitrag kannst du dir anhören, wie unsere Selbstversuche gelaufen sind. Klick dafür einfach auf die jeweilige Challenge.
Damit du dir auch ein Bild von unserer jeweiligen Woche machen kannst, zeigen wir dir in der Bilderstrecke ein paar Impressionen von unseren persönlichen Challenges.
Wie wir uns dabei gefühlt haben, ist auf Abläufe in unserem Gehirn zurückzuführen. Probierst du neue Dinge aus, sind das meist unkontrollierbare Situationen, bei denen deinem Gehirn das Gefühl von Sicherheit entzogen wird. Das führt dazu, dass das Stresszentrum im Gehirn aktiviert wird. Dabei finden die Aufnahme und Bewertung von Stresssignalen ihren Weg über den Cortex und das limbische System zum Hypothalamus. Dort entsteht die Stressreaktion.
Was bei Stress im Gehirn wo genau abläuft, kannst du dir in folgender Grafik anschauen.
Bei der Stressreaktion werden die Hormone Cortisol und Adrenalin ausgeschüttet. Cortisol ist auf der einen Seite anregend, reguliert aber auf der anderen Seite Adrenalin. Somit kann Cortisol auch eine überschießende Stressreaktion abschwächen.
Aber nicht jeder Stress ist schlecht. Wie in der folgenden Abbildung verdeutlicht, wird zwischen Eustress und Distress unterschieden. Der positive Eustress entsteht bei Herausforderungen, die zu persönlichem Wachstum führen. Werden Herausforderungen jedoch vom Gehirn als nicht bewältigbar empfunden, spricht man vom schädlichen Distress. Diese Art von Stress tritt auch dann auf, wenn das Gehirn unterfordert ist, wie es zum Beispiel bei immer gleichen Routinen im Alltag der Fall ist.
Neben dem Auslösen des Eustresses wird durch positive Herausforderungen auch das Belohnungszentrum aktiviert und Dopamin ausgeschüttet. Dopamin ist ein Botenstoff im Gehirn. Er ist unter anderem für Motivation, Neugierde und Begeisterung verantwortlich. Je mehr Dopamin sich im Gehirn findet, desto neugieriger und veränderungsbereiter sind wir – je weniger, desto ängstlicher agieren wir. Das bedeutet also, dass durch häufiges Ausprobieren von neuen unbekannten Dingen das Dopamin-Level zunimmt. Unser Verhalten kann dadurch das Gehirn beeinflussen. Dieses Phänomen trägt den Namen Neuroplastizität. Es gilt:
Umgekehrt läuft das Zwischenspiel von Verhalten und Veränderungen folgendermaßen im Gehirn ab: In unserem Gehirn gibt es ca. 100 Milliarden Nervenzellen. Jede von diesen Nervenzellen hat bis zu 15.000 Verbindungen zu anderen Nervenzellen. Diese Verbindungen, über die Impulse übertragen werden, heißen Synapsen. Du kannst sie dir wie einen Trampelpfad vorstellen. Umso mehr Impulse über eine Synapse laufen, also je häufiger du den Weg gehst, desto stärker wird die Synapse und desto leichter hat es der nächste Impuls, weitergeleitet zu werden. Das kannst du dir so vorstellen, dass dieser Weg immer breiter und begehbarer wird, sodass du schneller vorankommst.
Demnach werden die Verbindungen im Gehirn auch wieder abgebaut, wenn sie nicht regelmäßig im Gebrauch sind oder erregt werden. Das menschliche Gehirn ist in seiner Vernetzung einzigartig und entwickelt sich stetig unabhängig vom Alter.
"So ist das Gehirn im Alter von 60 Jahren noch so leistungsfähig in Bezug auf das Lernen, wie das Gehirn im Alter von zehn Jahren."
Dies konnte Dr. Moritz Helmstaedter vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in seiner Forschung belegen. Das bedeutet, dass wir bis ins hohe Alter unsere individuellen Muster für Denken, Fühlen und Handeln bewusst verändern können.
Es ist uns nicht nur möglich, die Verbindungen unserer Nervenzellen zu beeinflussen, sondern auch die Funktionen dieser. Beispielsweise kann sich eine Dopamin ausschüttende Zelle so verändern, dass sie Wachstumsvorgänge hemmt. Wir können uns Neugierde und Begeisterungsfähigkeit demnach nicht nur an-, sondern auch abtrainieren.
Also mach öfter mal etwas Neues, damit dein Gehirn neugierig, motiviert und offen für Neues bleibt! Stell dir vor: Was würde mit unserer Gesellschaft passieren, wenn jeder von uns sein Gehirn regelmäßig herausfordern würde? Könnten wir so nicht nur unser eigenes Gehirn, sondern auch Schritt für Schritt die gesamte Gesellschaft ein Stück toleranter und offener machen?
Damit es nach dem guten Vorsatz nicht an guten Ideen scheitert, haben wir eine Liste mit einigen Ideen zusammengestellt. Viel Spaß beim Ausprobieren!
10 Dinge, die du ausprobieren kannst
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Kreiere einen neuen Look und beobachte die Wirkung auf andere
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... oder zieh etwas an, was du lange nicht mehr getragen hast
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Gestalte deine Freizeit anders: statt abends vor dem Laptop oder dem Fernseher zu sitzen, probiere etwas Kreatives aus
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Mach einer fremden Person ein Kompliment
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Probiere eine neue Brot- oder Müslisorte zum Frühstück
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Ruf einen Tag lang alle Leute an, statt ihnen zu schreiben
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... oder starte ohne Smartphone in den Tag
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Stell deine Möbel um
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Trau dich an eine neue Sportübung
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Versuch einen neuen Weg zu nehmen: zur Hochschule zum Beispiel