„Zu wirksamer Medizin braucht es keine Alternative ...“
Blutiges Schröpfen
„Manche Bilder sahen echt schmerzhaft aus, aber ich habe den Schritt gewagt und bereue es überhaupt nicht.“ So lautet die Aussage der Patientin Hatice Erkan, die sich nach einer guten Beratung für die Behandlungsmethode des blutigen Schröpfens entschied. Es sei sehr gut gegen ihre Verspannungen und Rückenschmerzen gewesen und sie könne nun ihren Alltag schmerzfrei überwältigen.
Das Schröpfen ist eine uralte, weltweit bekannte Technik der Alternativmedizin zur Reaktivierung der Durchblutung des menschlichen Körpers. In Deutschland wurde ein ähnliches Verfahren bereits im Mittelalter unter dem Namen „Aderlass“ in der Klostermedizin verwendet.
Schröpfen soll gut für die Anregung der Durchblutung sein, da sich durch die Behandlung die Blutzellen im Körper neu bilden. Doch nicht jede Person darf und kann diese Technik anwenden. Für Schwangere, Diabetiker und an einer Blutanämie leidende Personen ist das blutige Schröpfen durchaus gefährlich. Außerdem kann unprofessionelles Schröpfen zu problematischen Folgen wie Infektionen führen. In Deutschland dürfen deshalb nur lizenzierte Heilpraktiker blutiges Schröpfen an Patienten ausführen. Um diese Lizenz zu erhalten, müssen sie im Voraus eine Ausbildung erfolgreich bestehen.
Für alle Patienten, die auf der Suche nach einer weniger blutigen Alternative sind, gibt es auch das trockene Schröpfen. Hierbei wird dieselbe Technik angewendet, jedoch werden die zu behandelnden Stellen nicht im Voraus geritzt.
Wer darf schröpfen?
Hyun-Sook Yang-Dröge ist eine ausgebildete Heilpraktikerin aus Stuttgart. An der Schule für ganzheitliche Heilkunde in Stuttgart lehrt sie als Dozentin unter anderem auch das Schröpfen. Sie findet, dass die Alternativmedizin für viele Patienten die bessere Methode zur Behandlung verschiedener Krankheiten, wie zum Beispiel Asthma, sei. Der Unterschied zur Schulmedizin sei laut Yang-Dröge, dass die Alternativmedizin auf das Gesamtbild eines Patienten achte und nicht nur bestimmte Symptome behandeln würde. Außerdem ist sie davon überzeugt, dass die Alternativmedizin in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinne, da viele Patienten sich von ihren Hausärzten nicht ausreichend behandelt fühlen würden.
Bringt die Alternativmedizin nur Vorteile mit sich?
Die Allgemeinmedizinerin Natalie Grams vertritt eine kritische Meinung gegenüber der Alternativmedizin. Bis 2015 war sie ebenfalls eine Heilpraktikerin und übte alternativmedizinische Behandlungsmethoden aus. Als die Alternativmedizin entwickelt wurde, beschreibt sie, brachte die Schulmedizin mehr Schaden als Hilfe mit sich. Ihre Begründung hierfür ist, dass verschiedene Verfahren wie Aderlässe und Ähnliches bei ohnehin schwachen Patienten zu schwerwiegenden Folgen führten, beispielsweise, dass sie diese Therapien nicht überlebten.
Die heutige Alternativmedizin belege ihrer Meinung nach nicht ihre Heilversprechungen. Grams rät besonders das Ablehnen von wirklich wirksamen Therapien, wie zum Beispiel Impfungen, aufgrund von pseudomedizinischen Methoden ab. Dies sei sehr gefährlich. Sie versteht die Schulmedizin, also die wissenschaftsbasierte Medizin, als die Summe aller Mittel und Methoden, die nachweislich wirksam seien. Laut ihr erzielen immer mehr Gebiete wie die Krebstherapie Erfolge, obwohl das vor einigen Jahrzenten unmöglich zu sein schien. Daher ist sie für die Form der Schulmedizin, die bestrebt sei, sich kontinuierlich weiter zu entwickeln.
Für die Alternativmedizin wünscht sie sich in Zukunft Ehrlichkeit. Es sei fatal, wenn Patienten aufgrund ihres Glaubens an die Alternativmedizin auf eine tatsächlich wirksame Therapie verzichten würden. Laut Grams müssten sich Patienten gar nicht erst auf die Suche nach einer Alternative zur modernen und wirksamen Medizin machen, wenn sie sich in der Schulmedizin besser aufgehoben und ernst genommen fühlten. Trotzdem könne die Schulmedizin in Bezug auf den Umgang mit Patienten vieles von der Alternativmedizin lernen. Wie Yang-Dröge findet sie ebenfalls, dass sich die Alternativmedizin nicht nur auf die einzelnen Symptome fokussiere, sondern den Menschen hinter dem Patienten wahrnehme.