Die Verzichtsfalle 3 Minuten

Konsumverzicht: Die große Ablenkung vom eigentlichen Problem

Symbolischer Verzicht: Reicht es, wenn der Verzicht auf Avocado die Klimakrise lösen soll? | Quelle: Johanna Blessinger
02. Jan. 2025

Klimakrise, Artensterben, soziale Ungerechtigkeit – wenn man die Debatten der letzten Jahre verfolgt, könnte man meinen, die Welt ließe sich retten, wenn wir alle einfach ein bisschen weniger tun: weniger fliegen, weniger Fleisch essen, weniger konsumieren. Die Botschaft lautet: Wenn jede*r nur seinen Teil beiträgt, wird alles gut. Klingt einfach, oder? Doch das Problem mit diesem Ansatz ist ebenso einfach: Er lenkt die Aufmerksamkeit von den wahren Verantwortlichen ab.

Verantwortung für den Klimawandel wird häufig auf die Verbraucher*innen abgewälzt, was eine bequeme und perfide Lösung für die wahren Verursacher darstellt: Regierungen und Unternehmen. Natürlich ist es ein Schritt, weniger Plastiktüten zu verwenden oder auf nachhaltigere Produkte zu achten. Doch während Einzelpersonen im Supermarkt auf den Bio-Apfel ohne Plastikverpackung zurückgreifen, stößt die Industrie weiterhin Millionen Tonnen CO₂ aus. Laut einer Studie der NGO „Carbon Disclosure Project“ stammen 71 Prozent der globalen Emissionen von gerade einmal 100 Unternehmen. Der Fokus auf Konsumverzicht lenkt damit von der eigentlichen Verantwortung der großen Akteure ab.

Die Absurdität des Verzichtsappells

Stellen wir uns vor, historische Errungenschaften wären mit demselben Prinzip verfolgt worden: „Die Gurtpflicht? Ach, da können die Leute doch einfach aufpassen, wie sie fahren.“ „Frauenwahlrecht? Sollen sich Frauen doch in ihren Familien Gehör verschaffen.“ Lächerlich, oder? Große gesellschaftliche Veränderungen wurden nie erreicht, indem man allein auf den guten Willen der Einzelnen gesetzt hat. Es braucht Regeln, Gesetze, Innovationen – kurz: echte Politik.

Doch stattdessen feiert man symbolischen Kleinkram. Es ist absurd, dass Supermärkte mit großem Tamtam Plastiktüten abschaffen, aber gleichzeitig jede Gurke in Plastik hüllen. Oder dass Konzerne auf Bio-Produkte umstellen und damit horrende Gewinne einfahren, während ihre Lieferketten in Entwicklungsländern weiterhin Ausbeutung fördern. Zynisch könnte man sagen: Konsumverzicht ist das neue Feigenblatt der Klimapolitik – hübsch anzusehen, aber völlig wirkungslos.

Was wirklich passieren muss

Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung endlich durch verbindliche Klimaschutzgesetze die Verantwortung von Unternehmen einfordert. Ein Klimaschutzgesetz, das Unternehmen verpflichtet, ihren CO₂-Ausstoß radikal zu senken, und Subventionen für fossile Brennstoffe durch Investitionen in nachhaltige Energiequellen ersetzt. Das Umweltministerium sollte zudem den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und den Übergang zu erneuerbaren Energien ernsthaft vorantreiben, anstatt weiterhin auf symbolische Maßnahmen zu setzen.

 Auch im Alltag gäbe es Alternativen, die nicht nach Verzicht schmecken: Warum gibt es in Deutschland immer noch kaum erschwingliche Bahnverbindungen? Warum ist nachhaltiger Konsum oft ein Privileg der Mittelschicht, statt für alle zugänglich? Die Politik könnte hier ansetzen – wenn sie wollte.

Das Gegenargument – und warum es nicht reicht

Natürlich, Kritiker*innen werden jetzt sagen: Aber jeder kann doch einen Beitrag leisten. Das stimmt, und niemand sollte für Engagement kritisiert werden. Doch der individuelle Beitrag wird zur Farce, wenn die großen Akteure gleichzeitig ungeschoren davonkommen. Das ist, als würde man ein sinkendes Schiff mit einem Teelöffel auszuschöpfen versuchen, während jemand anders absichtlich ein weiteres Loch in den Rumpf schlägt.

Schluss mit der Ablenkung

Der ständige Appell an Konsumverzicht ist eine Beruhigungspille, die uns davon abhält, wirklich wirksam zu handeln. Es ist an der Zeit, die großen Akteure in die Verantwortung zu nehmen und klare Regeln zu schaffen, die eine nachhaltige Zukunft ermöglichen. Denn mit Bio-Kaffee und Verzicht auf den Plastikstrohhalm werden wir die Welt nicht retten. Mit mutiger Politik vielleicht schon.

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