Serienmörder sind nicht heiß
Mit „Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“ landete Netflix mal wieder einen vollen Erfolg. Mittlerweile ist sie eine der meistgestreamten Serien auf der Plattform. Dabei trifft die Serie neben Faszination auf viel Kritik. Zu Recht. Die Kommerzialisierung von Verbrechen desensibilisiert und führt dazu, die Täter zu verherrlichen.
Die im September veröffentlichte Mini-Serie rollt den Fall des US-amerikanischen Serienmörders Jeffrey Dahmer erneut auf. Zwischen 1978 und 1999 ermordete er 17 Männer und Jugendliche, vorwiegend People of Colour aus der Homosexuellen-Szene Milwaukees, und führte nekrophile sowie kannibalistische Handlungen an den Leichen aus.
„Dahmer“ ist keine reine Dokumentation, sondern eine Spielfilm-Adaption mit dem Schauspieler Evan Peters in der Hauptrolle. Damit ist Netflix nicht die erste Plattform, die den Fall zu ihrem Profit ausbeutet. Seit 1993 erschienen mindestens fünf Verfilmungen mit echten Darsteller*innen. Für Streaming-Dienste sind derartige Inszenierungen ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Ihrer Konsequenzen sind sie sich offensichtlich nicht bewusst.
Realität statt Fiktion
Wirft man einen Blick in die sozialen Medien, insbesondere auf TikTok, stellt man mit Erschrecken fest, dass ein regelrechter Hype ausgebrochen ist. Fiktion und Realität verschwimmen dabei zu einer gefährlich undurchsichtigen Masse. Seit Release trenden vor allem suggestive Ausschnitte der Serie mit Peters alias Dahmer, untermalt mit Lyrics wie „I eat boys like you for breakfast“. Das ist romantisierend und geschmacklos. Die Rechtfertigung darunter: „Es geht ja nur um den Schauspieler.“ Allerdings finden sich Kommentare über das gute Aussehen genauso unter Posts mit Dahmers echten Polizeifotos.
Die Tatsache, dass alle True Crime vom Sofa aus mit Popcorn in der Hand konsumieren können, desensibilisiert und spielt die echten Taten herunter. Der Online-Händler eBay musste sogar so weit gehen und den Verkauf von „Dahmer“-Kostümen auf seiner Plattform verbieten. Weil einige dachten, das wäre das perfekte Halloween-Outfit. Wie gruselig ist es, dass diese Diskussion überhaupt notwendig war? Es geht hier um echte Menschen, die von einem echten Mörder getötet wurden.
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Zelebrieren statt Retraumatisieren
Vielen Adaptionen von True Crime-Fällen wird vorgeworfen, nicht die Opfer, sondern die Täter in den Vordergrund zu stellen. Laut Paris Barclay, der bei zwei Episoden Regie führte, wollte „Dahmer“ genau dies vermeiden. Es gehe darum, die Opfer zu feiern. Gut gemeint ist allerdings nicht immer gut gemacht. Die Angehörigen der Opfer sind alles andere als begeistert. Eric Perry, der Cousin von Errol Lindsey, schrieb auf Twitter, seine Familie sei „angepisst“ von der Serie, die immer und immer wieder retraumatisiere. Lindsey wurde als 19-Jähriger von Dahmer ermordet. Auch die Mutter des getöteten Tony Hughes kritisierte, Szenen ihres Sohnes in der Serie wären „so nicht passiert“.
Da die Serie trotzdem produziert und veröffentlicht wurde, liegt Netflix wohl doch mehr an der Unterhaltung seiner Zuschauer*innen, als an den Opfern selbst. Wenn User*innen auf TikTok bekunden, „irgendwie Mitleid mit Dahmer zu haben“, sollten die Produzent*innen hinterfragen, ob sie der schwierigen Kindheit eines Serienmörders vielleicht zu viel Sendezeit geschenkt haben. Und ob ein konventionell attraktiver, junger Schauspieler die richtige Besetzung war. An ihrem Ziel sind sie jedenfalls meilenweit vorbeigeschossen.
Ohne Frage ist es interessant, über die psychologischen Beweggründe von Serienmördern zu erfahren. Darin liegt für viele der Reiz von True Crime. Netflix ist jedoch eine Unterhaltungs- und keine Bildungsplattform. Die Serien leben von Dramatik und Zuspitzungen und das erwarten auch die Zuschauer*innen. Wenn es dabei um die grausamen Taten eines Serienmörders geht, ist das gefährlich verherrlichend und respektlos. Anstatt die Familien der Opfer über Jahrzehnte immer wieder zu belästigen, sollte es einfach die letzte Adaption bleiben.