„Bei Pflanzen gilt: Weniger ist mehr.“
Phytotherapie - Unterstützung aus der Natur
Die Phytotherapie, also die Heilung oder Linderung von Beschwerden durch Pflanzen, hat eine lange Tradition. Schon der griechische Arzt und Lehrer Hippokrates nutzte pflanzliche Zubereitungen zur Behandlung von Krankheiten, aber auch im alten Rom und im Mittelalter wurden natürliche Heilmittel und vor allem Heilpflanzen eingesetzt.
Pflanzen helfen nicht nur bei körperlichen Beschwerden
Während früher fast ausschließlich Pflanzen und deren Zubereitungen zur Heilung von Krankheiten verwendet wurden, hat sich mit der vollständigen künstlichen Herstellung von Arzneimitteln im 20. Jahrhundert die Schulmedizin durchgesetzt. Obwohl herkömmliche Arzneimittel auch heute noch überwiegend verbreitet sind, bevorzugen laut Statistik der Verbrauchs-und Medienanalyse VuMA immer mehr Menschen Medikamente mit pflanzlichen Bestandteilen. Im Jahr 2018 nutzten in Deutschland von insgesamt 2.000 Befragten rund 49 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer ab 18 Jahren Phytotherapie (Statistik: Pronova BKK, Seite 9).
Vor allem bei psychischen Beschwerden glaubt die Mehrheit der Deutschen an die Wirksamkeit von pflanzlichen Zubereitungen. Das bestätigt auch Expertin Anuschka Riebel-Seifried: „Gerade ätherische Öle wirken einerseits körperlich und andererseits immer auch auf die Psyche. Das ist bei einem Medikament nicht so.“ Die Wirkungsweise bei ätherischen Ölen sei besonders transparent für die Nutzer*innen, da immer eine genaue Auflistung der körperlichen wie psychischen Auswirkungen dabeistehe, so Riebel-Seifried. Sie ist Aroma-Expertin, also durch eine Ausbildung mit abschließender, ärztlich geprüfter Facharbeit spezialisiert auf ätherische Öle.
Efeu gegen Husten und Rhabarber bei Verstopfung?
Bei der tatsächlichen Wirkung von Phytotherapie ist sich die Wissenschaft uneinig. Zwar gibt es zahlreiche Studien dazu, deren Ergebnisse allerdings bei gleicher Fragestellung nicht einheitlich sind. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, kurz: HMPC) teilt die nachgewiesene Wirksamkeit der Pflanzen bei bestimmten Erkrankungen in sogenannte Monografien ein. Dabei wird zwischen „traditional use“ (TU) und „well-established-use“ (WEU) unterschieden.
Das „Committee on Herbal Medicinal Products“ (HMPC) der European Medicines Agency (EMA) erstellt Monografien zu pflanzlichen Arzneimitteln und teilt sie in die Kategorien „well-established-use“ (WEU) und „traditional use“ (TU) ein. Diese Einordnungen müssen die Länder bei der Zulassung der Arzneimittel zwar nicht streng einhalten, sie sind aber eine rechtliche Empfehlung, von der nur in Ausnahmefällen und mit besonderer Begründung abgewichen werden soll.
WEU bedeutet, dass das Mittel länger als zehn Jahre in der EU genutzt wird und die Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien bestätigt wurden.
TU bedeutet, dass das Mittel länger als 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in der EU verwendet wird und es mit überzeugender Wirkung registriert ist, es aber nicht genug Beweise zur Wirksamkeit und Sicherheit gibt.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung
Efeublatt hat beispielsweise den WEU-Status gegen Husten und Erkältung. Arnikablüte hat währenddessen nur den TU-Status bei Schmerzen und Entzündungen. Rhabarber erhält bei Verstopfung den WEU-Status. Auch Gewürze wie Minze oder Rosmarin werden als Heilpflanzen bei Magen-Darm-Erkrankungen eingesetzt und erhalten den TU-Status. Von den insgesamt 120 Monografien im Jahr 2014 erhielten nur etwa ein Fünftel den WEU-Status.
Laut Arzneimittelgesetz müssen auch pflanzliche Herstellungen behördlich zugelassen werden und unterliegen strengen Standards in Bezug auf ihre Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Phytopharmaka würden bereits in der Schulmedizin eingesetzt und seien auch im Medizinstudium ein Thema, erklärt Dr. Sandra Müller*. „Man muss übrigens ganz klar die beiden Begriffe Komplementärmedizin von der Phytotherapie abgrenzen. Phytopharmaka müssen Qualitätsstandards entsprechen und enthalten definierte Mengen eines Wirkstoffs.“ Dadurch könne auch die Wirksamkeit und die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen kontrolliert werden, so Müller.
Komplementärmedizin oder auch Alternativmedizin bezeichnet Behandlungsmethoden, die sich als Alternative zur wissenschaftlich begründeten Medizin verstehen.
Dazu zählen zum Beispiel Akupunktur oder Homöopathie.
Für die meisten alternativmedizinischen Therapien kann keine pharmakologische Wirkung nachgewiesen werden, weshalb einige Verfahren auch den Pseudowissenschaften zugeordnet werden.
Bei Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage...
„Bei Pflanzen gilt: Weniger ist mehr“, erklärt Aroma-Expertin Riebel-Seifried. „So lange man in der pflegerischen Dosis bleibt, sind keine Nebenwirkungen spürbar.“ Man dürfe natürlich nicht überdosieren, sonst könne es auch zu Kopfschmerzen oder Hautausschlägen kommen.
Viele erhoffen sich durch die Phytotherapie eine sanftere und vor allem nebenwirkungsfreie Methode zur Heilung ihrer Krankheiten. Bei der Einnahme pflanzlicher Mittel treten zwar seltener Nebenwirkungen auf, komplett frei davon sind sie allerdings nicht. Insbesondere Allergiker*innen sind gefährdeter und auch wenn man gleichzeitig andere Medikamente einnimmt, sollte man aufpassen.
Da die meisten Phytopharmaka rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind, sollte man immer genau die Packungsbeilage lesen und im Notfall eine*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in zu Rate ziehen. „Natürliche Mittel sind nicht grundsätzlich gesünder. Sie können durchaus sehr gefährliche Wirkungen auslösen und unserem Organismus schaden“, erklärt Müller.
„Natürliche Mittel sind nicht grundsätzlich gesünder.“
Auch Expertin Anuschka Riebel-Seifried rät bei einigen Fällen zunächst zu einem Arztbesuch: „Wenn jetzt jemand anruft, der sagt, er habe schon seit zwei Wochen unheimliche Bauchschmerzen, dann sage ich auch, er solle erstmal zum Arzt und dann können wir zusätzlich noch mit pflanzlichen Mitteln unterstützen.“
*Der Name der Expertin wurde geändert, die Identität ist der Redaktion bekannt.