„Man kann die Aufgaben nicht immer beeinflussen, das macht die Arbeit als Förster abwechslungsreich.“
Försterei im (Klima)Wandel
Die Sonne strahlt durch die Gipfel der Bäume und bildet flackernde Lichtflecken auf dem trockenen Waldboden. Bis auf das Gezwitscher der Vögel und das Summen einiger Insekten liegt der Wald in angenehmer Ruhe. Es ist 9 Uhr morgens, doch bereits jetzt ist es unangenehm warm. Ruhig und gelassen läuft Jens über den von Laub und Ästen bedeckten Boden. Wanderschuhe und eine dicke, olivgrüne Hose schützen ihn vor Ästen und Sträuchern. Seine kurzen braunen Haare sind unter einer olivgrünen Cap versteckt. Neben ihm läuft seine Hündin Bella. Seit zwei Jahren kümmert sich Jens als Förster um die Pflege einiger Waldgebiete im Landkreis Karlsruhe. Der Wald ist für ihn ein Ruheort und Ausgleich zum sonstigen Alltag. Umso mehr spürt er den Schaden, den der Klimawandel in seinem geliebten Wald anrichtet.
Nach seinem Forstwirtschaftsstudium fing Jens vor sechs Jahren als Förster im Forstamt Karlsruhe an. Die ersten vier Jahre verbrachte der 31-Jährige nur am Schreibtisch. Dabei ist es die Arbeit in der Natur, die ihn so begeistert. „Ich mag es, mein eigener Chef zu sein und viel Zeit draußen zu verbringen“, erzählt er freudig. Schon als Kind war Jens gerne im Wald unterwegs. Damals zum Brennholzholen mit seinem Opa, heute beruflich. „Ich kann mit meinem Beruf außerdem etwas Gutes tun“, ergänzt er. Und Gutes kann der Wald gebrauchen. Vor allem seit 2018 hat er ordentlich zu kämpfen. Bis auf 2021 waren die letzten Jahre gezeichnet von Dürreperioden. Das zeigt sich auch in diesem Jahr. Seit Mai hat es lediglich ein Drittel des üblichen Niederschlags gegeben. Fast 80 Prozent der Bäume in den deutschen Wäldern sind leicht bis stark geschädigt. Seit 2018 haben die Dürre und ihre Folgen in Deutschland zu einem Verlust von fast fünf Prozent der Waldflächen geführt.
Verfrühter Herbst
Die Blätter einiger Bäume strahlen bunt im Sonnenlicht. Der Anblick erinnert an einen schönen sonnigen Tag im Herbst, doch es ist erst Anfang August. Jens steht vor einer großen, mächtigen Buche. Sie ist kahl und ihre Rinde bröckelt. Ihr ist nicht mehr zu helfen. Um weniger Wasser zu verdunsten, schließen Bäume ihre Blätter oder werfen sie ab. „So sollte es hier eigentlich erst Ende September aussehen“, sagt Jens mit bedrücktem Blick. Das Waldsterben nimmt ihn mit. Die Rinde einiger Bäume hält der Trockenheit nicht stand. Ohne sie fehlt ihnen der nötige Schutz und Schädlinge wie Pilze oder Insekten haben ein leichtes Spiel. Auch der trockene Boden macht es Pilzen einfacher, dem Baum zu schaden.
Der Wald leidet unter den Folgen des Klimawandels, dabei ist er gleichzeitig einer der wichtigsten Komponenten im Kampf gegen die Erderwärmung. Mit 11,4 Millionen Hektar bedeckt der Wald in Deutschland ein Drittel der Landesfläche. Seine Bäume speichern im Jahr rund 57 Millionen Tonnen CO2. Damit senkte der deutsche Wald in den letzten Jahren die Treibhausgas-Bilanz Deutschlands um bis zu 14 Prozent, das entspricht 80 Prozent der Emissionen des Straßenverkehrs von 2016. Der Holz- & Forstwirtschaftssektor ist außerdem einer der umsatzstärksten Sektoren in Deutschland.
Obwohl die Bäume einen angenehmen Schatten bilden, ist die Hitze kaum aushaltbar. Jens’ Waldgebiete liegen in der Rheinebene. Hier staut sich die Wärme und es geht kaum Wind. Das bekommen nicht nur die Bäume und Tiere zu spüren. Immer wieder zieht Jens seine Cap vom Kopf und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die einzige Abkühlung bietet die Klimaanlage in seinem weißen Geländewagen. Da er mehrere Gebiete betreut, ist Jens viel im Auto unterwegs.
Er hält an einem Straßenrand. Vom Rücksitz holt er eine zusammengefaltete Karte, öffnet sie und legt sie auf die Motorhaube. Zu sehen ist eine Landkarte des Gebiets Ubstadt-Weiher. Einige Flächen sind eingefärbt. Das sind die Waldstücke, die Jens betreut. Sie sind unterteilt in Gebiete mit den Farben blau, grün, gelb oder orange. Am rechten Rand der Karte befindet sich eine Legende. Sie zeigt die Bedeutung der unterschiedlichen Farben. Je nach Maßnahme werden die Gebiete eingefärbt und mit Zahlen und Codes versehen. So kann Jens auf einen Blick die Planung und den aktuellen Stand seiner Waldstücke erkennen.
Bei der Planung für die Pflege ihrer Gebiete richten sich Förster*innen normalerweise nach der sogenannten Forsteinrichtung. Das ist ein 10-Jahres-Plan, der die Maßnahmen für die einzelnen Gebiete festlegt. Durch den Klimawandel werden die Umsetzung dieses Plans und die Erstellung von neuen Plänen immer schwieriger. Wetterumschwünge und Dürre führen vermehrt zu unvorhersehbaren Problemen und Fällarbeiten. Das fordert von Förster*innen mehr Flexibilität und Spontanität. Für Jens macht das aber auch den Reiz seines Berufs aus: „Man kann die Aufgaben nicht immer beeinflussen, das macht die Arbeit als Förster abwechslungsreich.“
Der große Verlierer
Ein Buntspecht fliegt auf einen Stapel gefällter Nadelbäume zu, setzt sich und fängt an, daran zu pochen. Sein schwarz-weißes Gefieder mit den roten Flecken strahlt im Lichtschein der Sonne. Als sich Jens’ Auto nähert, blickt er erschrocken auf und fliegt davon. Immer wieder begegnen Jens auf seinem Weg große Holzstapel an Nadelholz. „Wir mussten in den letzten Jahren einen Großteil der Nadelbäume fällen, weil viele von ihnen durch die Dürre abgestorben sind“, erzählt er. Die meisten der noch vorhandenen Nadelbäume sind bereits kaputt und werden demnächst gefällt. Nur vereinzelt finden sich zwischen den großen Laubbäumen neu gesetzte Fichten oder Tannen, doch ihre Zukunftschancen stehen schlecht.
Nadelbäume leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels, dabei ging es ihnen vor einigen Jahren noch gut. Durch ihre ökologischen und ökonomischen Vorteile galten sie als die beliebtesten Baumarten. Nadelbäume wachsen schneller und bringen dadurch mehr verwertbares Holz. Durch dessen Verwendung in Holzprodukten wie Bauholz oder Möbeln binden sie das klimaschädliche Kohlendioxid länger als Laubholz. Doch die Trockenheit der letzten Jahre hat den natürlichen Schutzmechanismus der Nadelbäume stark geschwächt. Das begünstigt den Befall durch Parasiten wie den Borkenkäfer, der sich in den letzten Jahren massiv ausgebreitet hat. Der Insektenbefall hat den Wald im Jahr 2020 mit knapp 43,3 Millionen Kubikmeter fast 13-mal so viel Fläche Schadholz gekostet wie im Jahr 2013, darunter hauptsächlich Nadelbäume.
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Hoffnungsträger Eiche
Jens biegt in einen geschotterten Weg ab und wird langsamer. Am Straßenrand liegt eine Motorsäge, daneben eine grau-orangene Sicherheitsjacke und ein orangener Helm. Etwas weiter sitzen vier Männer auf gefällten Baumstämmen und schauen mit grimmigem Blick auf das heranfahrende Auto. Als sie Jens erkennen, lächeln sie und winken. Die Männer sind Waldarbeiter und führen die Aufgaben aus, die Jens ihnen aufträgt. In den letzten Jahren hat sich ihr Arbeitspensum durch den vermehrten Holzeinschlag erhöht. Erschöpft sitzen sie im schützenden Schatten der Bäume. Als Jens aus dem Auto steigt, begrüßen sie ihn in gebrochenem Deutsch. Die meisten von ihnen kommen aus der Slowakei, das macht die Kommunikation zwischen ihnen und Jens nicht immer einfach. Ein großer, kahlköpfiger Mann nähert sich. Er trägt eine orange-schwarze Arbeitshose mit Hosenträgern, ein hellbraunes T-Shirt und Wanderschuhe. Er ist größer als Jens und wirkt auf den ersten Blick einschüchternd, doch dann lächelt er freundlich. Csaba ist seit über zehn Jahren Waldarbeiter. Sein Deutsch ist vergleichsweise gut.
Gemeinsam gehen die beiden einen Schotterweg entlang und biegen dann in ein Waldstück ab. Unter ihren Füßen knackt das Holz und immer wieder stören Äste oder Spinnenweben. Ihnen macht das nichts aus, sie sind es gewohnt. In diesem Waldstück finden sich unterschiedliche Arten von Bäumen. Alle sind noch relativ jung und gesund. Csaba und Jens begutachten ihre Gipfel und Stämme. Um den anderen Bäumen Platz zum Wachsen zu geben, müssen einige von ihnen gefällt werden, das nennt sich Jungbestandspflege. „Wir achten darauf, eine gute Mischung zu erhalten, versuchen hier aber vor allem den Eichen Platz zu machen. Sie haben die besten Zukunftschancen“, erklärt Jens.
Eichen sind vor allem wegen ihres hohen Anpassungspotenzials gut gegen den Klimawandel gewappnet. Im Vergleich zu einigen anderen Baumarten kommen die heimischen Eichen mit Hitze und Dürre gut zurecht. Andere Laubbaumarten wie zum Beispiel die Buche haben durch ihre dünne, glatte Rinde und den großen Gebrauch von Wasser schlechtere Überlebenschancen. Die klimaresistente Esche war ein weiterer Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel, doch ein eingeschleppter asiatischer Pilz kostete ihr Überleben. Nun liegt die große Hoffnung bei der Eiche.
Mit Bella an seiner Seite läuft Jens einen Schotterweg entlang. Links von ihm stehen auf einer circa viereinhalb Hektar großen Fläche zwölf Tausend neu gepflanzte, kleine Bäume. Hier finden sich unterschiedliche Baumarten, je nach Bodenverhältnis. Hauptsächlich wird aber auf die Eiche gesetzt. Die Stämme der Setzlinge sind von hellgrünen Plastikhüllen umgeben. Diese sogenannten Wuchshüllen sind biologisch abbaubar und bieten den heranwachsenden Bäumen Schutz vor Wildverbiss und UV-Strahlung. Außerdem leiten sie Regenwasser besser zu den Wurzeln. Zufrieden betrachtet Jens die Setzlinge. Sie entwickeln sich gut, ihre Blätter leuchten grün im Licht der Sonne.
Was der Klimawandel noch für den Wald bereit hält, lässt sich nicht sagen. Durch das Aufforsten zu Mischwäldern mit klimaresistenten Baumarten und der Pflege gemischten Jungbestands soll der Wald für seine unvorhersehbare Zukunft gewappnet werden. Um ihn langfristig zu erhalten, muss die Erderwärmung gestoppt werden. Für Jens ist nicht vorhersehbar, wie sich sein Beruf als Förster und der Wald entwickeln werden, er macht sich Sorgen. „Natürlich nimmt mich das mit, den Wald so zu sehen“, sagt er beunruhigt. Mit seiner Arbeit kämpft er deshalb jeden Tag dafür, dass unser wertvoller Wald am Leben bleibt.