Das Glück selbst in die Hand nehmen
Frau Schöler, wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert, als Sie Ihren eigenen Beruf der Glücksministerin erfunden haben?
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich genug „verrückte“ Leute in meinem Umfeld habe, die zu mir gesagt haben, dass ich es machen soll. Meine Eltern sind auch selbstständig und waren immer offen für Experimente und neue Lebenswege. Ich hatte einen Professor, der uns gesagt hat „Ihr habt sie nicht mehr alle“. Er hat uns einige Steine in den Weg gelegt. Heute bin ich dankbar für die Challenge und meinen dadurch entstandenen Ansporn, es erst recht geil zu machen.
Das Ministerium ist kein richtiges Ministerium, sondern eine unabhängige Initiative, mit der Sie sich selbstständig gemacht haben. Hatten Sie Angst, dass das Projekt scheitern könnte?
Nein, hatte ich nicht. Die Selbstständigkeit ist in den ersten Jahren immer holprig und crazy. Trotzdem habe ich immer daran geglaubt, dass es Sinn macht. Es gab auch Hänger, wo ich ins Zweifeln gekommen bin. Selbst wenn das Ministerium gescheitert wäre, dann hätte ich es wenigstens probiert. Als alte Omi kann ich mir keine Vorwürfe machen, es nicht wenigstens probiert zu haben.
Also lautet das Motto des Ministeriums „Einfach machen und schauen, was daraus wird“?
In vielerlei Hinsicht ja. Wir arbeiten generell sehr kreativ und intuitiv, aber haben für dieses und nächstes Jahr schon unsere Pläne. Wir schauen immer, wie realistisch die Dinge sind, die wir umsetzen wollen. Ganz viel machen wir aber aus dem Bauch heraus. Wenn ich mir die Politiker*innen anschaue, macht uns das als Ministerium auch besonders, dass wir keinen festen Fahrplan haben.
Warum hat es das Ministerium für Glück und Wohlbefinden noch nicht in die Politik zu einem staatlichen Ministerium geschafft?
Es gab schon mehrere Ansätze der Regierung. Dabei haben sich viele Expert*innen über einen langen Zeitraum zusammengefunden. Mit tausendseitigen Abschlussberichten war die Bürokratie noch und nöcher. Als ich bei der OECD-Konferenz 2019 vor Ort war, war ich wirklich von den Socken, weil ich Deutschland als Einzige repräsentiert habe (Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die OECD, ist eine internationale Organisation, deren Ziel eine bessere Politik für ein besseres Leben ist). Das Problem in Deutschland ist, dass es gute Intentionen gibt, aber keine Implementierung. Das ist aber der springende Punkt. Ich kann mir nur durch mangelnde Prioritäten erklären, warum das bisher nicht passiert ist.
Was tun Sie denn aktiv dafür, ein staatliches Ministerium zu werden?
Ich komme aus Mannheim und da gibt es das Motto „net babbeln, sondern machen“. Wenn dann von der Regierung nichts umgesetzt wird, macht mich das kirre. Im Rahmen unserer Möglichkeiten wollen wir deshalb selbst etwas zum Guten und Schönen verändern, ohne zwangsläufig ein echtes Ministerium zu brauchen. Ich setze mich aktuell tatsächlich wenig politisch dafür ein, dass das in die richtigen Bahnen gerät, weil die politischen Mühlen ein Vollzeitjob für sich sind. Wir sehen uns eher als Multiplikatoren für die Gesellschaft, indem wir die Menschen motivieren, selbst zu Glücksbotschafter*innen zu werden.
Wie finanziert sich das Ministerium als unabhängige Initiative?
Das habe ich mich in den ersten Jahren auch gefragt. In der Masterphase haben wir uns mit Crowdfunding finanziert. Das ist aber kein nachhaltiges Konzept. Ich habe mich schnell dazu entschieden, mich nicht von irgendwelchen Stiftungen oder Parteien zu finanzieren, weil ich unabhängig bleiben wollte. Mit den Fördergeldern war mir das alles zu anstrengend, zu bürokratisch und zu nervig. Dann hat es sich herauskristallisiert, dass ich Dienstleistungen anbiete. Von der Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte in positiver Psychologie über Schulklassen-Workshops bis hin zu Führungskräften in Unternehmen ist alles dabei. Mit diesen Dienstleistungen finanziere ich mich, das freie Team und alles rund um das Ministerium frei aus dem Brunnen.
Wenn man auf die Internetseite des Ministeriums für Glück und Wohlbefinden klickt, könnte man meinen, es handelt sich um ein echtes Ministerium. Warum greifen Sie zu diesem PR-Gag?
Die Anfänge des Ministeriums liegen bei meinem Studium im Bereich Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim. Unsere Aufgabe war es, eine Kampagne zu initiieren, die einen Wertewandel in der Gesellschaft gestaltet. Während der Recherche war Bhutan mit dem Bruttonationalglück eine Inspirationsquelle. Es ist super sinnvoll und smart, das Ganze auf eine politische Ebene zu bringen. Dann kamen wir auf die Idee, ein fake Ministerium zu gründen. Dabei wollten wir auch schauen, wie die echte Politik und die Bevölkerung darauf reagieren. Diese politische, hochgegriffene und ernste Metapher hilft dabei unglaublich, damit das Thema ernst genommen wird. Bei dem Thema Glück bekommt man schnell die rosarote Brille aufgesetzt.
Und wie haben die echten Politiker*innen auf das "fake" Ministerium reagiert?
Wir sind zu Daniela Kolbe in den Bundestag eingeladen worden, weil sie die Chefin von der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ war (Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages entwickelte unter anderem einen Wohlstands- und Fortschrittsindikator). Wir haben die Politiker*innen auch wild angequatscht und haben gefragt, ob wir mit ihnen über dieses Thema sprechen dürfen. Dabei haben uns fast alle mit offenen Armen empfangen. Ein paar haben es auch nicht richtig verstanden oder verstehen wollen. Für die Regierungsstrategie „Gut leben in Deutschland“ haben wir sogar mit Heiko Maas und dem Justizministerium kooperiert. Dabei wurden wir als Kooperationspartner für die Dialoge mit den Bürger*innen eingeladen. Das fand ich auch überraschend, dass die so offen und positiv reagiert haben.
Ihre Inspirationsquelle für das Ministerium war das Bruttonationalglück. Was versteht man darunter?
Das Bruttonationalglück stammt aus Bhutan. Das ist ein alternativer Wohlstandsindikator ergänzend zum Bruttoinlandsprodukt. Das Bruttoinlandsprodukt misst sich an dem wirtschaftlichen Wachstum, während das Bruttonationalglück verschiedene Faktoren und Indikatoren miteinbezieht. Dazu zählen beispielsweise das Umweltbewusstsein, die seelische Gesundheit oder die kulturelle Vielfalt.
Bei dem diesjährigen World Happiness Report, bei dem die Lebenszufriedenheit in den Ländern erfasst wird, ist Deutschland von Platz 14 auf Platz 16 gerutscht. Wie kann das Ministerium dazu beitragen, Deutschland auf die oberen Plätze zu bringen?
Wir sprechen auf sämtlichen Kanälen immer wieder diese Themen an. Jetzt gerade haben wir einen Brief an die Bundesregierung gesendet. Nachdem Olaf Scholz Besuch von dem Ministerpräsidenten Lotay Tshering aus Bhutan hatte, stand in den Schlagzeilen, wie fasziniert er vom Bruttonationalglück ist. Da piksen wir jetzt nach. Wir tun mit vollem Herzblut alles dafür, dass das Glück, die Zufriedenheit und die seelische Gesundheit sichtbar und erlebbar werden. Das tun wir unter anderem mit Aktionen, Artikeln, Publikationen und Veranstaltungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine private, unabhängige Initiative. Noch erreichen wir nicht ganz Deutschland und da braucht es etwas mehr, um von Platz 16 auf Platz eins zu kommen. Das ist eine harte Nuss.
Laut einer Studie der Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky ist das persönliche Glück zu 50 Prozent genetisch vorbestimmt. Haben wir dann überhaupt eine Chance, zu 100 Prozent glücklich sein?
Ich würde mich nicht auf die 50 Prozent festnageln. Es ist jedoch unumstritten, dass sowohl unsere Ursprungsfamilie als auch unser soziales Umfeld einen großen Einfluss auf uns haben. Wenn die eigenen Eltern keine Glücksbringer sind, würde ich nicht direkt davon ausgehen, niemals glücklich werden zu können. Das wäre wie das Haar in der Suppe. Man sollte sich lieber auf seinen eigenen Spielraum konzentrieren. Der erste Schritt dabei ist, sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse kennenzulernen.
Wie kann mir persönlich das Ministerium dabei helfen, glücklicher zu werden?
Indem man sich an unserem reich gedeckten Buffet bedient und schaut, worauf man gerade Appetit hat. Man kann sich die eine oder andere Idee von uns herauspicken, ausprobieren und weiterentwickeln. Zu dem diesjährigen Weltglückstag haben wir uns zum Beispiel eine Aktion mit Kreide ausgedacht. Da haben wir in diesen grauen Tagen dazu aufgerufen, frohe, mutmachende Botschaften in die Welt hinauszutragen. Was die Menschen daraus gemacht haben, war sehr berührend. Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie als Privatperson genau tun müssen, damit das Glücklichsein funktioniert. Schauen Sie einfach, was Sie anspricht. Alles kann, nichts muss. Es kommt auf jeden Einzelnen an.