Jeder kann lernen, seinen Selbstwert aufzubauen und das Leben zu leben, das einem zusteht!
Ganz schön toxisch
Inhaltswarnung für Leser*innen:
Dieser Artikel kann Themen enthalten, die als diskriminierend und verletzend empfunden werden könnten. Der Text beschäftigt sich mit folgenden sensiblen Inhalten: Psychische und physische Gewalt. Bitte sei dir dessen bewusst und lies den Artikel entsprechend deiner persönlichen Sensibilität. Unsere Absicht ist es, respektvoll und einfühlsam zu berichten, um die Würde der betroffenen Personen zu wahren.
In den letzten Jahren ist es immer beliebter geworden, Beziehungen als toxisch zu betiteln. 2018 wurde „toxic“ vom Unternehmen Oxford Languages zum Wort des Jahres gekürt. Laut Google Trends haben sich die Suchanfragen nach toxischen Beziehungen in den letzten fünf Jahren um mehr als das zehnfache erhöht. Und laut einer Parship-Umfrage in Deutschland im Jahr 2021 waren rund 36 % der Befragten schon einmal in einer toxischen Beziehung. Doch wieso hört man aktuell mehr darüber? Der öffentliche Fokus liegt öfter auf solchen Beziehungen und die Gesellschaft ermöglicht hierzu mehr Hinterfragen als früher.
Der AOK-Bundesverband definiert den Begriff „toxische Beziehung“ als eine Form von häuslicher Gewalt. Diese kann psychisch oder physisch sein. Eine der beiden beteiligten Personen unterdrückt die andere, um langfristig Kontrolle über sie zu haben. Merit Umic-Senol, Psychologin in der Psychologischen Praxis Online, ergänzt folgendes: „Entweder besteht eine Kombination aus zwei schädlichen Partner*innen oder eine Person schadet absichtlich der anderen in der Beziehung. Dies kann sich so äußern, dass eine Person sehr viel erwartet und sich wichtiger nimmt als das Gegenüber.“
Von Gaslighting zu love bombing
Anzeichen für eine solche Beziehung können vielseitig sein. Das „Gaslighting“ ist eines davon. Erstmals bekannt wurde der Begriff 1938 durch das Theaterstück „Gas Light“, bei dem ein manipulativer Ehemann versucht, seine Frau systematisch in den Wahnsinn zu treiben. Laut der BARMER Krankenkasse steht „Gaslighting“ dafür, eine Person mit psychologischen Taktiken so zu manipulieren, dass sie ihre eigene Realität anzweifelt.
Ähnlich wirkt sich auch das „silent treatment“ aus. Die Fachleute der App helpcity definieren es als negative Kommunikationsstrategie, bei der eine Person die andere absichtlich mit Schweigen bestraft. Daraus können sich beim Gegenüber ein schlechtes Gewissen, persönliche Schuldzuweisungen und Gefühle des „Nichts-wert-seins“ einstellen. Schweigen vermittle dem Gegenüber oftmals das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.
Selfapy, eine Website für Online-Therapie, definiert „love bombing“, ein weiteres Anzeichen, als Überhäufen von Geschenken und Komplimenten der einen zur anderen Person. Oft käme diese Übertreibung im Zusammenhang mit Narzisst*innen vor, da diese die Beziehungsperson kontrollieren möchten. Im nächsten Schritt kommt dann die Abwertung durch Schuldzuweisungen.
Als „Narzissmus“ bezeichnet man eine Persönlichkeitsstörung, die durch ein enormes Verlangen nach Anerkennung und eine starke Überschätzung der eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten charakterisiert ist. Man unterscheidet zwischen grandiosem Narzissmus, bei dem Arroganz, Überheblichkeit und fehlende Empathie kennzeichnend sind und verdecktem Narzissmus, der durch Hilflosigkeit und geringes Selbstwertgefühl erkennbar ist.
Quelle: studyflix.de
Neben weiteren Manipulationsstrategien, wie Rückzug, Machtspielen, kann die Gewalt ebenso physisch stattfinden. Einer Studie der National Library of Medicine (USA) aus dem Jahr 2018 zufolge tendieren am häufigsten Menschen mit ausgeprägten psychopathischen Persönlichkeitszügen zu physischer Gewalt.
Warum verhalten sich Menschen toxisch?
Laut der angehenden Psychologin Elisabeth Gessner kann grundsätzlich jede*r in eine toxische Beziehung kommen. Personen, die schon ungesunde Beziehungsdynamiken, beispielsweise aus der Kindheit kennen, bleiben allerdings länger in diesen Beziehungen. „Diese Kinder haben früh verantwortungsbewusst gehandelt, da sie die emotionalen und körperlichen Bedürfnisse der Eltern erfüllen mussten. Sie sind es gewohnt, mehr zu geben als für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen.“
Auf der anderen Seite stehen Personen, die mehr nehmen, beispielsweise Narzisst*innen. Aus einem Artikel der Cambridge University Press & Assessment ergibt sich, dass Narzissmus von den meist selbst narzisstischen Eltern weitergegeben werden kann. Die Vererbbarkeit liegt hierbei zwischen 30 und 40 Prozent.
Selbstwert und Paartherapie
Betroffenen ist zu empfehlen, sich mit dem eigenen Selbstwert auseinanderzusetzen. Gesund Grenzen zu setzen kann man lernen. Am besten sucht man sich Hilfe bei professionellen Stellen wie Psycholog*innen. Denn „Jeder kann lernen, seinen Selbstwert aufzubauen und das Leben zu leben, das einem zusteht!“, so Merit Umic-Senol.
Die Psychologin findet, eine Paartherapie kann helfen: „Ich habe schon Menschen in der Paartherapie gehabt, von denen eine Person toxisches Verhalten gezeigt hatte, [...] und eingesehen hat, dass das toxische Verhalten aufgrund eigener Probleme auf den Partner oder die Partnerin übertragen wurde.“ Man sollte sich hierbei allerdings nur in eine Paartherapie begeben, die den Bereich der Manipulationstechniken abdeckt.
Für viele Betroffene ist es schwer, sich aus toxischen Beziehungen zu lösen. Wenn sie dich belastet, scheue dich nicht, um Hilfe zu bitten und darüber zu sprechen.
Du brauchst Hilfe?
Telefonseelsorge: 0800/111 011 1 oder über online.telefonseelsorge.de,
Gewalt gegen Frauen: 0800 011 60 16,
Gewalt gegen Männer: 0800 123 99 00