Nachhaltiges Leben

„Ich bin die Öko-Julia“

Julia beim nachhaltigen Einkaufen im Unverpackt-Laden in Mainz.
17. Dez. 2018

Die erschreckenden Zahlen sind weithin bekannt: 2050 werden mehr Plastikteile als Fische im Meer schwimmen und der sogenannte Erdüberlastungstag ist jedes Jahr ein wenig früher, wenn wir nichts an unserem Verhalten ändern. Julia versucht, etwas dagegen zu tun und auch andere dabei zu inspirieren.

Stufe für Stufe kämpfen wir uns immer weiter in dem Gebäude in der Mainzer Neustadt nach oben. Julia begrüßt uns lächelnd. Sie führt uns durch ihre Wohnung, die hauptsächlich von Holz, Pflanzen und Gläsern geprägt ist. Während wir unser Interview mit ihr führen, fliegen draußen im Minutentakt Flugzeuge vorbei und vor dem Fenster hat sich eine Plastiktüte verhakt. Irgendwie ironisch, wenn man bedenkt, dass Julia Nachhaltigkeitsbloggerin ist...

Für jeden Einkauf eine extra Plastiktüte, Lebensmittel und Spielsachen doppelt verpackt und in jedem Getränk ein Plastikstrohhalm: Deutschland liegt beim Verpackungsmüll an der Spitze aller europäischen Länder – Tendenz weiterhin steigend. Nur 42 Prozent unseres Plastikmülls werden überhaupt recycelt. All das wollte Julia nicht mehr. Sie beschloss, nachhaltiger zu leben und Müll, soweit es geht, zu vermeiden – sie lebt nach dem Prinzip Less Waste.

Quelle: Rethinking the future of Plastics, 2016.

Zunächst hat Julia versucht, nach dem Prinzip Zero Waste zu leben und den Plastikmüll eines Jahres in einem Glas zu sammeln, um möglichst umweltbewusst zu sein. Dabei setzte sie sich jedoch selbst unter Druck und machte sich ein schlechtes Gewissen, wenn sie gerne eine Tafel Schokolade kaufen wollte, die das Glas jedoch schon zur Hälfte gefüllt hätte.

Also entschied sie, dass es ihr wichtiger ist, bewusst zu konsumieren und dabei glücklich zu sein. Für Julia ist Zero Waste und Less Waste im Grunde sowieso das Gleiche. Inzwischen hat sie nur noch alle drei bis vier Monate einen 20 Liter Sack mit Plastikmüll. „Es geht nicht von jetzt auf gleich zu: ‚Oh, müllfrei!‘“, sagt sie, als sie von den Herausforderungen erzählt, mit denen man am Anfang zu kämpfen hat. Produkte, die man noch zu Hause hat, erst einmal aufzubrauchen, die Einkäufe mit den nötigen Mehrwegbehältern genau zu planen und auch immer daran zu denken, den Jutebeutel mit Besteck, Dose und Flasche dabeizuhaben – das alles ist ein Prozess und braucht seine Zeit.

Nachhaltigkeits-Starterset: Stäbchen, Besteck, Strohhalm, Bambusschale mit Stoffabdeckung, „Frischhaltefolie“ aus Bienenwachs, Beutel, Brotdose. Natürlich alles Mehrweg.

In einigen Situationen wird Julia auch komisch angeschaut, wenn sie ihre eigenen Servietten, ihr eigenes Besteck oder ihren eigenen Strohhalm dabei hat. Teilweise versuchen Außenstehende sie umzustimmen und möchten sie doch zu einer Plastiktüte oder einer Serviette überreden. Manchmal werden Verkäufer dann sogar unfreundlich, sodass sich Julia anfangs auch unwohl fühlte, obwohl sie eigentlich nach einer guten Sache fragte. Aber davon ließ sie sich nicht unterkriegen:

Wo Julia allerdings ganz entspannt und mit gutem Gewissen einkaufen kann, ist der Unverpackt-Laden in Mainz. In Unverpackt-Läden wird das gesamte Sortiment verpackungsfrei angeboten und die Kunden bringen ihre eigenen Gläser, Dosen und Beutel mit. Ein- bis zweimal die Woche geht Julia hier einkaufen und kennt das Personal sowie viele Kunden dort persönlich. Unverpackt ist auch eine Community. Viele Gegenstände, die wir sehen, während wir Julia begleiten, kommen uns aus ihrer Wohnung schon bekannt vor.

Im Unverpackt-Laden in Mainz wird das gesamte Sortiment verpackungsfrei angeboten.
Große Auswahl: neben normalen Seifen...
...gibt es auch Haarseifen und Waschseifen.
Der Großteil der Produkte kommt aus Spendern, die selbst bedient werden können.

Der Einkauf ist nicht so teuer, wie man vielleicht vermutet hätte und Julia bestätigt: Seit sie bewusster konsumiert, gibt sie sogar weniger Geld als vorher aus. Denn jetzt kauft sie nur noch, was sie wirklich braucht. Minimalismus ist für sie ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts von nachhaltigem Leben.

 „Zu Less Waste gehört einfach sehr viel mehr: Es geht nicht nur darum, verpackungsfrei einzukaufen, sondern auch darum, seinen kompletten Konsum zu hinterfragen.“

 

Julia Klös

Aber der eigene Konsum und die eigene Müllproduktion reichen bei dieser Betrachtung nicht aus. Für Julia betrifft nachhaltiges Leben nicht nur ihr Privatleben, sondern auch ihr Berufsleben, das sich durch Less Waste ebenfalls verändert hat.

Ihre eigene Müllvermeidung ist für Julia also nur der Anfang: Mit einer Freundin brachte sie die Refill-Initiative nach Mainz, sie organisiert Clean Ups in bestimmten Stadtteilen, setzt sich für Fair Fashion ein und vor Kurzem ist sie sogar zu einer der wenigen nachhaltigen Banken gewechselt, die sich durch Investitionen für umweltfreundliche, klimafreundliche und ethische Geschäftsfelder einsetzen. Less Waste ist eine Bereicherung für Julias Leben, die sie auch mit anderen teilen möchte. Ihr Ziel:

Wie gut ihr das auch im Alltag gelingt, können wir im Unverpackt-Laden beobachten. Ein Kunde, der gerade erst angefangen hat, Müll zu vermeiden, hat Probleme, die richtige Seife für seine Haare zu finden. Also springt Julia sofort mit Rat und Tat zur Seite, berichtet von ihren eigenen Erfahrungen und hilft bei der Kaufentscheidung.

„Ich bin die Öko-Julia und das ist auch okay so.“

Julia Klös

Nach dem Interview beschließen wir, uns in ein Café zu setzen, statt uns einen Coffee-to-go zu holen, um auch ein wenig Müll zu vermeiden. Als dann aber die ebenfalls bestellte Zimtschnecke mit Plastikgabel kommt, ärgern wir uns doch ein wenig und stellen fest: Julia hat auch uns inspiriert.

Tipps für eine nachhaltige Lebensweise

  • Go local: Schaut euch die Waren an, redet mit den Verkäufern über ihre Herkunft, geht mit eigenen Behältern auf den Wochenmarkt. Auch hier in Stuttgart könnt ihr unverpackt einkaufen!
  • Nutzt Öko-Strom, um erneuerbare Energien zu fördern
  • Wechselt zu einer nachhaltigen Bank
  • Bewegt euch umweltbewusst fort, überlegt euch Reisen mit dem Flugzeug zweimal und sucht nach Alternativen
  • Kauft Kleidung fair und Second Hand oder nutzt Tauschbörsen
  • Immer dabeihaben: Stoffbeutel, wiederverwendbare Flasche und den eigenen To-Go-Becher
  • Do it Yourself: Viele Produkte, wie Deocreme, Bodylotion, Waschmittel und Hafermilch, können auch selbst hergestellt werden
  • Duscht euch mit fester Seife und besorgt euch Haarseife
  • Checkt eure Kosmetikprodukte mit speziellen Apps, um Mikroplastik zu vermeiden. Greift außerdem zu Naturkosmetik
  • Nutzt Bambuszahnbürsten und Zahnpasta-Tabletten
  • Fragt in Restaurants oder Bars, ob ihr eure Getränke ohne Strohhalm bekommen könnt
  • Wenn ihr mehr zu Julia und ihrer Lebensweise erfahren wollt, geht es hier zu ihrem Blog