Im Zweifel wird da nicht nach Leistung beurteilt.
Eine von 21,6 Prozent
Es ist Sonntagnacht, 00.37 Uhr, als das Landesamt bestätigt: Alena Trauschel aus dem Wahlkreis Ettlingen bei Karlsruhe zieht für die FDP als jüngstes Mitglied der Geschichte in den baden-württembergischen Landtag ein. Die 22-Jährige ist damit eine von nur zwei Frauen in der 18-köpfigen Landtagsfraktion der FDP. Frauen sind in der Partei ohnehin in der Minderheit. Nur jedes fünfte Mitglied ist weiblich – dazu gehöre auch ich. Im März 2019 bin ich bei den Jungen Liberalen (JuLis) und der FDP Mitglied geworden. Mit Alena möchte ich mich der Frage stellen: Sind wir unserer Partei egal?
Stand 2019 lag der Frauenanteil in der FDP bei 21,6 Prozent. Verbessert hat sich in den letzten Jahren nichts – die FDP hat, im Gegensatz zu den anderen Parteien, keinen steigenden Frauenanteil. Alena, was kann unsere Partei deiner Meinung nach machen, um mehr Frauen zu uns zu bringen?
Wir müssen auf der Kreisebene, in der FDP und bei den JuLis, den Frauenanteil erhöhen. Dann sehen wir später auch in den Parlamenten die Wirkung. Dafür sollten wir proaktiver werden: Zum einen muss die FDP mit ihrem Programm mehr Frauen erreichen und zum anderen müssen wir die Frauen auch ermutigen, sich für Ämter im Vorstand zu bewerben und sich aktiv zu engagieren. Außerdem stellt für viele die Vereinbarkeit von politischem Engagement und Familie oder Arbeit ein großes Problem dar.
Aber junge Frauen wie du und ich – wir haben (meist) keine Kinder, stecken noch nicht im Berufsleben und könnten der Politik ausreichend Zeit einräumen. Trotzdem scheint die FDP für junge Mädchen und Frauen nicht attraktiv genug zu sein. Woran liegt das?
Ich glaube, wir sagen jungen Frauen zu oft „überlass das mal anderen“. Die FDP muss Bildung, Bürgerrechte und ein selbstbestimmtes Leben wieder in den Vordergrund stellen – es darf uns nicht nur um Wirtschaft gehen. Darüber hinaus wird Christian Lindner extrem bipolar betrachtet. Die einen lieben, die anderen hassen ihn. Wir müssen unserer zweiten Reihe, den kompetenten Frauen und Männern, mehr Aufmerksamkeit schenken.
Unsere Partei hält am liberalen Aufstiegsversprechen fest und betont das Leistungsprinzip. Aber bei so wenig Sichtbarkeit von Frauen in den FDP-Vorständen frage ich mich: Bringen all diese Frauen, bringen wir, nicht genügend Leistung?
Natürlich leisten wir genug. Aber wir müssen dafür sorgen, dass junge Leute, Frauen, auch gewählt werden. Das ist häufig auf der Kreisebene ein großes Problem. Wenn sich eine junge, weibliche Kandidatin hinstellt, die bei den JuLis immer sehr engagiert ist, aber der Gegenkandidat ist ein 65-Jähriger, der seit 40 Jahren FDP-Mitgliedsbeiträge zahlt – dann gibt es meist Probleme. Im Zweifel wird da nicht nach Leistung beurteilt.
Auch interessant
In diesem Zusammenhang wird häufig über die Frauenquote diskutiert. Wie stehst du dazu?
Ich finde die Idee schlecht, kann aber auch kein Alternativkonzept vorlegen. Die Frauenquote sorgt nur für eines: Dafür, dass Frauen, die eigentlich Superleistung gebracht haben, als Quotenfrauen abgestempelt werden.
Aber ohne Quote kommen wir doch auch nicht weiter, oder?
Ich glaube wir müssen an anderen Punkten ansetzen und bessere Rahmenbedingungen für Frauen in Führungspositionen und der Politik schaffen. Außerdem würden wir in der FDP mit einer 50:50 Quote die Frauen massiv bevorzugen und den rund 80 Prozent Männern einen großen Nachteil verschaffen. Aber nichtsdestotrotz muss das Thema auch innerparteilich mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Eine Arbeitsgruppe der FDP hat sich mehr als ein Jahr lang mit der Frage beschäftigt, wie der Frauenanteil erhöht werden kann. Heraus kam im September 2019 eine Zielvereinbarung: Alle Verbandsebenen sollen künftig mit der Zielvereinbarung flexibel und individuell den Frauenanteil in Führungs- und Mandatspositionen erhöhen.
Immerhin hat der FDP-Parteivorstand eine „Zielvereinbarung“ beschlossen. Aber die Partei sollte grundsätzlich den wenigen Frauen in den eigenen Reihen mehr Respekt zukommen lassen. Als Linda Teuteberg im September auf dem Parteitag ihr Amt als Generalsekretärin vorzeitig aufgeben musste, ging der sexistische Spruch von Christian Lindner durch sämtliche Medien. Wie können wir in Zukunft mit solchen respektlosen Äußerungen umgehen?
Ich war bei dem Bundesparteitag und die Reaktionen haben mich schockiert. Zuerst ein verhaltenes Grinsen und dann Applaus aus dem Publikum. Ich dachte nur: Sind wir noch bei der FDP oder einem AfD-Stammtisch? Das Schlimmste ist, dass Lindner diesen Spruch absichtlich provoziert hatte. Er hat lieber einen Witz für die alten, weißen Männer gemacht, statt darauf zu achten, welches Bild er an die ohnehin schon wenigen Frauen in der Partei ausstrahlt. Aber auch wenn es für die Partei nicht gut war, hat es mich gefreut, dass die Medien diesen Sachverhalt aufgegriffen haben und gesagt haben „so geht das nicht“. Dieses Feedback müssen wir auf allen Ebenen geben, wenn solche Sprüche fallen.
Nun bist du mit 22 Jahren nicht nur die jüngste Abgeordnete im Landtag, sondern auch im Wahlkreis Ettlingen die erste, die ein FDP-Landtagsmandat erhalten hat. Wie hast du das geschafft?
Ich studiere Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft in Heidelberg und bin seit rund vier Jahren politisch aktiv. Ich konnte schon viele Erfahrungen im Landes- und Bundesvorstand der JuLis sammeln und in der FDP wichtige Kontakte knüpfen – zeitweise nahm mein politisches Ehrenamt 40 Stunden in der Woche ein. Aber das ich in meinem Wahlkreis mit 10,2 Prozent der Stimmen ein Zweitmandat erhalten habe, ist eine Ausnahme, eher Glück. Das Landtagswahlrecht ist ziemlich kompliziert und es gibt keine Landesliste wie bei der Bundestagswahl. Da hat man es als Frau oder junger Mensch nicht gerade leicht.