Wasserball 4 Minuten

„Mein Wunsch wäre mehr Offenheit“

Eine Frau versucht einen Wasserball zu werfen, wird aber von dem Gegner geblockt.
Seit sechs Jahren spielt Carmen Wasserball - als einzige Frau in ihrer Mannschaft. | Quelle: Julia Rist
11. Dez. 2023

Carmen spielt Wasserball. Das Besondere: Sie ist im Wasser alleine unter Männern. Das ist ihre Geschichte über Leidenschaft, aber auch über die Herausforderungen, denen sich Frauen in männerdominierten Sportarten stellen müssen. 

Das Wasser sprudelt, es riecht nach Chlor. Im Hallenbad fliegt ein Ball durch die Luft. Ein Pfiff ertönt. Auf dem Wasser schwimmen zwei Tore. Unter den vielen Badekappen, die man im Wasser sieht, stecken Männer, die angestrengt dem Ball hinterherjagen. Doch unter einer dieser Kappen verbirgt sich das Gesicht einer Frau – Carmen. Seit sechs Jahren ist sie Mitglied in der Mannschaft. Ihre Geschichte zeigt jedoch, dass es immer noch nicht leicht ist für Frauen, sich in männerdominierten Sportarten zu behaupten.

Carmens Begeisterung für den Sport hat schon früh begonnen. „Mein Vater ist ebenfalls Wasserballer, dadurch habe ich schon früh Wasserballspiele miterlebt und durfte im Kinderwagen vom Beckenrand aus den Chlorduft schnuppern“, erinnert sie sich. Bis sie jedoch selbst Wasserball spielt, vergehen noch ein paar Jahre. Angefangen hat Carmen zuerst mit schwimmen. Im Laufe der Jahre kam dann immer mal wieder die Idee auf Wasserball zu spielen. „So richtig angefangen habe ich dann aber erst nach meinem Studium, als ich wieder zurück in meine Heimat gekommen bin. Da ich dann von meinem Alter und meiner Leistung her weder in das Hobby noch in die Jugendwasserballgruppe des Vereins gepasst habe, hat mich die Männermannschaft aufgenommen“, erzählt Carmen.


 

Wasserball, eine körperlich anspruchsvolle Sportart

Wasserball ist eine Mannschaftssportart, bei der die Spielenden neben einer guten Schwimmfähigkeit mit viel Kraft, Ausdauer und taktischem Geschick versuchen, den Ball in das gegnerische Tor zu befördern. Wer nach viermal acht Minuten die meisten Tore erzielt hat, gewinnt das Spiel. Es ist ein Sport, der hauptsächlich von Männern dominiert wird. So zeigt eine Tabelle des Deutschen Schwimmverbandes (dsv), dass olympische Wettkämpfe im Männerwasserball schon ab dem Jahr 1900 veranstaltet wurden. Frauenteams dürfen erst seit 2000 Wasserball bei Olympia spielen. Ganze 100 Jahre später.

Das nächste Frauenteam gibt es in Esslingen am Neckar, rund 20 km von Carmens Wohnort entfernt. Das Team dort spielt in der zweiten Bundesliga. Wer jedoch als erwachsene Frau Wasserball als Amateursport in einer Frauenmannschaft betreiben möchte, muss oft lange Fahrtwege in Kauf nehmen. Eine ähnliche Situation hat Carmen schon früher erlebt. „Ich finde schon, dass es weniger Angebote für Frauen in den männerdominierten Sportarten gibt. Früher habe ich Speedskating gemacht und da war es ebenfalls so, dass man als Frau kaum eine Mannschaft gefunden hat. Während die Männer zehn Mannschaften zur Auswahl hatten, blieben für die Frauen nur ein oder zwei Vereine übrig“, erzählt sie. Carmen spielt nun in der zweiten Mannschaft ihres Heimatvereins. Aufgrund der Wettkampfbestimmungen sind in der ersten Mannschaft keine gemischten Teams zugelassen.

Keine Berührungsängste

„Am Anfang gab es schon ein paar Herausforderungen“, gesteht Carmen. „Es war schwierig, sich zu Beginn bei einem Spiel ins Wasser zu trauen, da war ich dann oft als Ersatzspielerin auf der Bank. Doch mit viel Training hat sich das geändert. Berührungsängste darf man beim Wasserball aber nicht haben“, sagt sie und lacht. Blaue Flecken sind bei einer körperlich anspruchsvollen Sportart wie Wasserball häufig. Wenn es zu Verletzungen kommt, betreffen sie meist den Kopf und die Schulterregion. Neben der Identifizierung der Spieler dient die Schwimmkappe als Schutz für die Ohren.

Eine Frau hält einen Wasserball in der Hand
Carmen spielt aktuell in der zweiten Mannschaft ihres Vereins. | Quelle: Julia Rist
Drei Personen kämpfen um den Wasserball
Wasserball ist eine körperbetonte Sportart. Blaue Flecken sind nicht selten beim Kampf um den Ball. | Quelle: Julia Rist

Oft nicht ernst genommen

Doch nicht nur körperlichen Herausforderungen musste sich Carmen stellen. In der Vergangenheit hat sie den Eindruck gewonnen, dass Frauen in männerdominierten Sportarten oft nicht ernst genommen werden. „Meiner Erfahrung nach ist Sport ein Thema, bei dem zahlreiche Menschen mitreden wollen. Auch wenn man als Frau über Fachwissen verfügt, habe ich jedoch das Gefühl, dass es nicht immer gewünscht ist, dass man sich zu Wort meldet“, sagt sie. 

Anderen geht es ähnlich

Mit dieser Erfahrung ist sie nicht alleine. Auch Frauen, die in anderen männerdominierten Sportarten tätig sind, geht es so. Oriana D’Aleo, Abteilungsleiterin der Frauenmannschaft beim Fußballverein VfB Obertürkheim, erinnert sich an einen Vorfall aus ihrer Anfangszeit. „Es war ein Doppel Spieltag und es ging um die Kabinenbelegung. Es hieß, die Frauen sollen sich in einem anderen Verein umziehen, da es in diesem Verein Männern angeblich nicht gestattet war, die Kabinen zu nutzen“, erzählt sie. Auf Orianas Nachfrage hin, stellte sich das jedoch als Fehlinformation heraus. „Ich habe das Gefühl, dass man, wenn man als Frau in diesen Sportarten tätig ist, viel mehr Erklärung, Argumentation und Durchsetzungskraft besitzen muss, um etwas zu bewegen“, berichtet die Abteilungsleiterin. 

„Ich würde mir wünschen, dass wir als Frauen ein größeres Selbstbewusstsein entwickeln“

Oriana D’Aleo, Abteilungsleiterin der Frauenmannschaft beim Fußballverein VfB Obertürkheim

Doch genau deshalb hat sie einen großen Wunsch. „Ich würde mir wünschen, dass es in diesen Sportarten mehr Frauen gibt, die Managerpositionen übernehmen. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Trainerinnen gibt. Ich würde mir vor allem wünschen, dass wir als Frauen ein größeres Selbstbewusstsein entwickeln, da wir mehr können, als wir glauben“, sagt sie.

Wünsche für die Zukunft hat auch Carmen. „Mein Wunsch für die Zukunft im Sport wäre mehr Offenheit“, erzählt sie. Durch ihre B-Trainerin Ausbildung im Schwimmen, würde Carmen gerne andere unterstützen, wenn sie sieht, dass Hilfe nötig ist. Ihre Unterstützung wird jedoch abgelehnt. „Leider habe ich das Gefühl, dass es viele Einzelkämpfer gibt. Wenn andere auch Ahnung haben, warum hilft man sich dann nicht gegenseitig aus?“, fragt sie sich.

Im Hallenbad ertönt noch einmal ein lauter Pfiff. Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Das Training ist für heute beendet. Carmen steigt erschöpft, aber lachend aus dem Wasser. Ihr macht es sichtlich Spaß, mit ihrem Team Wasserball zu spielen. Trotzdem würde sie sich wünschen, dass es mehr Angebote für Frauen gibt. Ein Wunsch, mit dem sie sicher nicht alleine ist.