Elektro-Mobilität

E-Scooter auf Abwegen

E-Scooter nach der Bergung aus dem Rhein bei Köln – statt um eine umweltfreundliche Alternative zum Auto, handelt es sich hier um umweltschädlichen Sondermüll.
24. März 2022
Praktisch, sauber und umweltfreundlich sollen sie sein: E-Scooter. Doch was einen positiven Beitrag zur Verkehrswende versprach, gerät immer mehr in die Kritik – zu Recht! Ein Kommentar.

Abenteuer und Spaß bei flexibler, umweltfreundlicher Fortbewegung, ganz egal wann und wo! Seit 2019 versprechen E-Scooter-Anbieter genau das. Doch was zunächst wie eine glanzvolle Erfindung auf zwei Rädern scheint, entpuppt sich nun als Fiasko. Vor drei Jahren nannte der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den E-Scooter noch „eine echte zusätzliche Alternative zum Auto“ (dpa). Er solle das Problem der verkehrsverstopften Innenstädte lösen und die Autofahrten reduzieren. Dieses Ziel wurde jedoch bisher meilenweit verfehlt. Denn Untersuchungen zufolge ersetzen nur 5,5 Prozent der E-Scooter-Fahrten jene mit dem Auto.

Folglich fördern E-Scooter die Bequemlichkeit – als wären wir nicht schon bequem genug.

Sarah Liebers

Fast jeder Dritte der Befragten wäre gar nicht erst unterwegs gewesen. Ebenso erstaunlich ist, dass mehr als die Hälfte der Nutzer*innen den Weg eigentlich zu Fuß zurückgelegt hätten. Folglich fördern E-Scooter die Bequemlichkeit – als wären wir nicht schon bequem genug. Sie sind somit kein umweltfreundlicher Ersatz, sondern eher ein überflüssiges Zusatzangebot oder ein reines Freizeitvergnügen. Mittlerweile sieht das auch Stuttgarts Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ein. So bezeichnete er kürzlich den elektrischen Tretroller in einem Interview mit dem SWR als bloßes „Spaßobjekt“.

Auch auf dem Land zeigen sich die Schwächen

Selbst auf dem Land, wo E-Scooter eine zeitgemäße Alternative sein könnten, schaffen sie mehr Probleme als Chancen: Zunächst müssen die Landesregierung und Anbieter in den Aufbau von einer Infrastruktur mit ausreichend Lade- und Parkmöglichkeiten investieren. Doch ob sich das lohnt, ist fraglich: Wege mit Kopfsteinpflaster sind schwer befahrbar und der Transport von Einkaufstaschen ist auf dem E-Scooter ungünstig. Stattdessen sollten Länder und Kommunen das Geld in die bereits bestehenden Alternativen zum privaten Auto stecken, um diese attraktiver zu machen – denn bei gut ausgebautem ÖPNV, Fahrrad- und Fußwegen wären E-Scooter überflüssig.

Problem für Mensch und Umwelt

E-Scooter verhelfen also weder zu einem Umdenken, noch bringen sie die erhoffte Verkehrswende in den Städten. Sie lösen das Problem der zahlreichen Pendler*innen nicht, die sich morgens durch die verstopften Innenstädte quälen. Im Gegenteil, es entstehen eher weitere Probleme: Wer sich gegen den Komfort eines elektrischen Tretrollers entscheidet, bekommt den Hindernislauf quasi gratis dazu. Die Städte sind übersät von den wahllos hingeworfenen, falsch geparkten E-Scootern. Das stellt eine schwerwiegende Gefahr, besonders für Seh- oder Gehbehinderten, dar. Somit schränken diese Fortbewegungsmittel andere Formen der Mobilität ein.

 

Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV) rief die Aktion „Gelbe Karte" ins Leben. Die Schilder sind mittlerweile auch in zahlreichen anderen Städten, wie hier in Stuttgart, zu finden.
Mit Tauchanzug und Seilen holt die Bürgerinitiative KRAKE immer wieder E-Scooter aus dem Rhein. Hier waren es 30 Stück.

Zudem nimmt auch die Umwelt Schaden, wenn die E-Scooter beispielsweise in Flüssen oder Seen landen. Allein in Köln bargen Taucher*innen 2021 mehr als 200 E-Scooter aus dem Rhein. Obwohl die Arbeiten über Monate andauerten, vermutet die Umweltorganisation KRAKE viele weitere versenkte Fahrzeuge. Doch Vandalierer*innen scheinen dabei die Folgen für die Umwelt nicht zu bedenken: Chemikalien und Schwermetalle, die aus der Batterie austreten, verseuchen die Gewässer.

Um das Ziel einer Verkehrswende zum Wohle der Umwelt zu erreichen, braucht es viel mehr als dieses Trendfahrzeug. Nach drei Jahren sollte klar sein: Der E-Scooter kann das Bedürfnis nach umweltfreundlicher Mobilität in der Bevölkerung bisher nicht befriedigen. Kurzum, seine positiven Eigenschaften sind mehr Schein als Sein.