Perspektivenwechsel

Sehen lernen

Ab und zu nach oben schauen
31. Jan. 2018

Ein Augenblick in unserem Alltag enthält eine unglaubliche Anzahl an Sinneseindrücken. So viele, dass ich sie nicht aufschreiben kann. Allerdings nehmen wir den Großteil nicht bewusst war. Übersehen wir dabei Sehenswertes?

INNEN CAFÉ Du sitzt gemütlich im Café des Porschemuseums und scrollst durch deinen Instagramfeed. Dein Blick verliert sich in klaren Linien und Strukturen. Innerlich bist du schon dabei einen Urlaub an diesen Ort zu planen. Dann entdeckst du das Orts-tag des Fotos und bist wieder in der Realität. Stuttgart, Baden-Württemberg. Moment, wo in Stuttgart soll das sein?

Schönnheit findet sich überall.

Eigentlich kennst du das Gebäude du bewunderst schließlich schon länger den gegenüber ausgestellten Oldtimer. Ein Perspektivenwechsel hat ausgereicht und schon fehlt dir jeder Bezug. In unserer Konstruktion der Wirklichkeit gehen wir davon aus, etwas Bekanntes auch aus einem neuen Winkel wiederzuerkennen, dem ist aber nicht immer so. Wir sind daran gewöhnt, Dinge zu kategorisieren, in eine Schublade zu stecken und nicht erneut kennenzulernen.

Wir gehen durch die Welt wie jemand, der trotz einer Sehschwäche keine Brille trägt. Wir sehen nur eine Fassade der Dinge, nur Umrisse. Wir haben kein Auge für Schönheit im Detail. Wir haben das Sehen verlernt. Das Ganze geht soweit, dass wir das Fehlen eines Gebäudes kaum bemerken. 

In der Stadtbibliothek steckt so viel mehr, man muss nur hinsehen

Das liegt aber gar nicht daran, dass wir uns Dingen bewusst verschließen. Es liegt schlicht an unserer Umwelt selbst. An ihren unendlichen Sinneseindrücken, die sekündlich auf uns einprasseln. In der reinen Theorie ist unser sensorisches System sogar in der Lage, all diese Informationen aufzunehmen. Allerdings kann es nicht alle speichern. Was eine echt gute Sache ist, sonst könnten wir uns auf nichts konzentrieren und das Tattoo des Kellners hätte die gleiche Priorität, wie der Kaffee, den du grade im Begriff bist über deine Tastatur zu verschütten.

Unsere Aufmerksamkeit ist also hochselektiv: Nur gewisse Informationen, wie die akute Gefahr deinen Laptop mit der schwarzen Bohne zu zerstören, schaffen es in unser Arbeitsgedächtnis. Dort werden sie dann in Form von Gedanken und Entscheidungen weiterverarbeitet.

Doch Schluss mit der Wissenschaft. Ich möchte euch lediglich mit auf den Weg geben, einfach einmal stehenzubleiben. Einfach mal nach oben zu schauen. Die Schönheit liegt oft nicht im Verborgenen oder an weit entfernten Orten, sondern im Alltäglichen.

Man muss sich lediglich umschauen, lediglich sehen lernen.

Einfach stehenbleiben und sehen
Ein Irrgarten aus Glas und Stahl
Linien aus Metall