„Je teurer der Lebensraum wird, desto weniger fixierbaren Platz gibt es für (Sub-)Kultur.“
Ein Raum fürs Anderssein
Die Container City vom Kunstverein Wagenhalle ist ein Ort der Kreativität. Die Container dienen als Ateliers, Musikstudios und Werkstätten. „Wir haben als Kunstverein den Auftrag, gute Konditionen für Künstler*innen zu schaffen“, sagt Verena Schulze vom Kunstverein Wagenhalle. Einer dieser Künstler ist Stefan Rohrer. Er nutzt den Raum und die Förderung durch den Kunstverein Wagenhalle dazu, Fahrzeuge in ihre Einzelteile zu zerlegen und auf unerwartete Weise wieder zusammenzuschweißen. 2017 wurde die Container City eröffnet, es sollte immer nur eine temporäre Lösung sein. Die Zeit ist nun abgelaufen. Dieser Raum für Subkultur wird bald nicht mehr existieren.
Subkultur ist eine Teil- oder Gegenkultur zum allgemeinen Mainstream, mit eigenen Regeln, Strukturen und Verhaltensweisen.
Katharina Neuburger, Professorin an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, erweitert den Begriff Subkultur. Es sei das Recht, öffentlich auch dann erscheinen zu können, wenn man nicht der kulturellen Norm entspräche. „Aus dem Beharren auf das Recht, gehört und gesehen zu werden, entsteht eigentlich immer eine künstlerische Form, die unkonventionell, auch widerspenstig und hochspannend ist.“
Die Kunstschaffenden der Container City müssen bis zum Oktober ihre Ateliers räumen. Bisher steht noch nicht fest, wie es für sie weitergeht. „Je teurer der Lebensraum wird, desto weniger fixierbaren Platz gibt es für (Sub-)Kultur“, erklärt Neuburger. Finanzielle Bedrohung und Unsicherheit sind ein ständiger Begleiter bei der Ateliersuche in Stuttgart. Die Künstlerin Anni Krüger hatte Glück. Ganz vielen anderen geht es nicht so.
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Die Skateboarder am Nordbahnhof haben ihr Recht, wie Neuburger es bezeichnet, eingefordert und sich den entsprechenden Raum für ihr Hobby angeeignet. Mit geringen finanziellen Mitteln haben sie ihren eigenen Skatepark gebaut. Noelani „Sheehan“ Kneeland war dabei und muss jetzt zusehen, wie diese Form der Subkultur bald wieder von der Hochkultur verdrängt wird. Er spricht von der Relevanz dieses Raumes und was für die Menschen dort verloren gehen würde, wenn die Bagger anrollen.
Raum steht in Konkurrenz. Nicht nur die Subkultur buhlt um Fläche, dazu kommt Wohnen, Gewerbe, wie auch die „Mainstream-Kultur“. Erhöhte Mieten und erhöhte Heizkosten scheinen unüberwindbare Hürden zu sein. Es fehlt an Platz. Neuburger sieht Lösungen in der Nutzung von verfügbaren öffentlichen Räumen, der Gründung von eingetragenen Vereinen und politischem Engagement.
Eine aktuelle Lösung in Stuttgart ist die Zwischennutzung. Leerstehende Gebäude und freie Flächen werden übergangsweise subkulturell genutzt. Rolf Bier, Bildender Künstler und Professor an der Akademie der Bildenden Künste, sieht die Gefahr, dass die Subkultur durch solche Zwischenlösungen an den Rand gedrängt wird. Jedoch sei sie auch dazu gezwungen, sich ständig zu verändern und werde provoziert, sich diesem Fortschritt anzupassen. „Daraus entsteht ein produktiver Zirkel“, ergänzt Bier.
In Stuttgart bietet das derzeit leerstehende Gebäude der Schwaben-Bräu-Passage ein vorübergehendes Zuhause für Kunstschaffende, einen Club und eine öffentliche Küche. Doch ist Zwischennutzung auch eine langfristige Lösung für das Raumproblem der Subkultur?
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Ob temporär oder langfristig – Subkultur sucht sich ihren Raum. Bier sieht darin neue Möglichkeiten: „Da sie sich zunächst Normen und Regeln nicht fügen muss, kann sie freie Formen und auch andere Inhalte finden oder diese anders thematisieren.“ Neuburger schätzt ebenfalls die Subkultur. "Vor allem dann, wenn diese macht, was sie eben macht: in unerwarteter Form an unerwarteter Stelle zu erscheinen.“