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Wartemomente: Rituale am Kassenband

In einem Einkaufswagen liegt viel Gemüse.
Obwohl Einkaufen etwas so alltägliches ist, ist es doch immer wieder ein Abenteuer. | Quelle: Sabeth Wollinger
02. Jan. 2025

Was uns Wartemomente über die Welt sagen: Auf manche Verhaltensweisen anderer könnte man wirklich gut verzichten. Besonders wenn man doch nur in Ruhe Wein, Süßigkeiten und Tampons kaufen will.

Erst durch den Laden wuseln und verzweifelt nach Zutaten suchen – „Haben die hier etwa keine Kokosmilch?“ Dann folgt das öde, lange Anstehen. Man versucht es mit der Warteschlangen-Strategie, scannt die Kassierer*innen, überprüft die Warenkörbe der anderen und wählt die vermeintlich schnellste Schlange. 

Doch trotz aller Berechnungen und Beobachtungen wählt man am Ende immer die langsamste. Oder zumindest wirkt es so. Das Phänomen „Die andere Schlange bewegt sich immer schneller“ ist eine echte Lebenslektion in Sachen Geduld und Frustrationstoleranz. 

Also steht man da und wartet. Mal wieder. Es bleibt einem nicht viel anderes übrig, als den anderen Leuten beim Schlangenschnüffeln zuzusehen und sich darüber zu ärgern, dass man nicht selbst an einer der anderen – und schnelleren – Kassen gelandet ist. 
Hier in diesen Supermarktschlangen zeigt sich dann die gesamte Bandbreite menschlicher Verhaltensweisen. 

Kommentare zu Hygieneartikeln sind sowas von out

Da wäre zum Beispiel die peinlich berührte Vierzehnjährige, die ihre Tampons auf dem Kassenband zwischen Abschminktüchern und Shampoo zu verstecken versucht. Sie würde man am liebsten kurz in den Arm nehmen, ihr sagen, dass nichts daran unnormal ist, und sie mit Schmerztablette und Wärmflasche nach Hause schicken. 

Wie kann es denn sein, dass die Gesellschaft (besonders der männliche Teil) immer noch nicht dafür bereit ist, ein blaues Päckchen auf dem Kassenband zu sehen? Wenn man doch durch eine einfachere Rechnung feststellen kann, dass der Durchschnitt der Frauen um die Neuntausend Tampons in ihrem Leben verbraucht.

Oder wie wäre es damit, das Kommentieren beim Kauf von Kondomen sein zu lassen? Bei Jugendlichen auf diese Weise Schamgefühle auszulösen, muss doch wirklich nicht mehr sein. Und ein „Viel Spaß damit!“ ist weder besonders originell, noch besonders lustig.

Dann gibt es noch die, die nicht in die Einkaufskörbe anderer schauen, um die schnellere Schlange zu wählen, sondern aus reiner Neugierde. Man kann ihnen förmlich dabei zusehen, wie sie sich insgeheim fragen, was man wohl mit so viel Schokolade und drei Flaschen Wein an einem Dienstagabend vorhat. Gegen diese Blicke helfen auch die Warentrenner nicht. 

Die Sache mit den Warentrennern

Das mit den Warentrennern ordnet sich eher in die Reihe der seltsam vertrauten Verhaltensweisen an der Kasse ein. Wir alle kennen diesen winzigen Moment der Unsicherheit: „Soll ich das jetzt machen? Oder nicht?“ Das führt oft zu wortlosen, fast schon rituellen Abläufen. 

Die Herausforderung, die Plastikdinger so zu platzieren, dass man die Distanz zum vorderen Kunden oder der Kundin nicht zu groß wirken lässt, aber auch nicht aufdringlich ist, wird oft mit einem kurzen Nicken quittiert oder löst ein gezwungenes Lächeln bei beiden Parteien aus. Dass es sich um diese Art gequältes Lächeln handelt, die sonst für die grenzwertigen Witze des Onkels bei der nächsten Familienfeier reserviert ist, macht die Sache nicht besser und das Warten damit keinesfalls angenehmer.

Der Ruf der Schokoriegel

Man hasst alle, die vor einem dran sind, aber da ist auch eine Art Gemeinschaftsgefühl. Nicht zuletzt, weil die Kassenbandverzuckerung uns alle erfasst. Man spürt förmlich wie die Süßigkeiten danach schreien gekauft und gegessen zu werden. Der Blick, den man mit anderen Leidensgenossen austauscht, wird zu einem stummen Pakt der Verzweiflung.

Hat man sich dann an all den Schokoriegeln vorbei gequält, wird das ewige Warten plötzlich wieder zu einem stressigen Kraftakt des Multitaskings: Man versucht gleichzeitig die Kopfhörer vom Ohr zu schieben, die Payback-Karte rauszukramen, die Lebensmittel strategisch einzupacken, mit dem Handy zu bezahlen und währenddessen auch noch mit der Kassiererin oder dem Kassierer zu reden. Dass man dann um 22:30 Uhr noch einen schönen Tag wünscht, ist dann noch das kleinste Problem, wenn plötzlich die Tomaten doch ganz unten gelandet sind und man für den Kassenzettel, die Einkaufstasche, die Kopfhörer, das Handy und die Payback-Karte eigentlich mindestens fünf Hände bräuchte. 

Sehnsüchtig läuft man dann der Ladentür entgegen, wissend, dass die missglückte Warteschlangen-Strategie, die neugierigen Blicke und das Ritual mit den Warentrennern einen beim nächsten Einkauf wieder erwarten. Insbesondere auf die Blicke und Kommentare würde man dabei gerne verzichten. Aber naja, immerhin eine Konstante, auf die man im Leben zählen kann.

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Dieser Artikel ist Teil der Kolumne „Zeit totschlagen“. Zu der Kolumnen-Folge „Zeit totschlagen: Bahnhofs-Crush und blöde Typen“ kommst du hier.