Digitalisierung 6 Minuten

Stuttgarter Kickers: Dank Studierenden nicht nur sportlich auf der Überholspur

Regionalligaspiel zwischen den Stuttgarter Kickers und Schott Mainz
Das Waldau-Stadion: Es gilt als Deutschlands ältestes Fußballstadion. | Quelle: Lukas Schröder
28. Jan. 2024

Wie Studierende den Alltag des Nachwuchsleistungszentrums der Kickers digitalisieren. Die Geschichte einer Symbiose.

Das Jahr 2024 hat gerade erst angefangen, doch eines steht schon jetzt fest. Der siebte Januar wird in jedem medialen Jahresrückblick thematisiert werden. Es war der Tag, an dem „Der Kaiser“ von uns gegangen ist. Der Tod von Franz Beckenbauer löste weit über die Fußballwelt hinaus tiefe Trauer aus. Fast ein halbes Jahrhundert prägte Franz Beckenbauer den deutschen Fußball. Die Bestürzung über seinen Tod fiel auch deswegen so groß aus, weil es so jemanden wie die „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer nie wieder geben wird. Der Fußball hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert. Die digitale Revolution macht es möglich, jedes Bewegungsmuster eines Fußballprofis in Echtzeit festzuhalten. Videobeweis und Torlinientechnik sind bei großen Spielen nicht mehr wegzudenken. Die Digitalisierung im Profifußball schreitet schnell voran. So schnell, dass längst nicht mehr nur der Profifußball, sondern auch der Nachwuchsbereich davon betroffen ist. Das haben auch die Stuttgarter Kickers längst erkannt. In Zusammenarbeit mit der Hochschule der Medien entstanden in den letzten drei Semestern unterschiedliche Digitalisierungsprojekte. Das Ziel ist es, die Projekte langfristig in das Nachwuchsleistungszentrum der Stuttgarter Kickers zu integrieren. Student Anil Sahin sprach mit uns über das Vorhaben und seine Begeisterung für Digitalisierung.

Die digitale Revolution hat längst den Fußball erreicht

Es ist ein grauer Mittwochnachmittag Mitte Januar. Anil Sahin schreibt, dass er in fünf Minuten da ist und tatsächlich erscheint wenig später bei Teams die Benachrichtigung „Anil Sahin möchte dem Meeting beitreten". Bahnstreiks und Bauernproteste haben es gerade im Januar schwierig gemacht, sich zu treffen. Doch es passt ins Bild, dass sich nun drei Menschen über ein Digitalisierungsprojekt unterhalten und dabei über 30 Kilometer voneinander entfernt sind. Anil ist 23 Jahre alt und studiert im achten Semester Wirtschaftsingenieurwesen Medien. Man merkt ihm seine Begeisterung an, als er über die Digitalisierung des Nachwuchsleistungszentrums der Stuttgarter Kickers spricht. Der Traditionsverein aus dem Stuttgarter Stadtteil Degerloch wünschte sich schon länger einen besseren Überblick über seine Ressourcen im Nachwuchsbereich. So entstand die Kooperation mit der Hochschule der Medien. Das Projekt, das unter der Leitung von Prof. Arno Hitzges steht, umfasst insgesamt drei Teilbereiche: ein Pfandsystem, ein Materialverwaltungssystem und ein digitales Fahrtenbuchsystem. Mit der Microsoft Power Plattform wurden diese in den letzten drei Semestern umgesetzt. Insgesamt arbeiten an den Projekten rund zwölf Studierende. Anil war an der Umsetzung des digitalen Pfandsystems beteiligt.

Effektive Nutzung der Vereinsfahrzeuge

Die Stuttgarter Kickers verfügen im Nachwuchsbereich über zwei Fahrzeuge. Doch wann kann welche Mannschaft die Autos nutzen oder wie werden am besten die gefahrenen Kilometer festgehalten? Auf diese Fragen galt es für die Studierenden, digitale Antworten zu finden. Das Ergebnis ist ein digitales Fahrtenbuch. Dies macht es möglich, digital zu sehen, wann die Fahrzeuge unterwegs sind oder wann sie von einer Jugendmannschaft gebucht werden können. Außerdem werden unter anderem die gefahrenen Kilometer und mögliche Schäden an den Fahrzeugen erfasst.

Digitale Unterstützung für den Zeugwart

Zu jeden Fußballverein gehören jede Menge Trikots, Jacken oder auch Fußballschuhe. Schnell kann da aber auch der Überblick verloren gehen, wie viel von welchem Material gerade eigentlich vorhanden ist. Deswegen konzentrierte sich das zweite studentische Digitalisierungsprojekt darauf, ein digitales Materialverwaltungssystem aufzubauen.

Pfand sammeln als sportlicher Wettbewerb

Die Fußballbundesliga hat in ihrer rund 60-jährigen Geschichte für viele Emotionen und auch den ein oder anderen Trainerausraster gesorgt. Die mit Abstand legendärste Wutrede stammt vom damaligen FC Bayern München Trainer Giovanni Trapattoni im Jahr 1998. „In dieses Spiel, es waren zwei, drei oder vier Spieler, die waren schwach wie eine Flasche leer!", schimpfte der Italienische Startrainer. Beim dritten Digitalisierungsprojekt der Kickers spielen im positiven Sinne volle und leere Flaschen eine wichtige Rolle. Anil, erzählt, dass die Kickers grundsätzlich Wasserkästen von einem Sponsor zur Verfügung gestellt bekommen. Hier konnten sich Spieler und Trainer dann an den Wasserflaschen bedienen und die Pfandflaschen anschließend wieder zurückbringen. Das Problem: „Wenn die Jugendmannschaften die leeren Wasserkisten nicht zurückbringen, bleiben die Kickers auf den Pfandkosten sitzen", schildert Anil. Und bei Fußballmannschaften im jugendlichen Alter kann sich natürlich mal der Schlendrian einschleichen. Anil Sahin und seine drei Kommilitonen arbeiteten deswegen in den letzten drei Monaten an einer Lösung dieses Problems. Sie bauten ein Tool, um den Wasserbestand zu überwachen, Wasserentnahmen zu verfolgen und die Rückgabe des Pfands zu dokumentieren. In der Praxis sieht dies jetzt so aus: Es gibt zwei Container. In einem werden die vollen, in dem anderen die leeren Wasserkästen aufbewahrt. Möchte jetzt eine Jugendmannschaft volle Wasserkästen aus dem einem Container holen, wird dies mithilfe eines QR-Codes erfasst. Genauso verhält es sich bei der Rückgabe der leeren Wasserkästen. Auch hier wird wieder per QR-Code erfasst wie viele Kisten zurückgebracht werden.
 

"Man musste viel probieren und schauen, ob das wirklich klappt."

Anil Sahin

Die gesammelten Daten werden dann in einer Exceltabelle erfasst und mit der Microsoft PowerBI ausgewertet. Digital ist nun einzusehen, welche Jugendmannschaft wie viel Wasser verbraucht und wie sorgfältig das Team die leeren Wasserkästen zurückbringt. Doch bis die Studenten an diesem Punkt angelangt waren, war es ein weiter Weg. „Wir hatten verschiedene Vorgehensweisen eine Zeit lang. Bis man sich auf eine Mal committed hat, das war schon kompliziert. Man musste viel probieren und schauen, ob das wirklich klappt”, blickt Anil auf das Projekt zurück. Künftig soll es nun einen kleinen Wettbewerb unter
den Jugendmannschaften geben, bei dem die Mannschaft mit den meisten zurückgegebenen Flaschen am Jahresende einen Preis gewinnt.

Dashboard vom digitalen Pfandsystem
Dank dieses Dashboards haben die Kickers in Zukunft ihr Pfandsystem besser im Blick.
Quelle: Anil Sahin

Projekte sollen langfristig in das System der Kickers integriert werden

Die drei Digitalisierungsprojekte sind nun von den Studierenden der Hochschule der Medien ausgearbeitet worden und liegen aktuell bei den Stuttgarter Kickers zum Testen vor. Im Rahmen der MediaNight am 01.02.24 wird das Projekt offiziell vorgestellt werden. Die an dem Projekt beteiligten Studierenden durften sich übrigens noch über ein kleines Dankeschön der Kickers freuen: „Als kleine Geste haben wir von den Stuttgarter Kickers ein Ticket für ein Wunschspiel bekommen”, erzählt Anil. Trotz seiner gewissen Sympathie für den VfB Stuttgart, für ihn ein cooles Erlebnis.
Rückblickend hat Anil das Projekt jede Menge Freude bereitet. „Bei den Kickers kann man sehr viel ausprobieren. Bei einem Unternehmen wäre das viel schwieriger“. Er ist froh, dass er bereits als Student die Möglichkeit hatte, ein Digitalisierungsprojekt praktisch umsetzen zu dürfen. Persönlich reizt ihn, Probleme in der digitalen Welt zu erkennen und diese dann zu beheben. Nach seinem Bachelor möchte Anil am liebsten an der HdM noch den Master in Computer Science and Media machen. Langfristig sieht er sich beruflich im IT-Projektmanagement.