Stress, der uns körperlich beeinflusst, kann im Auge sehr viel kaputt machen.
Plötzlich schwarz vor Augen
Zu viel Stress in der Familie, bei der Arbeit oder in der Beziehung beeinflusst nicht nur die mentale Gesundheit, sondern auch unseren Körper. Wenn der Stress so weit ist, dass man ihn körperlich fühlt und der Blutdruck steigt, kann sich das auf unsere Augen auswirken, heißt es von Dr. Lebriz Altay, Oberärztin für Augenheilkunde am Uniklinikum Köln. Diese Erfahrung hat auch Tim M.* gemacht, Betroffener der Augenerkrankung Chorioretinopathia centralis serosa (CCS). In stressigen Phasen kann es bei ihm dazu kommen, dass er nur verschwommen sehen kann.
Ein Dorn im Auge
Sprichwörter wie „Man kann’s nicht mehr sehen“ oder „Ein Dorn im Auge“ zeigen, dass über Jahre oder sogar Jahrhunderte hinweg der Zusammenhang zwischen Belastungen der Seele und dem Körper bekannt sei, sagt Augenärztin Dr. Andrea Lietz-Partzsch. Stress kreiere Belastungssituationen, die sich auf das Auge auswirken können. Dazu zählt zum Beispiel ein hoher Blutdruck oder eine veränderte Immunität. Es sei aber nach wie vor ein großes Forschungsthema, wie das genau funktioniert. Studien, die den Zusammenhang zwischen Stress und dem Auge eins zu eins belegen können, sind noch nicht auf dem Markt. „Die große Frage ist, was überhaupt die Seele ist und das ist noch nicht so greifbar für uns alle“, erklärt Lietz-Partzsch.
„Die psychogene Blindheit ist ein Krankheitsbild, wo Stress ganz offensichtlich ist“, schildert die Augenärztin. Dabei sind das Auge und sämtliche Sehfunktionen in Ordnung, der Patient sieht aber nichts. Es handelt sich dabei um eine Erblindung, wofür man keine Ursache findet. Das ist eher selten, aber so etwas gebe es. „Das sind spannende Phänomen, die man gar nicht 100 Prozent fassen kann und noch viel dran geforscht wird“, sagt Lietz-Partzsch.
Die „Managerkrankheit“
„Stress kann zum Beispiel die Netzhauterkrankung Chorioretinopathia centralis serosa (CCS) begünstigen“, meint Dr. Lebriz Altay, Oberärztin für Augenheilkunde am Uniklinikum Köln. Dabei kommt es zu einer veränderten Durchblutung in der Aderhaut der Augen und es sammelt sich Flüssigkeit unter der Netzhaut an. „Die Flüssigkeit kann in akuten Phasen plötzlich zu einer drastischen Sehverschlechterung führen, sodass die betroffenen Personen ihre alltäglichen Aufgaben nicht bewältigen können“, erklärt die Oberärztin. In 80 Prozent der Fälle bilden sich die Symptome in vier bis sechs Monaten wieder komplett zurück, heißt es von Altay. Wenn dieser Fall jedoch nicht eintritt, dann handelt es sich um eine chronische CCS. „Dabei kommt und geht die Erkrankung immer wieder in Schüben“, erklärt Altay. Wenn die Symptome nach vier bis sechs Monaten immer noch da sind, kann es sogar zur Erblindung führen.
CCS wird auch „Managerkrankheit“ genannt, weil besonders junge Männer im Alter von 30 bis 40 Jahren davon betroffen sind. In den meisten Fällen befinden sich die Betroffenen in stressigen Berufsphasen und haben einen starken beruflichen Ehrgeiz.
„Es ist sehr einschränkend“, sagt Tim M., Betroffener von chronischer CCS. Wassereinlagerungen unter der Netzhaut lassen seinen Blick immer unschärfer werden. Durch seinen Beruf in der Verwaltung merke er, dass ihm das Lesen immer schwerer fällt. Beim Schreiben mache er viele Tippfehler, weil er die Buchstaben nicht so gut erkenne. „Wenn sich der Stress aufbaut, bekomme ich einen sogenannten Schub und sehe dann einen grauen Fleck“, erklärt Müller. „Zwischendurch ist es frustrierend und angstauslösend, weil ich mir immer die Frage stelle, ob das wieder weggeht oder nicht“, schildert der Betroffene.
Ein gesunder Lebensstil ist auch für die Augen absolut wichtig, das unterschätzt man.
Damit sich Stress nicht schlecht auf die Augen auswirkt, sollte man die gesamte Situation und seinen Lifestyle näher betrachten, rät die Augenärztin. Das versucht auch der Betroffene Tim M. in seinem Alltag umzusetzen. „Es ist wichtig für mich, Inseln zu schaffen, einen hohen Wert auf Freizeit zu legen und Kompensationsmöglichkeiten zu schaffen“, beschreibt der CCS-Betroffene. Um dem Stress entgegenzuwirken, baut er entlastende Momente in den Alltag ein. Seit ein paar Jahren hört er jeden Abend Meditationsgeschichten und macht zweimal in der Woche Yoga vor der Arbeit. „Ich kann den Stress besser ausgleichen, wenn ich nach der Arbeit abschalte, mich gesund ernähre, Sport treibe und mich mit Freunden treffe“, sagt Tim M. Vor allem, wenn er viel zu tun hat, gelingt ihm der Ausgleich nicht immer. Aber nach 10 Jahren mit der Krankheit hat er gelernt, einen Umgang damit zu finden.
*Name des CCS-Betroffenen wurde aus persönlichen Gründen geändert, Identität ist der Redaktion bekannt.